Gänsbühl

Odyssey findet würdigen Abschluss

Leutkirch / Lesedauer: 3 min

Außergewöhnliches Konzert des Ensembles Encasa beschließt die besondere Ausstellung
Veröffentlicht:11.10.2013, 16:17
Aktualisiert:24.10.2019, 20:00

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Acht Wochen lang haben die großen Holzfiguren des britischen Künstlers Robert Koenig auf dem Gänsbühl an Vertreibung und Vernichtung jüdischer Mitbürger erinnert. Zum Abschluss gab es im fast voll besetzten Schwörsaal im Rathaus ein außergewöhnliches Konzert mit dem Ensemble Encasa. Hubert Moosmayer vom Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ zog ein positives Fazit: „Es hat sich in Leutkirch etwas bewegt“.

Ganz aus dem Stadtbild verschwinden werden die 41 Skulpturen nicht. Der Brite mit Wurzeln in Polen hat eine weitere Figur geschaffen, die bleibt und an Lieselotte „Lilo“ Gollowitsch erinnern soll. Die Tochter des Leutkircher Textilkaufmanns Gollowitsch wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Sie war 16 Jahre alt.

Claudia Bühler hatte die „Odyssey“, die „Wächter der Erinnerung“, in Leutkirch möglich gemacht, als erster Stadt in Deutschland. Andere Städte hatten die Ausstellung abgelehnt – mit Erinnern und Verarbeiten dunkler Seiten der Geschichte tun sich viele immer noch schwer. In Hubert Moosmayer fand Bühler einen tatkräftigen Mitstreiter.

Die Skulpturenausstellung habe zu einem Aufbruch geführt, „es hat sich etwas bewegt, im Inneren etwas verändert“, so Moosmayer. Auch überregionale Medien hätten berichtet, „dies wurde im ganzen Land wahrgenommen“. Die Figur, die Lilo Gollowitsch symbolisiert, wird am Volkstrauertag an das Hans-Multscher-Gymnasium übergeben und soll dann jeweils ein Jahr in einer der Leutkircher Schulen zu sehen sein. „Wir wollen den Schülern nicht Scham und Schande einreden. Aber wir wissen, dass das Heute aus dem Gestern entstanden ist. Und auch das Morgen wird aus der Vergangenheit entstehen“, so Moosmayer.

Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle berichtete von vielen Begegnungen Koenigs mit Leutkirchern. „Wir freuen uns sehr, dass er hier in der Stadt war. Seine Kunst kann die Menschen auf einer tieferen Ebene erreichen als viele Reden.“ Robert Koenig konnte die Dankesworte allerdings nicht persönlich entgegennehmen, er ist seit vierzehn Tagen wieder in London.

Den musikalischen Teil des Odyssey-Abschlusses bestritten Encasa. Das ist ein Ensemble aus Lehrkräften der Jugendmusikschule Allgäu, Ann-Christine Rose Choi (Oboe), Andrea Osti (Fagott), Lenard Ellwanger (Klarinette) und Richard Nolte (Querflöte). Sie hatten ein außergewöhnliches Programm vorbereitet: Komponisten, deren Werke in Deutschland verboten waren, sei es wegen „mangelnder Vaterlandstreue“ wie bei Julius Röntgen oder als „entartet“ verfemt wie Erwin Schulhoff. Röntgens Trio op. 86 ist nicht ganz unsperrig, mit Einflüssen der Spätromantik, neutönerischen repetitiven Strukturen, einem tänzerischen Schlusssatz. Zugänglicher klingt das Divertissement von Schulhoff, einem Prager Musiker, der 1942 im Internierungslager umkam. Hier mischen sich schräge, fast jazzige Töne mit munteren Einfällen zu einer eigenen, hörenswerten Tonsprache. Als Kontrast boten die vier Musiker etwas Mozart und dessen Zeitgenossen Ignaz Pleyel. Vor allem das Adagio und Allegro f-Moll Mozarts erklang ungewohnt, frisch in dieser Orchestrierung für Holzblasinstrumente. Zum Abschluss gab es eine Serenade von Eugene Bozza, der halsbrecherische Werke geschrieben hat, dabei aber immer musikantisch und melodieorientiert war, wie Lennard Ellwanger anmerkte. Viel Beifall gab es für eine hervorragende Ensemble-Leistung – und für ein selten zu hörendes Programm.