StartseiteRegionalRegion AllgäuLeutkirchDie schönsten Schnappschüsse aus dem Allgäu - mit Bildergalerie

Liebevolle Heimat-Fotografie

Die schönsten Schnappschüsse aus dem Allgäu - mit Bildergalerie

Leutkirch / Lesedauer: 5 min

Auf mehr als 500 Fotos hält der Fotograf Roland Rasemann für die Ewigkeit fest, warum die Allgäuer Berglandschaft so sehenswert ist. 
Veröffentlicht:21.11.2023, 09:00

Von:
  • Katja Waizenegger
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Aus der Vogelperspektive ist die Adelegg nicht zu übersehen: Dunkler Wald hebt sich von den weichen Hügeln des Westallgäus ab. Manfred Thierer hat zusammen mit renommierten Autoren und Autorinnen wie Franz Renner, Rolf Waldvogel, Sabine Centner und Stefanie Böck diesem einzigartigen Landstrich ein Denkmal gesetzt.

„Adelegg. Eigenwilliges Bergland zwischen Leutkirch, Isny und Kempten ‐ Geschichte und Geschichten“ heißt das Buch. Der Fotograf Roland Rasemann ist mit seiner Kamera viele Jahre durch die Adelegg und ihre Umgebung gestreift. Seine Fotos in der bei ihm gewohnten brillanten Qualität beweisen wieder einmal sein Gespür für das Typische von Landschaft und Leuten ‐ ein Blickfang über 350 Seiten hinweg.

Lage und Name

Wo liegt die Adelegg? Und warum heißt sie so? Manfred Thierer, emeritierter Professor am Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Weingarten und passionierter Heimatforscher, lässt einen Anwohner des Eschachtals antworten: „Isny isch denad, Friesenhofen isch dusse, Leutkirch isch dunda, uff Kempte ganget mir nei.“ Eine passgenaue Ortsangabe. Bezüglich des Namens zitiert Thierer den bekannten Flurnamen-Forscher Thaddäus Steiner. Der bezeichnet die Adelegg als das „dem Adel gehörige Egg“.

Manfred Thierer und Franz Renner, ehemaliger stellvertretender Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried, schreiben über die Besonderheiten, die sich die Natur für diese Region am Alpenrand ausgedacht hat. Da sind die Quarzgerölle in den Bächen und Tobeln mit der Eschach als wichtigsten Fluss. Franz Renner führt ein in die außergewöhnliche Flora und Fauna. Die Adelegg hatte es ihm besonders angetan, war er doch Miteigentümer von Haus Tanne in Eisenbach. Die endgültige Herausgabe dieses Buches hat er nicht mehr erlebt. Zu Beginn dieses Jahres ist er unerwartet verstorben.

Ein Schneeloch

Die Adelegg hat es ihren Bewohnern nie leicht gemacht: Das Klima war und ist rau. Auch wenn die Winter inzwischen milder sind ‐ das Eschachtal gilt immer noch als Schneeloch. Da wundert es nicht, wenn erst im 17. Jahrhundert dieses größte zusammenhängende Waldgebiet im bayerisch-schwäbischen Alpenvorland nutzbar gemacht wurde. Nach dem 30-jährigen Krieg begann die Rodung. Die Städte Ulm und Memmingen stillten hier ihren Holzbedarf. Erfahrene Glasmacher aus dem Schwarzwald wurden angeworben.

Ausreichend Holz und Quarz machten die Glasmacherei bis zu ihrem Niedergang Ende des 19. Jahrhunderts zu einem einträglichen Geschäft. Manfred Thierer hat nach 1990 mit der Heimatpflege Leutkirch das fast verfallene Glasmacherdorf Schmidsfelden aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Heute ist es ein gern besuchter Ort für Einheimische und Touristen.

