Kultur in Isny
Beim Isnyer Opernfestival kommt alles anders als gedacht
Isny / Lesedauer: 4 min

Babette Caesar
Von Zeit zu Zeit tut es gut, wenn das Schicksal eingreift und das Blatt wendet. In dem Fall zum Guten. Denn hätte nicht zur Pause der Regen eingesetzt, wäre dem Publikum das Beste an darstellerischen Leistungen entgangen.
Gemeint ist die Premiere des Revuestücks „Zwei Krawatten“ im Rahmen des 35. Isny Opernfestivals am Donnerstagabend im Innenhof des Isnyer Schlosses.

Zu Musik und Texten von Mischa Spoliansky (1898 bis 1985) und Georg Kaiser (1878 bis 1945) aus den späten 1920er–Jahren in Berlin bewies Hans–Christian Hausers Ensemble eine enorme Wandlungsfähigkeit, als es hieß, von draußen nach drinnen umzuziehen.
Reduziertes Bühnenbild
Alles begann wie schon in den Jahren zuvor. Ein stark reduziertes Bühnenbild bestehend aus einem Holzgerüst und einer Reihe von farbig gestalteten Paneelen, die die jeweils wechselnden Stationen der gut zweistündigen Inszenierung simulieren sollten.
Über 100 Besucher hatten sich eingefunden. Leicht seitlich Hausers Festivalorchester, das auch an diesem Abend Spolianskys der Zeit der 1920er–Jahre entstammenden Musiknummern souverän aufführte.
In der damaligen Uraufführung im Theater Berlin spielten keine geringeren als Hans Albers und Marlene Dietrich die Hauptrollen — die von Kellner Jean und seiner großen Liebe Trude.
Eine Zeitungsmeldung und ein Berliner Krawattenverkäufer waren es, die den einst erfolgreichen Dramatiker Kaiser auf den Stoff seiner Revue gebracht haben.
Fliegen statt Krawatten
Im Stück selbst sind es allerdings gar keine Krawatten, sondern Fliegen, die gleich im ersten Bild getauscht werden. Jeans (Ruben Monteiro Pedro) schwarzer Propeller gegen den weißen eines Gentlemans (Josef Steigenberger) auf einem vornehmen Ball. Dazu gleich noch dessen Eintrittskarte und 1000 Mark.
Ein Tombola–Los beschert dem Glücklichen eine Überfahrt auf einem Luxusdampfer nach Amerika. Er drückt Trude (Anjulie Hartrampf) das Geld in die Hand und entschwebt mit der schwerreichen Mable (Thalia Hellfritsch) in sein neues Leben.

Was verleiht der Inszenierung bis zur Pause ihren Charme? Weniger das Bühnenbild, auch im Wissen darum, dass Hauser es gerne reduziert mag. Sicher, die beweglichen Bilder kommen dem Genre einer Revue entgegen, nur klemmt es am Spielfluss. Den stören vor allem die vorab aufgenommenen und eingeblendeten Sprechtexte einzelner Darsteller.
Sie bewirken ein teils marionettenartiges Auftreten, ist es doch gar nicht so leicht, die eigene Mimik dem vorgegebenen Text in Sekundenschnelle anzupassen. Damit ist viel an echter Lebendigkeit vergeben. So treibt das Geschehen mit durchaus schönen Gesangs– und Tanzpartien und den wunderbar kreierten, stilecht wirkenden Kostümen (Elsa Kodeda, Daniela Codre) dahin.
Spontaner Umbau
Bis zur Schiffsszene und den Auftritten von Serguei Leonardo Afonin als Schwyzerdütsch parlierender Advokat und Martin Höhler als affektierter Rechtsanwalt Bannermann. Sie reißen das Ruder herum — gerade auch durch die aberwitzigen Dialoge und ihre Direktheit.
Dass die Weite und Offenheit des Innenhofs einer solchen eher für eine intimere Lokalität geeignete Revue nicht gerade entgegenkommt, das bewies schließlich der notgedrungene Umzug in das Refektorium.
Wartete man noch die Pause über, dass der Regen nachlässt, fiel die Entscheidung dann aber doch für drinnen. Allein der spontane Umbau von Orchester, Darstellenden und Technik (Tezer Leblebici, Martin Fürgut) war eine kleine Meisterleistung, während sich das Publikum dicht gedrängt im Saal einrichtete.
Schon jetzt herrschte eine vollkommen losgelöste Stimmung zwischen allen, die sich selten so nahe kommen.
So ging’s im Trockenen weiter
Weiter ging es hier im Trockenen mit der Ankunft in Amerika und mit Mrs. Robinson. Deren Exaltiertheit mimte Mezzosopran Ramona Bolojan in hinreißenden Partien, was Gesang und Dialekt angehen, wenn sie sich im Klinsch mit dem gehassten Senator Meckarton befindet, den wiederum Tenor Afonin gab.
Was sich hier an turbulenter Spiellust und nunmehr freier Improvisation auf einer wahrlich reduzierten Bühne gänzlich ohne Kulissen zwischen Orchester und abgestelltem Flügel entspann, hätte sich vermutlich auch der künstlerische Leiter Hauser nicht vorstellen können.
Ihm und seinem guten Nervenkostüm, alles noch zusammenzuhalten, verdankt diese extraordinäre Premiere viel. Unter anderem amerikanische Modetänze von Laura Amador, Svenja Boschmann und Irina Martel (Einstudierung Sissy Engl) und an die Comedian Harmonists erinnernde Herren–Sextette.
Stimmliche Präsenz von Jean, Trude und Mable, die es schafften, sich in dem nunmehr vergleichsweise kleinen Raum gegen ein Kammerorchester durchzusetzen. Wäre da noch Tenor Martin Höhler. Er gewinnt von Jahr zu Jahr mehr an Format, um in der Schlussszene die Pointe vom großen Los und einem „Alles ist Geschäft“ so recht auszukosten. Denn wer von den beiden Millionen–Dollar–Mädchen Mable oder Trude bekommt ihn nun — den Kellner Jean.