Kaffeefahrt
Rentner erhält nebulöses Angebot
Leutkirch / Lesedauer: 3 min

Reinhold Feßler ist empört. Der 85-Jährige hat einen Brief bekommen. Darin ist von einem Gewinn in der Höhe von 951,72 Euro, den der Absender ihm übergeben möchte, die Rede. Es ist dieser Brief, der den 85-Jährigen auf die Palme bringt. Von alten Leuten, die abgezockt werden spricht er. Denn Feßler hat recherchiert: Der Absender, der angebliche Finanzdienstleister Konrad Herzog und Partner, ist für „Kaffeefahrten“ bekannt. Die Verbraucherzentrale warnt vor der nebulösen Gewinnmitteilung.
Der Brief wirkt auf den ersten Blick seriös. Er ist mit Vorgangsnummer und Aktenzeichen versehen. Man wolle Reinhold Feßler daran erinnern, dass ihm ein angeblich „versprochener Gewinn“ nicht ausgezahlt wurde, heißt es in dem Schreiben. Konrad Herzog und Partner habe „für Ihr Recht gekämpft“ und wolle mitteilen, „dass Ihnen, Herr Fessler, dieser Betrag in vollem Umfang zusteht“.
Allerdings: Wenn man im Internet nach der Firma Konrad Herzog und Partner sucht, findet man keinen Firmenauftritt, sondern eine lange Liste an Warnungen vor dem Gewinnbrief. Auch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz warnt in einer Pressemitteilung Anfang Januar: „Unter dem Deckmantel der Seriosität lockt das Unternehmen offensichtlich zur Teilnahme an einer Verkaufsveranstaltung. Dort werden erfahrungsgemäß überteuerte Produkte verkauft.“
Und tatsächlich wartet das Schreiben mit den typischen Versprechungen unseriöser „Kaffeefahrtanbieter“ auf. Feßler könne die Gewinnsumme am Mittwoch, den 22. Februar, in einer „Zweigstelle in der Nähe von Leutkirch“ abholen. Dort gebe es „ein wunderschönes Rahmenprogramm mit einem kostenlosen Frühstück“. Busse stünden kostenlos für die Hin- und Rückfahrt bereit. Eine Antwortkarte an eine Postfachadresse in Norddeutschland liegt dem Schreiben bei. „Ich denke, dass wir, wenn wir antworten, gesagt bekommen, wo unser Zustieg in Leutkirch wäre“, sagt Feßlers Frau Sieglinde.
Bei der Leutkircher Polizei ist Konrad Herzog und Partner bislang unbekannt. Über weitere Schreiben an Leutkircher Bürger ist nichts bekannt. Solche Gewinnbriefe gebe man weiter zur Polizeidirektion in Ravensburg. Dort rät Bernd Stemmer, nicht auf solche Schreiben zu reagieren: „Ab in den Papierkorb“. Dem Polizeihauptkommissar ist die Vorgehensweise bekannt. In seinem Arbeitsbereich Gewerbe und Umwelt sammeln die Polizisten in dicken Ordnern „Gewinnankündigungen“ wie die der Feßlers. Wenn der Firmensitz bekannt ist, gibt Stemmer die Adresse an die zuständigen Polizeibeamten vor Ort weiter.
Im Vorfeld gegen Kaffeefahrten vorzugehen ist schwierig, denn: „Kaffefahrten anzubieten, ist nicht verboten“, sagt Stemmer, allerdings müssten die Verkaufsveranstaltungen – im Fachjargon heißen sie „Wanderlager“ – von der Gewerbebehörde genehmigt sein. Oftmals würden auf diesen Veranstaltungen medizinische Produkte verkauft, deren Wirksamkeit nicht bewiesen sei, versprochene Geschenkpakete gebe es oft gar nicht. Zudem würden die Veranstalter psychologisch Druck auf die Teilnehmer ausüben, damit diese kauften: „Sie machen den Leuten ein schlechtes Gewissen, sagen: Wir haben schon Bus und Organisation bezahlt“.
„Wir kontrollieren auch vor Ort zusammen mit den Gewerbebehörden“, sagt Stemmer. Dass es nicht nur auf Begeisterung trifft, wenn eine solche Kaufveranstaltung aufgelöst wird, weiß Stemmer aus eigener Erfahrung: „Manche Teilnehmer reagieren dann sauer.“
Lockangebote zu Kaffeefahrten richten sich gezielt an ältere Menschen. „Ältere Leute sind oft allein. Bei den Kaffeefahrten werden sie mit dem Bus wohin gefahren, sie bekommen Aufmerksamkeit“, sagt Stemmer und warnt vor Leichtgläubigkeit. „Der Verbraucher sollte sich klar machen, dass keine Geschenke verteilt werden. Hinter den Angeboten stecken wirtschaftliche Interessen“, sagt der Polizist.
Ein allgemein als mustergültig angesehenes Merkblatt zu unseriösen Kaffeefahrten bietet der Lahn-Dill-Kreis auf seiner Internetseite unter der Rubrik Wirtschaft an: www.lahn-dill-kreis.de