Ein Hightech-Arbeitsplatz

Thierer geht mit der ihm eigenen Detailkenntnis auf die Ortschaften rund um die Adelegg ein, spiegelt unter anderem ihre Glaubenswelt. Aber er bleibt nicht in der Vergangenheit hängen. Er schaut bei den wenigen Bauern vorbei, die noch eine Landwirtschaft betreiben. Oder stattet dem Diplom-Physiker einen Besuch ab, der den Hof seiner Vorfahren im Kreuzthal zu einem Hightech-Arbeitsplatz umgestaltet hat. Idealisten und Tüftler, Handwerker und Künstler, Einheimische und Reing’schmeckte ‐ für sie alle ist die Adelegg ihre Heimat, deren Besonderheit es zu erhalten gilt.

Einer von ihnen ist auch Wolf-Dieter Storl, den viele den „Allgäu-Schamanen“ nennen. Sabine Centner, langjährige Redakteurin der „Schwäbischen Zeitung“, zeichnet ein differenziertes, berührendes Bild des promovierten Naturwissenschaftlers. „Die Natur ist beseelt und durchgeistert“, so Storl.

Inspiration für Hechelmann

Es ist ein Satz, dem der berühmteste Künstler der Region, Friedrich Hechelmann, wahrscheinlich zustimmen würde. Rolf Waldvogel, langjähriger Leiter der Kulturredaktion der „Schwäbischen Zeitung“, stellt das Ausnahmetalent Hechelmann vor, der auch als Filmemacher und seit Neuem als Autor tätig ist. Für Hechelmann, 1948 in Isny geboren, boten die Adelegg-Wanderungen seiner Kindheit erste Inspirationen für sein späteres Schaffen. Tiere, Pflanzen, Bäume, überirdisch entrückt, sind sein Erkennungszeichen.

Auch als Buchautor hat sich der Künstler Friedrich Hechelmann mittlerweile einen Namen gemacht (Foto: Roland Rasemann)

Einen „bewunderungswürdigen Renovierungsmarathon“, wie Waldvogel es nennt, legt Hechelmann seit nunmehr 20 Jahren im Isnyer Schloss hin, das er in Teilen erworben hat. Er erspürt den Geist des Gebäudes und gestaltet das ehemalige Kloster mit seiner überbordenden Fantasie zum Gesamtkunstwerk, in dem ein Hort für Kunsthalle, Städtischer Galerie und Museum Isny entsteht. Auch in Hechelmanns Wohnräume und sein Atelier erhält die Leserschaft einen selten gewährten Einblick.

Postbotin und Autoliebhaber

Profaner, aber wahrscheinlich nicht weniger beseelt, war das Verhältnis der Post-Resl zu ihrer Heimat. Sabine Centner erzählt, wie Theresia Eisele 40 Jahre lang zu Fuß die Post ausgetragen und dabei vier Mal die Erde umrundet hat. In Zahlen ausgedrückt: 16 Kilometer und 400 Höhenmeter täglich.

Für Oldtimer-Liebhaber stellt die Autorin zudem Fahrzeuge wie einen Rolls Royce, einen 7-er BMW oder gar einen Lagoda der 1930er-Jahre mitsamt Besitzer vor. Die Herzen aller Zwei- und Vierrad-Schrauber dürften beim Anblick dieser Schmuckstücke höherschlagen.

Früher war es eine Strafe

Manfred Thierer und die freie Autorin Stefanie Böck gehen schließlich auf den stetig wachsenden Freizeitwert der Adelegg ein. Dabei wird Böck erfrischend persönlich: So schienen ihr die Wanderungen auf den Schwarzen Grat in ihrer Jugend eher Strafe zu sein als Vergnügen. Heute sieht sie es anders, marschiert unentwegt mit und ohne Kinder durch die Wälder.

All diese Schilderungen beweisen: Die Facetten der Adelegg sind noch längst nicht alle bekannt. Das Buch ist Ansporn, den Reiz dieser einzigartigen Landschaft zu entdecken.

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Adelegg. Eigenwilliges Bergland zwischen Leutkirch, Isny und Kempten – Geschichte und Geschichten. zepp.text.verlag 2023, 356 Seiten mit 506 Fotos, 39,80 Euro.