Kontroverse Diskussion

Geplante Aldi–Zufahrt über Oderstraße erntet in Wangen Kritik

Wangen / Lesedauer: 6 min

Neubau des Markts an der Siemensstraße ist Thema im Gemeinderat. Wittwais–Anwohner protestieren gegen zusätzliche Erschließung. So geht es jetzt weiter.
Veröffentlicht:22.03.2023, 09:00

Von:
  • Author ImageBernd Treffler
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Aldi Süd will an seinem Standort in der Wangener Siemensstraße einen neuen, größeren Markt hinstellen. Kritik gab es in der jüngsten Sitzung des Wangener Gemeinderats jedoch weniger am Bauvorhaben an sich, sondern vielmehr an einer geplanten, weiteren Zufahrt über die Oderstraße. Dagegen wehren sich auch die Bewohner der benachbarten Wittwais–Siedlung. Das ist der Stand der Dinge.

Was plant Aldi an der Siemensstraße genau?

Seit Mitte der 90er-Jahre steht an der Ecke Siemensstraße/Ravensburger Straße eine Aldi–Filiale. Nun will der Discounter–Riese dort einen neuen, modernen Markt hinstellen, mit einer um 50 Prozent größeren Verkaufsfläche von rund 1200 Quadratmetern. Für diesen großflächigen Einzelhandel braucht es einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Das neue Gebäude mit den Ausmaßen von etwa 35 auf 55 Metern soll gegenüber dem Bestand um 90 Grad gedreht sein, die Parkplätze sind zu den beiden Straßen ausgerichtet. Dadurch soll eine zweite Zufahrt über die Oderstraße möglich werden, die jene über die Siemensstraße entlasten soll.

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Der bestehende Aldi-Markt an der Siemensstraße soll abgerissen und neu gebaut werden – das Gebäude soll dann um 90 Grad gedreht sein. (Foto: bee)

Die großen Bäume an der Oderstraße sollen stehen bleiben, wie Eduard Obermeier vom Memminger Fachbüro Lars Consult in der Sitzung sagte. Die Stellplätze im Norden sollen demnach überdacht, wie das Gebäudedach mit Photovoltaik bestückt und den Mitarbeitern vorbehalten sein. Dies soll genauso dem Lärmschutz für die angrenzende Siedlung dienen wie eine bauliche Abschirmung der Lkw–Andienung von Süden her. Weil die Stadt wegen der gut einsehbaren Lage an der B 32 Wert auf eine hohe städtebauliche Qualität legt, sollen die einsehbaren Gebäudeseiten eine Holzfassade erhalten.

Wie soll die neue Zufahrt über die Oderstraße geregelt sein?

Der Bebauungsplan „Nahversorgung Siemensstraße“ sieht eine neu gestaltete „öffentliche Verkehrsfläche“ im östlichen Bereich der Oderstraße vor, die bislang als Einbahnstraße in Richtung B 32 dient. Aldi–Kunden sollen jedoch künftig von der Bundesstraße aus nördlicher Richtung kommend einfahren und dann gleich links auf den Parkplatz abbiegen können. Dazu soll die Oderstraße dort verbreitert und für eine Weiterfahrt Richtung Gesundheitszentrum abgesperrt werden. Wie dieser Bereich verkehrstechnisch für Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer genau geregelt werde, sei Sache der Stadt und nicht Bestandteil des Bebauungsplans, so Obermeier. Er geht jedoch davon aus, dass der Verkehr in diesem Teilstück insgesamt weniger werde, wenn die Oderstraße kurz vor der Einmündung in die Sudetenstraße komplett abgekoppelt werde.

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Anwohner befürchten, dass es mit der zweiten Aldi-Zufahrt mehr Verkehr in der Siedlung gibt, auch in der Sudetenstraße. (Foto: bee)

Warum kritisieren Wittwais–Anwohner die geplante Zufahrt?

