Genossenschaft übernimmt

Bad Wurzacher sind Feuer und Flamme für „ihr“ Kurhaus

Bad Wurzach / Lesedauer: 7 min

Die Party der neuen Genossenschaft im Kurhaus war ein voller Erfolg. Bis zum nächsten Morgen wurden schon knapp 350.000 Euro eingesammelt. So geht es weiter.
Veröffentlicht:27.07.2023, 17:00

Von:
  • Patrick Müller
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Bestuhlt haben sie für 450 Besucher, gekommen sind deutlich mehr: Die Kurhausparty der neuen Genossenschaft, die die Gastronomie wieder beleben möchte (SZ berichtete), war mit Blick auf den großen Zuspruch am Mittwochabend schon einmal ein voller Erfolg. Die Bilanz der Anteile: Am nächsten Morgen stand die Zahl bereits bei knapp 700. Das Fazit von Vorstandsmitglied Bernhard Schad am nächsten Vormittag: „Klasse!“

Lockere Atmosphäre

Zum Auftakt der Veranstaltung trat der aus Bad Waldsee stammende Redner und „Ermutiger“ Johannes Warth auf die Bühne. Gut eine Stunde sorgte er mit einer Mischung aus Wortwitz und Aktionsbildern dafür, dass im Saal eine lockere Atmosphäre herrschte. Immer mit dem einen Ziel: Die Botschaft zu vermitteln, dass die Genossenschaft eine ganz gute Idee ist, bei der man unbedingt dabei sein sollte. Gemeinsam Mut haben und Neues wagen, lautete die Devise.

Beispielsweise fragte er, mit drei Bällen in der Hand, in den Saal hinein, wer denn jonglieren könne. Mit entsprechend verhaltener Resonanz. Davon, dass man gleich mit allen drei Bällen jonglieren sollte, war dabei aber gar nicht die Rede. Anschließend fragte er nochmals, und hielte dabei nur einen Ball in die Höhe. „Jonglieren fängt mit einem Ball an“, so Warth.

Werbung für Genossenschaft

Das sei wie bei einer Genossenschaft, da müsse man auch nicht gleich mit 100 Anteilen anfangen, sondern erst einmal mit einem. Und mit Blick auf das berühmte Armstrong–Zitat: Ein Anteil sei ein kleiner Schritt für jeden Einzelnen, aber ein großer für Bad Wurzach und sein Kurhaus.

Keine Frage, mit Warth gelang den Verantwortlichen der neuen Genossenschaft ein guter Fang. Die als Kabarett getarnte Verkaufsaktion für das Projekt war so gut, dass es fast schon an Manipulation grenzte.

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Im Anschluss lieferten die Genossenschaftsgründer Sascha Dargel (Vorstand/Bereich Marketing), Stefan Fimpel (Aufsichtsrat/Recht), Christian Gindele (Aufsichtsrat/Controlling), Christoph Gschwind (Aufsichtsratsvorsitzender/Finanzen), Hermann Haas (Aufsichtsrat/Gastrokonzept), Manuel Pfender (Aufsichtsrat/Technik) und Bernhard Schad (Vorstand) Infos rund um das Konzept und die weiteren Pläne.

Erster Impuls von Schad und Dargel

Der erste Impuls zur Wiederbelebung des Kurhauses kam demnach von Schad und Dargel — bei einem Gespräch nach zwei, drei Tassen Glühwein auf dem letzten Weihnachtsmarkt. Um alle Fachgebiete abzudecken, sei man auf Mitstreiter mit entsprechender Expertise zugegangen. So kam das Team zusammen, zu dem als Gastro–Beraterin mit Tanja Lauber vom Casa Rossa auch noch eine Frau gehöre.

Ziel des Teams sei es, den Leuten, die später hier im Kurhaus arbeiten, den Rücken freizuhalten. Sodass diese in Ruhe in der Küche und im Service arbeiten können, um für die Gäste eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, so Schad. Man habe dafür auch schon Zusagen von künftigen Mitarbeitern — darunter eine Serviceleiterin — könne hier aber noch keine Details nennen, da diese alle noch bei anderen Arbeitgebern beschäftigt seien.

Pulsierendes Herz in Bad Wurzach

Die Vision sei es, ein pulsierendes Herz in Bad Wurzach zu schaffen, einen Treffpunkt, so Schad und Dargel. Dafür müsse das Gebäude mit einem funktionierenden Konzept und System zum Laufen gebracht werden. Dazu sollen drei Bereiche gebildet werden: Saal, Bistro und Restaurant. Der Saal soll wie gewohnt vermietet werden, ab dem Start der Gastronomie inklusive Bewirtung. Zusätzlich seien dort eigen Veranstaltungen denkbar, etwa Konzerte, Kabarett oder Theateraufführungen.

Im Bistrobereich soll es einen Mittagstisch, Barbetrieb, Kaffee und Kuchen geben sowie eine kleine Speisekarte. Zeitlose Klassiker, die auch den schnellen Hunger stillen können, so Gastro–Experte Haas, in Bad Wurzach besser bekannt als „Haasi“. Denkbar seien hier auch Live–Events lokaler Künstler. Das Restaurant, mit einer wechselnden Speisekarte mit gut–bürgerlicher Küche, soll einen eigenen Bereich bekommen, mit im Vergleich zum Bistro eingeschränkteren Öffnungszeiten.

