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Nadelöhr

Diese Schranke bremst regelmäßig Rettungskräfte mitten im Einsatz aus

Kißlegg / Lesedauer: 7 min

Wie oft und lange geht die Schranke in der Schloßstraße runter? Dazu gibt es jetzt bemerkenswerte Zahlen, die der Landtagsabgeordnete Raimund Haser „Inakzeptabel‟ nennt.
Veröffentlicht:09.05.2023, 07:00

Von:
  • Paulina Stumm
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In die Abstimmung und Koordinierung der verschiedenen Bauprojekte am Kißlegger Bahnhof kommt offenbar Bewegung. Neben dem Bau zweier neuer Gleise geht es auch um die Beseitigung des Bahnübergangs in der Schloßstraße (L265).

Dass alle Projekte zusammen gedacht werden müssen, wurde in der Vergangenheit angemahnt. Dass insbesondere der Bahnübergang seine Belastungsgrenze erreicht hat, belegen nun auch Zahlen des Verkehrsministeriums zu Zugfrequenzen und Schließzeiten.

Zahl der Züge hat sich deutlich erhöht

Zu viel Verkehr auf der vorhanden Schieneninfrastruktur. Das ist das Kernproblem, das sich mit der Elektrifizierung der Allgäubahn zuspitzte. Seither fahren mehr Züge auf der Strecke. Während in einer Woche im Frühjahr 2017 im Schnitt noch 79 Züge täglich über den bahnhofsnahen Bahnübergang in der Schloßstraße fuhren, waren es im Herbst vergangenen Jahres 112.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es bei zirka 40 Rettungseinsätzen im Monat zu Wartezeiten am Bahnübergang kommt.

Diese Zugfrequenz hat die Deutsche Bahn ermittelt, wie das Verkehrsministerium auf eine Kleine Anfrage des hiesigen Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) antwortete. Vermehrte Beschwerden über knappe Umsteigezeiten und rennende Passagiere am Kißlegger Bahnhof sowie generell Verspätungen auf der Allgäubahn folgten als Konsequenz.

Ende vergangenen Jahres zog das Verkehrsministerium die Notbremse und strich Züge im hiesigen Nahverkehr, damit die übrigen Züge auf der überlasteten Strecke pünktlicher werden.

Schranke schließt 82 Mal am Tag

Auch die Schließzeiten der Schranken des Bahnübergangs wurden vom Ärgernis zum faktischen Problem. Was das konkret bedeutet, zeigen Zahlen, die das Verkehrsministerium ebenfalls auf die Kleine Anfrage Hasers Anfang Februar vorlegte und sich dabei auf eine zweitägige Verkehrszählung beruft.

Der Bahnübergang in Kißlegg muss umgebaut werden. (Foto: Roland Rasemann)

Diese ergab, dass über den Bahnübergang zwischen 6 und 22 Uhr 90 beziehungsweise 92 Züge fuhren und sich daraus 80 beziehungsweise 81 Mal die Schranke schloss. Die Schranke blieb dabei zwischen etwas über einer Minute und guten sechs Minuten unten.

Das wirkt sich vor allem in der Hauptverkehrszeit auf den Verkehr auf der L265 aus. Was vor Ort längst Erfahrungswissen ist, bestätigt nun auch das Ministerium: Während der langen Schrankensperrzeiten hätte es in beide Fahrtrichtungen Rückstaus von rund 100 Metern gegeben.

Beim Rettungsdienst fehlen verlässliche Zahlen

Wissen wollte Raimund Haser auch, wie es um Rettungsfahrzeuge steht, die von der Schranke ausgebremst werden. Auf gesicherte Zahlen kann das Ministerium dabei nicht zurückgreifen, kommt aber zu folgender Einschätzung: „Es kann davon ausgegangen werden, dass es bei zirka 40 Rettungseinsätzen im Monat zu Wartezeiten am Bahnübergang kommt.“

Dem Ministerium liegen indes keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Hilfsfristen im Raum Kißlegg regelmäßig nicht eingehalten werden konnten. „Es weiß es also nicht“, glaubt Haser und findet: „Die Stand– und Schließzeiten sind inakzeptabel.“

Das sieht man auch in Kißlegg so. Die Gemeinde drängt seit geraumer Zeit und zuletzt auch mit einer Postkarten– und Plakataktion darauf, dass der Bahnübergang endlich durch eine Straßenunterführung und Eisenbahnbrücke ersetzt wird. Das Verkehrsministerium spricht mittlerweile davon, dass das Projekt mit hoher Priorität vorangetrieben werde.

Die Planung obliegt dabei dem Regierungspräsidium (RP) in Tübingen. Das Projekt steckt mittlerweile in der Entwurfsplanung — diese soll laut RP im kommenden Jahr fertig werden. Danach werden die Planfeststellungsunterlagen erstellt. Einen angestrebten Baubeginn ab 2028 bestätigt das RP auf Nachfrage nicht.

L265 wird tiefer gelegt und eine Zugbrücke gebaut

Das Projekt „Beseitigung des Bahnübergans“ umfasst dabei zum einen eine Straßenunterführung der L265 in einer Grundwasserwanne unter der DB–Strecke München — Lindau hindurch sowie den Bau einer Eisenbahnbrücke. Dazu kommen ein dreiarmiger Kreisverkehr südlich der Bahnlinie (Schloßstraße/Bahnhofstraße) und ein vierarmiger Kreisverkehr nördlich der Bahnlinie (Rötenbacher Straße/Immenrieder Straße/Stolzenseeweg). Zudem wird der Verkehrsraum für Fußgänger und Radfahrer hergestellt.

