Entgegen dem Trend
Immer mehr Kirchenaustritte? Diese Gemeinde muss anbauen
Bad Wurzach / Lesedauer: 5 min

Steffen Lang
Immer weniger Menschen gehören den großen christlichen Kirchen an, auch in Bad Wurzach. Einen gegenläufigen Trend verzeichnet die kleine Freie Christengemeinde in der Riedstadt. So gut sind ihre Gottesdienste von Mitgliedern und Gästen besucht, dass sie nun sogar anbaut.
1994 wurde die FCG in Bad Wurzach gegründet. 2012 zog sie von den angemieteten Räumen in der Schulstraße (in denen heute das Türkische Kultur- und Bildungszentrum seinen Sitz hat) in das gekaufte Gebäude am Ziegelwiesenweg.
Viele Gäste
50 Personen fanden dort im Gottesdienstraum Platz. Doch schon seit längerem reichen die 70 Quadratmeter nicht mehr aus. „Die Gemeinde ist mittlerweile auf knapp 60 Menschen gewachsen. Zu unseren Gottesdiensten kommen außerdem immer mehr Gäste“, berichtet Lothar Dopfer, der gemeinsam mit Pastor David Grigoras und Karl Wessle zum Ältestenrat gehört, der die Gemeinde leitet. Unterstützt werden sie von Diakonen und Beisitzern sowie der mindestens einmal im Jahr stattfindenden Gemeindeversammlung.
Die Gäste kommen nach seiner Beobachtung aus dem Kurhotel und aus der Mütterkurklinik, sind aber „oft auch Freunde und Bekannte unserer Gemeindemitglieder, die wir einladen und die sich dann offenbar bei uns wohlfühlen und wiederkommen“.
Fast doppelt so groß
Bei den Gottesdiensten am Sonntag von 9.30 bis 11 Uhr wurde daher oftmals das Foyer mitgenutzt, um alle unterzubekommen, „aber das war natürlich keine Dauerlösung“. Und so entschied sich die Gemeinde schließlich, den Gottesdienstraum durch einen 60 Quadratmeter großen Anbau zu vergrößern. Zwei große Fensterfronten sorgen für viel Licht. Und sind durchaus auch symbolisch: „Wir wollen uns nicht verstecken und haben auch nichts zu verstecken“, sagt Dopfer.
Im April dieses Jahres begannen die Arbeiten. „Ich denke, bis Mitte Dezember sind wir fertig, aber wir setzen uns da keine engen zeitlichen Bandagen, sondern machen es Stück für Stück, so wie wir Zeit haben“, sagt Karl Mayer, den Dopfer den „Kassenwart“ der Gemeinde nennt. Der ehemalige Leiter des städtischen Bauhofs ist aber auch oft selbst auf der Baustelle zu finden. So wie viele andere Mitglieder Eigenleistung beisteuern, denn die Gemeinde muss die gesamten Kosten selbst stemmen. Kein einfaches Unterfangen, finanziert sich die FCG doch allein über die Spenden ihrer Mitglieder.
Jeder soll Platz finden
Zunächst wurde der Anbau erstellt, seit Anfang September laufen auch im Gottesdienstraum die Arbeiten. Und seitdem gibt es „Baustellengottesdienste“, wie es Mayer lächelnd nennt. „Samstag wird alles rein-, Sonntagmittag alles wieder rausgeräumt.“ „Die Mühe machen wir uns gerne“, sagt Dopfer. „Schließlich soll jeder bei uns willkommen sein und Platz finden. Am Ende bleiben dann lieber ein paar Stühle frei, das ist besser, als wenn jemand keinen Platz findet.“
Der Gottesdienst, so erzählt Lothar Dopfer, beginnt mit einer Lobpreiszeit. Eine Band mit Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug spielt moderne christliche Lieder, die Gemeinde singt dazu. „Die Texte werden mit einem Beamer an die Wand geworfen, ein Gesangbuch haben wir nicht“, so Dopfer, der auch Bandleiter ist und mal an der Gitarre, mal hinterm Schlagzeug zu finden ist.
Lobpreis, Predigt, Gebete
Der Lobpreiszeit schließt sich die Predigt an. Pastor der Gemeinde ist David Grigoras aus Salem am Bodensee, der in Teilzeit angestellt ist. Er wechselt sich mit Gastpredigern aus anderen Gemeinden der Region ab.
Den dritten und letzten Teil des Gottesdiensts bildet die Gebetszeit. Gebetet wird nicht nur, aber vor allem für Kranke. „Wir glauben, dass Jesus Christus von Krankheit heilt und dass seine Erlösung die Heilung von Krankheit einschließt, ohne dabei Ärzte oder Medikamente abzulehnen“, heißt es auf der Website der Gemeinde. „Wir glauben an einen lebendigen Gott, der tagtäglich in unser Leben eingreift. Auch ich persönlich habe schon sehr viel Positives erleben dürfen“, fügt Karl Mayer hinzu.
Für die Kinder
Während des Gottesdiensts gibt es eine Betreuung der Kinder bis drei Jahre im Mutter-Kind-Raum und einen Kindergottesdienst in einem weiteren Raum des Gebäudes. „Wir werden oft von unseren Gästen für unsere Kinderarbeit gelobt“, sagt Dopfer und strahlt dabei. „Und wenn die Kinder sich wohlfühlen, dann kommen die Eltern natürlich gerne wieder.“
Die frohe Botschaft möglichst vielen Menschen zu verkünden, ist der Freien Christengemeinde, wie allen anderen christlichen Gemeinschaften, ein großes Anliegen. „Gott sagt uns in der Bibel ewiges Leben zu, wenn wir an Jesus Christus als Retter der Welt glauben. Deshalb möchten wir möglichst vielen das Evangelium verkündigen“, so Karl Mayer. „Warum seit einigen Monaten viele Gäste zu uns kommen, müsste man sie natürlich selbst fragen. Aber wir erleben, dass viele mit ihren Nöten zu uns kommen und dann erfahren, dass ihre Gebete helfen“, fährt er fort. „In unseren Gottesdiensten erleben und begegnen wir Gott. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der Gott oft keine Rolle mehr spielt, ist das für viele eine neue und gute Erfahrung.“
Ökumenisch aktiv
Wichtig ist ihm und Dopfer dabei zu betonen, dass man anderen christlichen Gemeinden keine Mitglieder abwerben wolle, vielmehr ihnen die Ökumene wichtig sei. „Wir gehen gerade hier in Bad Wurzach viele Wege gemeinsam, haben manchmal unterschiedliche Ansichten, sind aber vereint in den christlichen Werten.“
Die Freie Christengemeinde Bad Wurzach ist ein Teil der Pfingstkirche und Mitglied im Dachverband Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden in Deutschland.