Eltern in Not
Dutzende Kinder bekommen in Leutkirch keinen Kiga–Platz
Leutkirch / Lesedauer: 5 min

Patrick Müller
70 Kinder ab drei Jahren in der Kernstadt und acht in den Ortschaften werden bei der Kindergartenplatz-Vergabe wohl leer ausgehen. Das ist zumindest der aktuelle Stand, den Simone Brunold von der Leutkircher Stadtverwaltung in der Gemeinderatssitzung am Montagabend vorgestellt hat. In der Sitzung waren auch Vertreter von Kindergartenträgern, die unter anderem einen runden Tisch angeregt und von einer sehr angespannten Personallage berichtet haben.
Während es bei den acht Kindern auf dem Land eventuell zumindest noch einen Platz im Nachbarort gebe, so Brunold, sieht das bei den derzeit rund 70 betroffenen Kindern der Kernstadt anders aus. Der Bedarf dort könne aktuell definitiv nicht gedeckt werden. Eine Situation, die derzeit viele Kommunen im Land betreffe, wie Brunold und Oberbürgermeister Hans–Jörg Henle betonen.
Positive Tendenz in Ortschaften
Auf dem Land dagegen sehen es dank mehrerer Maßnahmen in der letzten Zeit besser aus, so Brunold. Mit dem neuen Naturkindergarten in Gebrazhofen, der neuen Gruppe in Diepoldshofen und dem neuen viergruppigen Kindergarten in Tannhöfe (ab September), wo es bisher zwei Gruppen gibt, wurden insgesamt 62 neue Betreuungsplätze geschaffen.
In der Stadt sei aber keine Erweiterung in den bestehenden Kindergärten möglich, so Brunold. Dazu komme, dass die Geburtenzahlen in der Kernstadt steigen. „Die städtebauliche Entwicklung hat zur Folge, dass vermehrt Familien zuziehen. Die nicht vorhersehbare Flüchtlingsbewegung erhöht die Zahl an Kindern, die eine Betreuung benötigen, ebenfalls sehr deutlich“, heißt es in der Sitzungsvorlage.
Anpassungen in Landkindergärten
Bisher wurden Eltern aus den Ortschaften, die andere Betreuungszeiten brauchen als in den jeweiligen Landkindergärten angeboten werden, auf die Kernstadt verwiesen, wo die es sehr vielfältige Öffnungszeiten gebe. „Aufgrund der nicht mehr vorhandenen Kapazitäten in der Kernstadt versuchen wir dort, wo es machbar ist, den Bedarf der Eltern direkt am Landkindergarten anzupassen“, so Brunold.
In den beiden Ganztageskindergärten in der Kernstadt, Piepmatz und St. Vincenz, soll eine maximale Betreuungszeit von 40 Stunden pro Woche angeboten werden. Derzeit liegt diese, zumindest in der Theorie, höher. In beiden Einrichtungen sei durch den dauerhaft anhaltenden Personalmangel das vorhandene Personal am Anschlag der Kräfte.
Es muss gebaut werden
Mit Blick auf die möglichen Maßnahmen, um diese Situation zu verbessern, sagt Brunold ganz klar:
In der Kernstadt muss gebaut werden.
Damit nicht nur die Kinder, die heute schon auf einer Warteliste geführt werden, sondern bestenfalls weitere freie Plätze für Zuzugsfamilien generiert werden, sollte der neue Kindergarten mindestens fünf Gruppen vorhalten. Im Beschluss ist sogar von möglichst sechs Gruppen die Rede.
Einen konkreten Zeitplan für diesen neuen Kindergarten, der im Ströhlerweg entstehen soll, gibt es aber noch nicht. Auf die entsprechende Nachfrage von CDU–Stadtrat Waldemar Westermayer erklärte Henle, dass man sich „zeitnah“ an die Planung machen werde. In der Sitzung am 3. April soll voraussichtlich der Haushaltsplan für das Jahr 2023 in den Gemeinderat eingebracht werden.
So läuft die Auswahl
SPD–Stadtrat Götz Neugebauer fragte angesichts der hohen Zahl an Kindern, die in der Kernstadt keinen Platz bekommen werden, wie denn die Plätze vergeben werden. Brunold erklärte, dass das Verfahren nach wie vor anhand von 2014 im Gemeinderat beschlossenen Kriterien verlaufe. Nach der Anmeldewoche kommen demnach alle Kinder in einen Topf, Vorrang hätten dann ältere Kinder sowie solche, die im Vorjahr nur einen Platz auf der Warteliste bekamen. Merkmale, wie etwa ein Migrationshintergrund, spielten keine Rolle.
Marianne Weiß von der katholischen Kirche sowie Jörg Kuon und Wolfgang Stockburger vom DRK stellten aus Trägersicht die aktuell angespannte Personalsituation in den Kindergärten vor. „Notgruppen sind keine Seltenheit mehr, sondern fast normal geworden“, stellte Weiß klar.
Moderne Räumlichkeiten attraktiv
Positiv dagegen sei, dass im neuen Kindergarten Adrazhofen für die zwei zusätzlichen Gruppen alle Stellen besetzt werden konnten. Das zeige, sagte Weiß, dass auch moderne Räumlichkeiten durchaus dafür sorgen, dass Stellen attraktiver werden.
Wie Weiß verwiesen auch die beiden DRK–Vertreter darauf, dass diese angespannte Personalsituation für die Mitarbeiter natürlich sehr belastend sei. Bei ihnen, so Kuon, zeige sich das auch dadurch, dass der Krankenstand derzeit außergewöhnlich hoch sei.
Mögliche Gegenmaßnahmen
Als mögliche Gegenmaßnahmen schlug Weiß vor, die Gruppengröße zu reduzieren, um die Arbeitsplätze attraktiver zu machen. Dazu gehörten auch moderne Räumlichkeiten. Stockburger betonte dazu noch, wie wichtig es sei, die Geschwister–Scholl–Schule als Schulstandort für Erzieherinnen zu stärken. Positiv sei beim Blick auf die Ausbildung, dass die Stadt Leutkirch derzeit die Kosten für die sogenannte Pia–Auszubildenden übernimmt.
Grundsätzlich braucht es seiner Meinung nach „kreative lokale Lösungen“. Stockburger nennt als Idee ein zentrales, multiprofessionelles Team, zu dem etwa Heilpädagogen sowie Inklusions- und Integrationskräfte gehören, auf das die Einrichtungen beziehungsweise Träger zugreifen können, um das Personal zu entlasten.
Runder Tisch
Ein weiterer Schritt seien in runder Tisch, unter anderem mit Arbeitgebern, Kommunen und Trägern, bei dem abgeklärt wird, wie der Bedarf aussieht und was man auch tatsächlich abdecken kann. Daraus könnten dann kürzere, aber verlässlichere Angebotszeiten entstehen, so Stockburger.
Den Vorschlag eines runden Tisches greife man gerne auf, entgegnete Henle. Ebenso die Stärkung der Geschwister–Scholl–Schule. „Ein generelles Problem bei diesem Thema ist, dass die Politik die Kommunen oft im Regen stehen lässt“, so Henle. Die Politik stellt einen Rechtsanspruch her, die Kommunen müssen ihn umsetzen. Henle wies auch daraufhin, dass alles, was man jetzt mache, sich erst mittelfristig auswirken werde.
Die Lage wird demnach angespannt bleiben. Zumindest bis ein neuer Kindergarten in der Kernstadt gebaut worden und für diesen dann auch genügend Personal gefunden worden ist.