StartseiteRegionalRegion AllgäuBad WurzachFriedrich-Schiedel-Literaturpreis verliehen: „Bin extrem dankbar“

Preisverleihung

Friedrich-Schiedel-Literaturpreis verliehen: „Bin extrem dankbar“

Bad Wurzach / Lesedauer: 4 min

Die in Deutschland in ihrer Art einmalige Auszeichnung geht an Monika Czernin. Die Laudatorin hebt ihre mitreißende Ausdrucksfähigkeit hervor.
Veröffentlicht:19.09.2023, 09:00

Von:
  • Babette Caesar
Artikel teilen:

Einen schwungvollen Auftakt hat die Bad Wurzacher Stadtkapelle mit ihrem Marsch „Kaiserin Sisi“ von Timo Dellweg geboten. Das unter der Leitung des stellvertretenden Dirigenten Thomas Maier am Sonntag im Kurhaus am Kurpark anlässlich der Verleihung des Friedrich-Schiedel-Literaturpreises der Stadt Wurzach.

In Anwesenheit eines hochkarätigen Publikums überreichte Bürgermeisterin Alexandra Scherer der österreichischen Autorin und Filmemacherin Monika Czernin die Urkunde. Brigitte Mazohl, emeritierte Professorin der österreichischen Geschichte, hielt die Laudatio auf die Preisträgerin.

Sehr gut recherchiert

Das Buch sei faktenreich gestaltet und sehr gut recherchiert, doch sei seine Darstellungsweise darüber hinausgehend sehr lebendig und anschaulich, was zu einer großen Zugänglichkeit und Leserfreundlichkeit führe. So die Begründung der Jury, die zu dem Schluss gekommen war, dass Czernins 2021 erschienenes Buch „Der Kaiser reist inkognito – Joseph II. und das Europa der Aufklärung“ der 21. Friedrich-Schiedel-Literaturpreis gebühre.

Das Werk positioniere sich sogar auf überzeugende Weise zwischen den Polen „Sachbuch“ und „Roman“ als Gattungsbezug, indem es die faktenbasierte biographische Darstellung durch fiktive, teils dialogische Anteile anreichere. „Der Preis ist maßgeschneidert für das Œuvre“, brachte es Laudatorin Mazohl auf den Punkt.

Zahlreiche Ehrengäste

Den festlichen Akt eröffnete Bürgermeisterin Scherer. Sie begrüßte neben vielen anderen Persönlichkeiten den Wahlkreisabgeordneten Josef Rief als Vertreter des Deutschen Bundestages, die Familie des Stifters mit Ehefrau Ulrike Schiedel und Tochter Ursula Schiedel, Dietrich von Buttlar als Vorsitzenden der Jury der Friedrich-Schiedel-Literaturpreis-Stiftung und Joseph Graf von Waldburg-Zeil mit seiner Familie. Einen besonderen Dank richtete sie an ihren Vor-Vorgänger Helmuth Morczinietz, der den Literaturpreis mit ins Leben gerufen hat.

Pandemiebedingt musste auch die Preisvergabe 2022 aussetzen, so dass der zweijährige Turnus nun mit den ungeraden Jahren fortfährt und damit im Gleichschritt mit dem Friedrich-Schiedel-Wissenschaftspreis sei. 1741 in Wien geboren und 1790 ebendort gestorben war Joseph II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Von 1765 bis 1780 Mitregent seiner Mutter Maria Theresia in der Habsburgermonarchie – von 1780 bis 1790 Alleinregent.

Inkognito unterwegs

Als „Kaiser des Volkes“ und als „der vielleicht vollkommenste aufgeklärte Herrscher der europäischen Geschichte“ wird er oft bezeichnet. Wenn auch nicht alle seiner geplanten Reformen Bestand hatten, wirkten sie doch nach. Um überhaupt bis an diesen Punkt zu gelangen, begab er sich auf Reisen durch sein Reich und das inkognito als Graf von Falkenstein. Erkannt wurde er trotzdem, denn auch ohne Handy und Smartphone sprachen sich Dinge im Nu herum. Das Volk „von unten“ habe er sehen wollen, wozu er auf allen Pomp verzichtete, in einfachen Gasthöfen nächtigte, zum Ackerpflug griff und selbst vor Folter nicht zurückwich.

In vorbildlicher Weise erfülle Czernins Buch die Anforderungen des Preises, so Mazohl, indem sie es verstehe, Geschichte und Sprache zu verknüpfen und beides unverfälscht einer großen Leserschaft nahe zu bringen.

Die Magie der Worte

Woher kommt Czernins Begabung, die in Wien Pädagogik, Politikwissenschaften, Philosophie und Publizistik studiert hat, danach als Kulturredakteurin arbeitete? Früher, während Autofahrten nach Italien, erzählte sie, habe der Vater ihnen die Geschichten Europas erklärt. Allerdings angereichert mit kleinen Retuschen. Die Magie seiner gesprochenen Worte brachte selbst Barbie und Bravohefte zum Verblassen.

Später erhielt sie von ihm das Tagebuch von Nora Gräfin Kinsky, ihrer Ururgroßtante und späteren Rotkreuz-Schwester in russischen Kriegsgefangenenlagern, deren Tante wiederum die einstige Friedenskämpferin Bertha von Suttner war. Ist auf Czernins Homepage schlicht Klagenfurt als Geburtsstadt angezeigt, stecken innerhalb ihrer Verwandtschaft doch einige bedeutende adlige Häupter dahinter. So der Urgroßvater Oskar von Miller, Gründer des Deutschen Museums, dessen Ehefrau Marie, eine talentierte Malerin, oder Ferdinand von Miller, Erzgießer und Erbauer der Münchner Bavaria.

Ein beachtliches Gesamtwerk

An Mazohl war es, das beachtliche Werk Czernins bestehend aus 14 Filmen und 17 Publikationen dem Publikum zu erläutern. Die seit 1996 in Tutzing am Starnberger See lebende Autorin habe ein ausgesprochenes Gespür, ihre Fundstücke historischer Zeitzeugnisse wirkungsvoll darzustellen.

Und Czernin selbst? „Ich könnte nicht glücklicher sein über die Verleihung dieses Preises“, freute sie sich in ihrer Dankesrede. Ist Geschichte wirklich so interessant, fragte sie sich darin, um sich gleich selbst die Antwort zu geben. Einmal im Jahr müsse sie den Kontinent Europa verlassen, um dem Freilegen historischer Wurzeln zu entfliehen – nur um an entlegenen weltfernen Orten gleich wieder damit weiterzumachen.