StartseitePolitikCorona: Warum ist die Sieben-Tage-Inzidenz aktuell so niedrig?

Inzidenz

Corona: Warum ist die Sieben-Tage-Inzidenz aktuell so niedrig?

Berlin / Lesedauer: 4 min

Die bundesweite Inzidenz sinkt seit einigen Wochen - trotz der hoch ansteckenden Delta-Variante und einer vergleichsweise niedrigen Impfquote. Dafür gibt es mehrere Erklärungen - und eine Warnung.
Veröffentlicht:29.09.2021, 17:15

Von:
Artikel teilen:

Aktuell liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit bei 61 , noch vor drei Wochen lag sie mit 90 deutlich höher. Derzeit scheint die Inzidenz somit zu stagnieren. Die durchschnittliche Anzahl der PCR-Tests und die Positivrate veränderte sich dabei in diesem Zeitraum wenig. Außerdem gibt es auch einen leichten Rückgang bei der Zahl der Krankenhauseinweisungen und der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen.

Warum ist das so? Schließlich verfügt noch etwa jeder Dritte in Deutschland über keinerlei Impfschutz. Neben den meisten Kindern und Jugendlichen sind auch noch 30 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 59 Jahren nicht geimpft.

Die wichtigsten Akteure in Deutschland liefern dafür nachvollziehbare Erklärungen.

Das sagt das Bundesgesundheitsministerium :

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte am Freitag, dass die Abnahme der Infektionen wahrscheinlich auf die erreichte Impfquote und die sogenannte 3G-Regel zurückzuführen ist. Durch die 3G-Regel sind viele Einrichtungen des öffentlichen Lebens wie Restaurants oder Museen nur noch für Geimpfte, Genesene und Getesteste zugänglich.

„Grundsätzlich ist es aber noch zu früh, um jetzt von einer Entwarnung oder von einem anhaltenden Trend zu sprechen“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Es sei davon auszugehen, dass die derzeitige Entwicklung unter anderem auch auf den Rückgang des Sommerreiseverkehrs zurückzuführen sei.

Das sagt das Robert-Koch-Institut:

Ähnlich sieht es das Robert-Koch-Institut (RKI). Die derzeitige Entwicklung könne auf einen Rückgang des Sommerreiseverkehrs , eine Abnahme der festgestellten Infektionen beim Schulanfang sowie auf die Impfquote und die Einführung der 2G- und 3G-Regeln in vielen Bereichen zurückzuführen sein, hieß es im Wochenbericht des RKI vom 23. September zu dem rückläufigen Trend.

Das sagt der Virologe Christian Drosten:

Der renommierte Virologe und Coronavirus-Experte Christian Drosten hält dagegen die derzeitige Beruhigung der bundesweiten Corona-Infektionszahlen für ein vorübergehendes Phänomen . Der Anstieg der Inzidenz bis Anfang September sei insbesondere auf das intensive Testen an Schulen nach Ende der Sommerferien und eingeschleppte Fälle zurückzuführen. Nach Drostens Einschätzung war dies „noch nicht unbedingt der Beginn der Winterwelle“.

„Interessant ist im Moment ein Blick auf die Deutschlandkarte. Diejenigen Bundesländer, bei denen die Sommerferien zuletzt geendet haben - im Süden, Bayern und Baden-Württemberg - sind jetzt am höchsten in der Inzidenz“, sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité am Dienstagabend in einem Auszug aus dem Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info .

Es sei aber schon zu sehen, dass in ostdeutschen Bundesländern die Inzidenz offenbar unabhängig vom Ferienende wieder Fahrt aufnehme. „Ich denke, da deutet sich jetzt die Herbst- und Winterwelle an, die wir im Oktober wohl wieder sehen werden“, sagte Drosten.

Angesichts der gegenwärtigen Quote von 64,3 Prozent vollständig Geimpfter in der Bevölkerung und der wieder niedrigeren im Herbst gehe er in diesem Jahr von einem Losrollen der nächsten Welle zu einem Zeitpunkt wie im Vorjahr aus, sagte der Corona-Experte dem Sender. Damals sei es in der zweiten Oktoberhälfte eindeutig gewesen, „dass wir wieder in einen exponentiellen Anstieg gehen“.

Das Schließen der Impflücken müsse gesamtgesellschaftliches Ziel sein, betonte Drosten weiter. Es gelte, noch Ungeimpfte zu überzeugen oder anderweitig dazu zu bringen, sich impfen zu lassen. Dies sei keine wissenschaftliche Aufgabe mehr, sondern eine politische. Den derzeitigen Impffortschritt wertete der Virologe als unzureichend. „Die Zahlen sehen übel aus.“ Dänemark etwa sei in einer deutlich besseren Position als Deutschland. Möglich sei aber auch, dass die tatsächliche Impfquote in Deutschland aufgrund fehlender Meldungen etwas höher sei als aus den offiziellen Daten hervorgeht.

Das sagt die Virologin Jana Schroeder:

Die Ärztin und Virologin Jana Schroeder bringt auch noch die milden Temperaturen und das sonnige Wetter im September ins Spiel. „Im Moment ist das Wetter noch schön und man hält sich vermehrt draußen auf“, sagte sie im Interview mit „t-online.de“ am Freitag und ergänzte: „Vermutlich entfällt ein großer Anteil der Infizierten der letzten Wochen auf die Reiserückkehrer, aktuell sind die höchsten Inzidenzen zudem meist bei den 5- bis 14-jährigen. Und natürlich ist die Impfquote auch gestiegen, da zählt jeder Prozentpunkt.“

Das sagt der Virologe Hendrik Streeck:

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sieht die Pandemie bereits in eine Endemie übergehen, „also in einen Zustand, wo das Virus zwar noch da ist, aber die meisten Menschen eine Immunität haben und somit das Virus weniger gefährlich wird“, wie er der „Augsburger Allgemeinen“ sagte.

Er persönlich denke, dass Deutschland auf diesem Weg schon weiter sei als vielfach kommuniziert werde. „Wir haben eine Impfquote von 67 Prozent, aber bei den über 18-Jährigen sind es dann doch fast 80 Prozent.“ Rechne man die Genesenen dazu, seien es fast 90 Prozent, sagte Streeck, Direktor des Instituts für Virologie der Uni Bonn. Es gelte nun verstärkt darauf zu schauen, dass man noch so gut wie alle über 60-Jährigen impfe. „Ich denke, damit können wir dem Virus schneller den Schrecken nehmen.“