Eine Bahnunterführung muss doch am Ende so sein, dass Elektrifizierung und zusätzliche Gleise im Bahnhof Kißlegg gleich mitgedacht werden.

Raimund Haser, CDU

Während der Bauzeit wird der Verkehr über den Stolzenseeweg, einen Interims–Bahnübergang und die Max–Eyth–Straße umgeleitet, schreibt das RP auf seiner Homepage zum Projekt. Wo Radfahrer und Fußgänger während der Bauzeit entlang gehen und fahren sollen, wird laut einer RP–Sprecherin derzeit untersucht. Mit Ergebnissen sei voraussichtlich noch im Mai 2023 zu rechnen. Parallel dazu würden derzeit auch die Leistungsbeschreibungen für erforderlichen Fachgutachten wie Luftschadstoffe und Straßenverkehrslärm erstellt.

Neue Gleise im Bahnhof geplant

Zwischenzeitlich wurde indes bekannt, dass auch bahnseits verschiedene Bauprojekte im Bahnhof selbst anstehen. Nördlich der Gleise soll im Zuge des großen Infrastrukturprojekts „Deutschlandtakt“ ein zusätzliches, 740 Metern langes Gleis für Güterzüge entstehen. Das Abstellgleis wird verlegt. Zudem wird eine signaltechnische Einbindung in das bestehende Elektronische Stellwerk (ESTW) gemacht und die Oberleitung angepasst.

Für Personenzüge soll zudem im westlichen Bereich des Mittelbahnsteigs von Gleis2/3 ein zusätzliches Stumpfgleis (Gleis 13) gebaut werden. Zudem werden die bestehenden Bahnsteige erhöht und im westlichen Bahnhofskopf Weichen erneuert.

Und dann ist da ja auch noch der Wunsch, die Bahnstrecke Kißlegg–Aulendorf zu elektrifizieren, auch, um einen Ringzugverkehr zwischen Leutkirch, Ravensburg und Friedrichshafen einrichten zu können.

Bedenken zur Vereinbarkeit der verschiedenen Projekte

Ob der Vielzahl an Projekten kamen in jüngerer Vergangenheit Fragen zur Vereinbarkeit und zeitlichen Abstimmung der Projekte auf. Bedenken gab es etwa dazu, ob sich der Zeitplan für das landläufig als Bahnunterführung bezeichnete Projekt zur Beseitigung des Bahnübergangs halten lässt. Auch Haser sagt: „Eine Bahnunterführung muss doch am Ende so sein, dass Elektrifizierung und zusätzliche Gleise im Bahnhof Kißlegg gleich mitgedacht werden.“

Während von den verschiedenen Projektbeteiligten zuletzt lediglich der wenig sagende Satz zu hören war, es seien keine Gründe bekannt, weshalb es Komplikationen geben sollte, scheint nun Bewegung in die Zusammenarbeit und Projektabstimmung zu kommen. So koordiniert die DB Netz AG mittlerweile alle bahnseitigen Projekte. Und im Bauportal der DB, wo der Ausbau für den Deutschlandtakt im Bereich München–Lindau–Grenze D/A mittlerweile beschrieben ist, sind neben dem eigentlichen 740–Meter–Gleis auch die weiteren Gleisbaupläne und sogar die Beseitigung des Bahnübergangs in der Schloßstraße genannt.

Verzahnung der Projekt rückt in den Fokus der Beteiligten

Zudem hat es in den letzten Wochen „Abstimmungsgespräche zwischen den Projektbeteiligten zur Verzahnung aller Projekte im Bahnhof Kißlegg“ gegeben, wie eine RP–Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Ziel sei es, „die Projekte inhaltlich und zeitlich so aufeinander abzustimmen, dass alle Maßnahmen reibungslos umgesetzt werden können“.

So richtig beruhigen Raimund Haser diese Zeichen indes nicht. Der Landtagsabgeordnete hatte im Februar vorgeschlagen, Verkehrsminister Winfried Hermann persönlich nach Kißlegg einzuladen. Die Idee stieß im dortigen Rathaus angeblich auf offene Ohren. Haser hofft, dass ein Besuch zustande — und der Minister nicht mit leeren Händen kommt.

Haser wünscht sich DB Netz AG als Projektsteuerer

Was er mitbringen sollte, da hat der Abgeordnete auch schon eine Vorstellung: „Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre es, dass die DB Netz AG das Gesamtprojekt steuert und baut“, sagt er mit Blick auf die Bahnunterführung, „sodass Abstimmungsprobleme gar nicht erst entstehen“. Er könne sich auch vorstellen, dass das „eine beschleunigende Wirkung hat“.

Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher, der in der Vergangenheit immer betont hatte, ohne die Beseitigung des beschrankten Bahnübergangs dürfe es auch keinen Gleis– und damit weiteren Zugverkehrsausbau geben, wertet die aktuellen Abstimmungsgespräche als gutes Zeichen: „Meiner Meinung nach läuft das alles in die richtige Richtung“, sagt er. Auch wenn noch keine konkreten Pläne vorlägen, sehe er, dass daran gearbeitet werde. Auch er will den Fortgang des Projekts indes nicht aus den Augen lassen.