Georg und Christian Hodrus reparieren gerade auf ihrem Hofgelände in Sommersbach, in der Nähe des Jägerhofs, einen älteren Ladewagen. Nach der Reparatur mit schwerem Werkzeug wird der Wagen gereinigt, bewegliche Teile eingeölt und dann wieder, gut geschützt, unters Dach geparkt. Der Wagen müsse in Frühjahr wieder fit sein. An Neuanschaffungen sei beim gegenwärtigen Milchpreis nicht zu denken. „Wir kommen gerade so über die Runden mit unseren Familien“, sagen die beiden Bauern. Im Mai und Juni hätte es so viel geregnet wie in anderen Jahren in zwölf Monaten. Das hat Vater und Sohn Hodrus ein schwieriges Erntejahr beschert.
Die Futtermenge sei vergleichsweise durchschnittlich gewesen, nicht jedoch die Qualität. Um dies zu begründen, muss der junge Landwirtschaftsmeister Christian Hodrus den komplizierten Verdauungsvorgang des Wiederkäuers Kuh erklären – ein wahres Wunder der Evolution. Gebiss, Panzen, Blättermagen, Netzmagen, Labmagen, Darm. „Durch das Wiederkäuen ist die Kuh in der Lage, Gras und andere rohfaserreiche Pflanzen zu verdauen. Wir müssen drauf achten, dass das Mischungsverhältnis von energiereichem jungen Futter, Heu und Rohfaseranteil und auch ein wenig Kraftfutter, gut ausbalanciert ist. Dann stimmt die Milchmenge und -qualität und die Kuh bleibt gesund.“
Wenn nun wie 2016 die Wiesen wegen ewiger Nässe erst Wochen später geerntet werden konnten, ist das Futter verholzt, strohig, energiearm, hat also viel zu viel Rohfaser, aber wenig Energie und Eiweiß. Die Milchmenge würde rapide abnehmen. „Wir müssen also mischen, ausbalancieren, ein anderes Silo mit energiereicherem Futter öffnen oder mehr Kraftfutter beimischen. Das bedeutet Mehrarbeit und höhere Kosten. Wir kommen sowieso schon gut und gerne auf eine 70-Stundenwoche und wenn man den Stundenlohn errechnet, arbeiten wir für fünf Euro“, überschlägt Sohn Christian.
Milchpreis und Tierwohl hängen untrennbar zusammen
Er erklärt auch das andere Extrem: Bekäme eine Kuh ausschließlich feinstrukturiertes, energiereiches Futter und zu viel Getreide, würde dies zu einer explosionsartigen Bakterienvermehrung und Säurebildung im Verdauungstrakt führen. Das Tier würde krank. Vater Georg fährt fort: „Es geht immer um die Absicht der Milchqualität und –menge und mindestens genauso wichtig, das Tierwohl. Mit einer kranken Kuh ginge es uns doch noch viel schlechter.“ Milchpreis und Tierwohl hängen für Hodrus untrennbar zusammen. „Wenn für den Bauern kein Einkommen mehr da ist, ist das von der Gesellschaft zu recht geforderte Tierwohl schlecht einzuhalten“, klagt der erfahrene Landwirt. Jeder Verbraucher hätte über den Milchpreis Einfluss darauf, wie gut sich der Bauer auch um das Tierwohl kümmern kann.
Heiner und Klaus Morgen – ebenfalls Vater und Sohn – in Aigeltshofen, sind 2016 vergleichsweise gut davongekommen. Mit ihren Silage-Ballenpressen konnten sie ihre Wiesen viel früher befahren als die andern Bauern mit ihren schweren Ladewagen. Sie konnten flexibel mal zwei trockene Tage ausnutzen. Die allzu rohfaserreichen Silageballen verkaufen sie an Pferdehalter, die mehr strohiges Futter für ihre Pferde benötigen. Im Hofgelände lagern 700 Silageballen und 400 Heuballen in der Scheune.
Willi Keybach in Rengers hat 2016 auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. „In der Konsequenz heißt das für uns: Auf Kunstdünger und auf Ampfer-Spritzmittel zu verzichten und während der Vegetationszeit das Vieh auf der Weide halten.“ Wegen dem ewigen Regen hätte der erste und zweite Schnitt viel zu viel Rohfaser. Der dritte, vierte und fünfte Schnitt sei o. k. gewesen, mal abgesehen von den Fahrspuren und der Bodenverdichtung in den viel zu nassen Wiesen.
Norbert King hat zusammen mit Ehefrau Simone beim Melken und Füttern ihrer rund 80 Milchkühe alle Hände voll zu tun. Nebenher erklären die beiden, dass sie hoffen, dass die Talsohle des viel zu niedrigen Milchpreises durchschritten ist. „Wir Bergbauern im Süden sind 2016 gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen.“
„Wir halten an alten Bräuchen fest“
Wie schwierig die Erntebedingungen 2016 für den einzelnen Bauern gewesen sei, das sei auch von den Bodenverhältnissen seiner Flächen abhängig gewesen. Kiesige Böden der Ratzenhofer Argenauen hätten sich dieses Jahr bewährt, sie seien früher abgetrocknet und befahrbar gewesen. Der leidenschaftliche Landwirt Norbert King erklärt verständlich, weshalb der eine Bauer anstrebt, fünf Schnitte im Jahr zu machen, der andere nur vier. Es seien verschiedene Faktoren. Jeder hätte halt sein System. Mit fünf Schnitten ernte man mehr Energie und Eiweiß im Futter, verbraucht jedoch mehr Energie-Kraftstoff in den Maschinen. Mit vier Schnitten sei es umgekehrt. Man ernte mehr Rohfaser, spare dafür Kraftstoff für die Traktoren.
In der Kling‘schen Milchkammer hängt ein Gedicht, das besonders für das vergangene Jahr steht: „Wir Bauern schaffen mit freudiger Hand – wir halten Sturm und Wetter stand. Wir arbeiten nicht acht Stunden nur, uns stellt der Herrgott die Arbeitsuhr. Wenn im Sommer der Hagel die Halme fällt, wird schweigend das Feld aufs Neue bestellt. Wir lieben die Heimat, das häusliche Nest, wir halten an alten Bräuchen fest…“