Journalistik
Wissenschaftler: Fake-News haben den Journalisten sogar geholfen
Politik / Lesedauer: 5 min

Sebastian Heinrich
Klaus Meier ist Professor für Journalistik an der Katholischen Universität im oberbayerischen Eichstätt. Nach mehreren Stationen als Journalist, Berater und Coach war Meier zunächst von 2001 bis 2009 Professor für Journalistik an der Hochschule Darmstadt.
Von 2009 bis 2010 leitete er den Lehrstuhl für crossmediale Entwicklungen des Journalismus an der Technischen Universität Dortmund . Seit 2011 hat er den Lehrstuhl für Journalistik I an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt inne. Meier ist Träger des Ars legendi-Preises 2017 für exzellente Hochschullehre.
Herr Meier, es sind turbulente Zeiten für Journalisten. Viele in diesem Beruf haben den Eindruck: Unsere Glaubwürdigkeit wird so stark angezweifelt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sehen Sie das auch so?
Die Stimmen, die den Journalismus öffentlich kritisieren und seine Glaubwürdigkeit anzweifeln, sind zumindest lauter geworden. Viele prominente Politiker weltweit – darunter der Präsident der USA – tun das. Aber die ganzen Debatten mit Stichworten wie „Fake News“ und „postfaktisches Zeitalter“ haben dem Journalismus in Deutschland eigentlich sogar geholfen. Den Menschen ist viel bewusster geworden, was sie von einer unabhängigen, überprüften Informationsaufbereitung haben. Und dass sie ohne Journalismus politischen Interessen wie ein Spielball ausgeliefert wären.
Sie sehen in dieser Debatte also sogar eine positive Antriebskraft für den Journalismus.
Ja, das merken wir auch in Befragungen. Während vor zehn Jahren nur gut ein Viertel der
deutschen Bevölkerung hohes Vertrauen in die Medien hatte, ist es jetzt schon fast die Hälfte. Was wir aber schon auch sehen: Inzwischen etwa 20 Prozent der Menschen an den radikalen Rändern der Gesellschaft zweifeln diese Glaubwürdigkeit ganz strikt an. Das waren früher nur circa zehn Prozent. Die Meinung zum Journalismus geht also stark auseinander. Die „Fake News“-Aktivisten spalten die Gesellschaft.
Was ist aus Ihrer Sicht das beste Mittel gegen den Vorwurf Medien verbreiteten systematisch „Fake News“?
Einfach gesagt: Journalisten müssen gute Arbeit leisten. Journalismus muss sich bemühen, besser zu werden. Wichtig ist die Orientierung an den Fakten. Formate, in denen Fakten und Interpretation vermischt werden, sind nicht geeignet, das Vertrauen der Nutzer zu stärken. Journalismus muss aber auch über sich selbst reden, sich selbst erklären, die eigene Arbeitsweise offenlegen. Das Stichwort ist Transparenz: Wie ist die Geschichte zustandegekommen, woher habe ich meine Informationen? Es ist wichtig, Quellen offenzulegen – aber auch dem Leser zu erklären, warum über bestimmte Themen berichtet worden ist und über andere nicht.
Was sind aus Ihrer Sicht positive Beispiele für journalistische Transparenz?
Der Blog der Tagesschau, in dem die Redaktion immer wieder Stellung zu den Sendungen nimmt. Bei den Zeitungen sind Ombudsleute ein gutes Modell: Sie sind Vermittler zwischen Leser und Redaktion. Sie erklären den Lesern, wie der Journalismus im Haus funktioniert, wie Geschichten entstehen, nehmen Beschwerden entgegen und spielen sie in die Redaktionen zurück.
Momentan wird unter Journalisten viel über das Wort „Haltung“ gestritten. Manche Medienmacher fordern, Journalisten sollten sich mit ihrer Haltung eher zurückhalten und „neutraler“ sein – andere fordern viel mehr Haltung. Wer hat in dieser Debatte Recht?
Man muss mit dem Begriff Haltung kritisch umgehen. Wenn man den etwas ausdifferenziert, sind die Konfrontationen gar nicht so stark. Ich denke, Journalismus braucht eine Haltung zu diesem Beruf – und zu seinen Qualitätskriterien. Und damit ist natürlich eine Haltung zur Demokratie verbunden: Journalismus muss immer Verteidiger der offenen Gesellschaft und der Demokratie sein. Und Feinde einer offenen, demokratischen Gesellschaft sind immer auch Feinde des Journalismus. Aber innerhalb des demokratischen Spektrums nur eine bestimmte politische Haltung zu zeigen, halte ich für kontraproduktiv. Natürlich gibt es Zeitungshäuser, die traditionell eine gewisse Linie haben, etwa christlich-konservativ oder sozialliberal. Aber ich denke, das funktioniert gar nicht mehr so gut – vor allem bei Lokal- und Regionalmedien. Da sollten alle Meinungen innerhalb des demokratischen Spektrums Platz finden. Und wichtig ist bei Meinungsbeiträgen immer, dass sie mit Fakten und Recherche belegt sind. Das erhöht die Glaubwürdigkeit beim Publikum. Jüngere Menschen wachsen fast ausschließlich mit digitalen Medien auf.
Wie schafft es da speziell ein regionales Medienhaus, seine Relevanz zu erhalten?
Klar ist: Die Redaktionen müssen sich in ihrer Gesamtheit auf digitale Ausspielkanäle einlassen. Online nebenher zu bedienen funktioniert nicht mehr – und wird in Zukunft erst recht nicht funktionieren. In fünf oder zehn Jahren werden eher die digitalen Ausspielwege im Zentrum stehen – und die Zeitung wird nebenbei gedruckt für die Leser, die das schätzen. Im Digitalen muss man viel experimentieren, Mut für Neues haben – und die eigene Rolle immer wieder diskutieren.
Wie sollten regionale Medienhäuser aus Ihrer Sicht im digitalen Zeitalter große, überregionale Themen angehen?
Es braucht da letztlich zwei Strategien. Zum einen müssen die überregionalen Themen auch in regionalen Medien stattfinden – auch wenn die Leser sie schon aus anderen Medien kennen. Wichtig ist dabei aber, zu erklären, was das Überregionale für die Menschen in der Region bedeutet. Zum anderen sollten regionale Medien auch Themen aus der Region aufgreifen, mit denen sich die große Politik vielleicht befassen sollte.
Können Sie in drei Sätze fassen, was Journalisten aus Ihrer Sicht heute leisten sollen?
Journalisten müssen faktenbasiert gut recherchieren können. Sie müssen offen sein für digitale Formate und Ausspielkanäle. Und damit geht einher, dass sie gegenüber dem Publikum offen und transparent sein müssen.