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Früher noch selten

Darum gibt es in der Region plötzlich so viele Störche

Leutkirch / Lesedauer: 4 min

Während es 1976 nur 15 Storchenpaare in ganz Baden-Württemberg gab, sitzen heute so viele bisweilen auf einer Wiese zusammen. Das hat Gründe, wie eine Expertin erklärt.
Veröffentlicht:22.09.2023, 05:00

Von:
  • Maria Bertele
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„Obwohl schon viel über diese Vögel geforscht wurde, gibt es immer noch Vieles, das wir über die Störche nicht wissen“, zieht Ute Reinhard am Ende des Abends Bilanz.

Der Bocksaal in Leutkirch war gut besucht, das Interesse der Zuhörer groß an diesem Vortrag, zu dem die VHS am Dienstagabend eingeladen hatte.

Die Storchenbeauftragte des Regierungspräsidiums Tübingen gab nicht nur einen Überblick über die Ansiedlung von Weißstörchen in verschiedenen Regionen und deren aktuelle Lebensbedingungen, sondern berichtete in spannender und humorvoller Weise von ihrer täglichen Arbeit.

Die studierte Biologin ist derzeit für etwa 300 Nester verantwortlich. Und wenn sie von ihren Schützlingen spricht, dann schwingt so viel Respekt, Empathie und Fürsorglichkeit mit als spräche eine Mutter von ihren Kindern.

Acht Paare in Leutkirch

Während es 1976 noch lediglich 15 Storchenpaare in ganz Baden-Württemberg gab, sind die Weißstörche heute wieder weit verbreitet. Die kunstvoll gebauten Nester an teils atemberaubenden Plätzen sind mittlerweile ein vertrautes Bild auch in den Allgäu-Städten Leutkirch, Isny und Wangen. Derzeit gibt es acht Storchenpaare in Leutkirch, die dieses Jahr alle erfolgreich gebrütet haben.

In den 1980er-Jahren gab es laut Ute Reinhard Maßnahmen zur Bestandsstützung, die Früchte trugen. „Aber vor allem seit 2000 nimmt die Population stark zu.“ Eine maßgebliche Rolle spiele dabei die „verminderte Altstorch-Sterblichkeit“, da sich viele Störche im Winter nicht mehr auf den weiten Weg nach Afrika machen und somit weniger Tiere auf dem gefährlichen Flug umkommen. Oft ziehen sie nur noch bis Spanien oder manche bleiben ganz hier, was allerdings nur zu einem geringen Teil auf den Klimawandel zurückgehe.

Geschichten aus dem Storchenleben

Mit den „Geschichten, die das (Storchen)-Leben schreibt“, zieht die Referentin ihre Zuhörer in ihren Bann. Da geht es um Liebe und Tod, Treue, Verrat und Eifersucht. Immer wieder muss man kurz überlegen: Von wem ist hier die Rede, von Mensch oder Tier? „Viele ihrer Verhaltensweisen ähneln den unseren. Tiere sollten wir deshalb nicht als seelenlose Kreaturen oder reine Nutztiere sehen, sondern sie mit Respekt behandeln“, betont Ute Reinhard. Manche ihrer Störche erhalten von den Anwohnern Namen, so erzählt sie von „Siggi und Roy, Laura und Antonia, Romeo und Julia“.

Ähnlich wie wir trauern sie, wenn sie ihre Kinder verlieren. Überhaupt kümmern sie sich laut Ute Reinhard verantwortungsvoll um ihren Nachwuchs. Ein Beispiel: Ein Jungstorch, der sich beim ersten Flugversuch verletzt hatte, war nicht bereit, die Reise mit seiner Familie anzutreten. Beobachter haben gesehen, wie erst die Mutter zurückkam, um ihr Kind zu holen, aber erfolglos wieder abziehen musste. Dann versuchte es der Storchenvater, ebenfalls vergebens. Schließlich gelang es dem Elternpaar gemeinsam, ihr Junges dazu zu bewegen, mitzukommen.

Gleichgeschlechtliches Paar

Für viel Schmunzeln sorgte die Geschichte des gleichgeschlechtlichen Storchenpaares Siggi und Roy, das in unverbrüchlicher Partnerschaft lebte und vergeblich versuchte, Nachwuchs zu bekommen ‐ bis sie sich trennten und mit neuen Partnerinnen (!) eine Familie gründeten.

Treue werde bei Störchen zwar nicht immer hochgehalten, doch gebe es außer Liebe auch richtige Freundschaft, betont Ute Reinhard. So überwinterten zwei ehemalige Brutpartner stets gemeinsam in Oberschwaben und unternahmen dann alles zusammen, oder ein durch gemeinsame Erlebnisse befreundeter Storch stand seinem Nachbarn im Kampf bei, als das Nest des Nachbarn von einem Fremdstorch besetzt wurde.

Getötet aus Eifersucht

Es gibt aber ‐ ganz wie bei Menschen auch ‐ eine dunkle Seite: Aus Eifersucht töten vertriebene Störchinnen manchmal ihre Rivalinnen, aus „Elternneid“ töten Störche, die ihre Jungen verloren haben, hin und wieder die Kinder anderer Storchenpaare. Im Jagsttal gab es einen Storch, der anfangs kein Glück bei den Frauen hatte und daraufhin aus „Frust“ verpaarte Nachbarstörche tötete.

Dass Störche über einen „siebten Sinn“ verfügen, zeigt die abenteuerliche Geschichte einer Störchin, die in einen Schlot gefallen war und schließlich auf einer zehn Kilometer entfernten Wiese von ihren Rettern wieder ausgesetzt wurde. Ihr Partner hatte sie dort schon erwartet, er wusste einfach, wann und wo er sie antreffen würde. Wahre Liebe eben.