Beim Bau des Aldi–Markts habe die Stadt damals den Anwohnern zugesichert, dass die Wittwais als reines Wohngebiet nicht über die Oderstraße an das Gewerbegebiet angebunden wird und keine Lärmbelästigung durch Parkplätze oder Anlieferung entsteht, heißt es in einem von knapp 80 Bewohnern unterschriebenen Schreiben an Verwaltung und Ratsfraktionen. Eine zusätzliche Zufahrt stelle deshalb eine „unzumutbare, höchst gefährliche Verkehrssituation“ dar, insbesondere für Kinder und ältere Menschen. Für sie werde der kurze und künftig viel befahrene Straßenabschnitt zu einem nicht mehr zu überblickenden Bereich, generell sei die Oderstraße „der Fußweg in und aus dem Wohngebiet“. Außerdem führe eine zusätzliche Aldi–Erschließung durch an– und abfahrende Kunden zu einem „Mehr an Verkehr in dem Wohngebiet“, zu befürchten sei, dass die Sudetenstraße als Zufahrt genutzt werde. Gefordert wird in dem Schreiben deshalb, dass die Trennung von Wohngebiet und Gewerbegebiet beibehalten wird.

Wie lief dazu die Diskussion im Gemeinderat?

Die Meinungen zur geplanten zweiten Zufahrt über die Oderstraße gingen auseinander. Doris Zodel (GOL) beispielsweise sah sie wegen des dann dort stärkeren Verkehrs kritisch. Alwin Burth (SPD) will klären lassen, ob der Bereich „ausreichend verkehrstechnisch untersucht worden ist“. Für Ursula Loss (FW) vertrage der neue Markt zwar zwei Zufahrten, man müsse dabei aber Rücksicht auf die Anwohner nehmen. Ihr Fraktionskollege Rainer Herget geht auf jeden Fall davon aus, dass in der Wittwais mehr Verkehr sein wird — wie auch OB Michael Lang. Er schlug vor, dass die Stadt die Situation bei einem Treffen mit den Anwohnern erörtert.

Um welche Dinge ging es in der Debatte noch?

Christian Natterer signalisierte für die CDU „weitgehende Zustimmung“, sprach von einer „städtebaulichen Aufwertung“ und von „innovativen Solarmodulen“. Er forderte jedoch, dass die Verwaltung vom Münchner Stadtentwicklungsbüro Cima ein Gesamtgutachten erstellen lässt, weil die Verkaufsfläche der expandierenden Märkte in Wangen (Aldi in der Spinnerei, Lidl, Edeka, Norma) zuletzt um insgesamt rund 2000 Quadratmeter gestiegen sei. „Wir müssen schauen, ob das noch verträglich ist.“ Zumindest das aktuelle Aldi–Projekt hatte Cima so eingeschätzt. OB Lang informierte darüber, dass ein neues Gutachten in Arbeit sei.

Auf wenig Begeisterung stieß der geplante Aldi–Neubau bei der GOL. Doris Zodel bezeichnete den Abriss eines vergleichsweise jungen Gebäudes als „nicht nachhaltig“, die einstöckige Bebauung widerspreche dem sorgsamen Umgang mit Flächen, die PV-Fläche auf den Parkplätzen war für sie zu wenig. Alwin Burth sah die Sache pragmatisch und bezog sich dabei auf den Lidl–Neubau in der Spinnereistraße:

Wir haben dort A gesagt und sollten jetzt B sagen.

 Wert legen will er auf eine ansprechende Hofzufahrt von Süden her. Die „bestandsorientierte Entwicklung“ bei Aldi sah Ursula Loss als „Schritt in die richtige Richtung“.

Landwirt Gerhard Renzler (CDU) sah auch jetzt bei Aldi die Expansion der Discounter generell kritisch und im aktuellen Fall keinen Bedarf für einen größeren Neubau: „Ich habe bei Lidl nicht A gesagt und muss jetzt auch nicht B sagen.“ OB Lang ging in seinem Statement auf die städtische Haltung ein, für „attraktive Märkte mit attraktiven Größen“ zu sorgen. Er machte zudem keinen Hehl daraus, dass er aus gestalterischer und städtebaulicher Sicht die PV–Anlagen auf Parkflächen „nicht gut“ findet.

Wie geht es jetzt im Verfahren weiter?

Am Ende beschloss der Wangener Rat mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern, SPD und FDP mehrheitlich, den Bebauungsplan „Nahversorgung Siemensstraße“ aufzustellen und im nächsten Schritt Bürger und Behörden im Genehmigungsprozess zu beteiligen. Geht es nach dem Aldi–Planer, dann soll das beschleunigte Verfahren im Sommer abgeschlossen sein. Vorgesehen ist, dass der neue Discounter im Zuge der Umwandlung der Waltersbühlkreuzung zu einem Kreisel entsteht, Abriss und Baubeginn könnten deshalb bereits im kommenden Sommer/Herbst sein.