Trennung von Bistro und Restaurant

Durch die Trennung von Bistro und Restaurant müsse man nicht immer zwangsläufig den gesamten großen Gastro–Bereich bespielen, was sich auch auf den Personalbedarf positiv auswirke. Um das entsprechend umzusetzen, seien bauliche Veränderungen nötig. Flankiert werde das durch den gezielten Einsatz von Technik und Software, wie etwa einer App zur Bestellung und Bezahlung am Tisch sowie einem Online–Buchungs– und Reservierungssystem, wie der Technik–Fachmann Pfender erklärte.

Damit das alles auch zahlenmäßig auf einem stabilen Fundament steht, „müssen wir die Genossenschaft messbar machen“, so Controlling–Experte Gindele. Neben einem bereits bestehenden Fünf–Jahres–Plan gehören dazu auch Monatsabschluss und monatliche Wareninventur sowie eine vierteljährliche Geschäftsprognose, um auf Fehlentwicklungen schnell reagieren zu können.

Keine Nachschusspflicht

Fimpel und Gschwind erklärten die Fakten zur neuen Genossenschaft: 500 Euro kostet ein Anteil; bis zu 100 Anteile können pro Kopf erworben werden; jeder Anteilseigentümer hat unabhängig von der Zahl der Anteile eine Stimme in der Generalversammlung; eine Nachschusspflicht besteht nicht. Generell sei eine Genossenschaft eine demokratische Gesellschaftsform mit klar definierter Haftung, in diesem Fall 500 Euro pro Anteil. Wobei es eine Rückfallsicherheit durch die Stadt gebe, wodurch ein kompletter Verlust bei einem Scheitern des Projekts sehr unwahrscheinlich sei.

Generell, so Gschwind, sei man bei der Stadtverwaltung mit der Idee auf offene Ohren gestoßen, diese sei der Genossenschaft mit „sauguten Konditionen“ weit entgegengekommen. Weiter ins Detail könne man beim Pachtvertrag, über den der Gemeinderat am Montag entscheiden wird, wegen Verschwiegenheitspflichten aber nicht gehen.

Dividenden denkbar

Für die Mitglieder der Genossenschaft soll es im laufenden Betrieb Vorteile geben, wie etwa Vergünstigungen. Bei Gewinnen seien auch Dividenden denkbar, dass werde dann aber ein Thema für die jährliche Generalversammlung sein. Für alle, die im Laufe die noch bis zur Nacht auf Donnerstag Anteile zeichnete, soll es mit einem „Gründerkrug“ ein besonderes Geschenk geben: Dieser „Zauberbecher“ werde sich bei besonderen Events ein paar Mal automatisch füllen.

Beim Blick auf den Zeitplan — Planung Umbau jetzt im Sommer, Umbauphase Erdgeschoss bis Sommer 2024, Saalbetrieb ab Januar 2024 und Eröffnung Gastronomie im Herbst 2024 — betonte Schad: „Schneller geht es nicht, wir wollen es schließlich richtig machen.“

Kritische Fragen

Letzter Punkt war dann die Fragerunde, die mit bereits auf Social–Media gesammelten Fragen begann. Ein Vorwurf: „Die Elite macht’s mal wieder!“ Nein, so die Antwort von Dargel, als Elite verstehe man sich selbst natürlich nicht. Klar sei aber, dass jeder von ihnen durch die jeweilige berufliche Tätigkeit ein relativ großes Netzwerk vor Ort habe, das man für so ein Projekt brauche. Und zum aufgeworfenen Thema persönliche Bereicherung wurde nochmals klargestellt, dass alle ehrenamtlich tätig seien.

Kurhaus Bad Wurzach

Weitere Informationen

Weitere Informationen gibt es online unter www.kurhaus-kulturschmiede.de, dort ist unter anderem auch die Satzung der Genossenschaft einsehbar.

Auf die Frage, warum die Genossenschaft die Umbaukosten für das städtische Gebäude tragen muss, wurde erklärt, dass sich die Genossenschaft im Vergleich zur Stadt nicht an strenge Vergaberichtlinien halten muss. Dadurch könnten die Aufträge zum einen deutlich schneller vergeben werden, zum anderen auch gezielt an lokale Unternehmen.

Party bis zum Morgen

Danach war der erste Teil des Abends nach rund zweieinhalb Stunden beendet, die Stühle wurden beiseite geschoben, und die eigentliche Party konnte beginnen. Eine Party, die bis in die frühen Morgenstunden andauerte, wie Schad am Donnerstagvormittag berichtete.

Dem gesteckten Ziel, 1500 Anteile zu verkaufen, kam man mit diesem Abend schon deutlich näher. Am Donnerstagvormittag lag man bei 696 — bei 500 Euro pro Anteil immerhin schon knapp 350.000 Euro — zum Beginn des Abends waren es etwas mehr als 200. Wie Schad bestätigte, haben auch die Stadt Bad Wurzach und die Volksbank Allgäu–Oberschwaben bereits angekündigt, größere Anteilspakete zu zeichnen.

Er sei zuversichtlich, dass man die 1500 noch schaffen werde — und falls nicht, gebe es bereits eine Finanzierungszusage der Bank. Außerdem sehe es auch bei der beantragten Leader–Förderung aktuell ganz gut aus.