StartseitePolitikMinisterin Faeser: Im Fall Schöhnbohm bleiben viele Fragen unbeantwortet

Befragung im Innenausschuss

Ministerin Faeser: Im Fall Schöhnbohm bleiben viele Fragen unbeantwortet

Politik / Lesedauer: 4 min

Die Union hat Zweifel am Amtsverständnis der Innenministerin. Für Faeser ist die Sache allerdings nach ihrem Auftritt am heutigen Tag klar eingeordnet.
Veröffentlicht:20.09.2023, 19:01

Von:
  • Claudia Kling
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Es gibt Tage, an denen fragen sich politische Beobachter, von wem Spitzenpolitiker beraten werden. Vor etwa zwei Wochen war so ein Tag. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte ihr Fernbleiben im Innenausschuss mit medizinischen Gründen erklärt, am selben Tag aber einer Nachrichtenagentur in Wiesbaden ein Interview gegeben.

Dass dieses Vorgehen eher suboptimal war, hat die SPD-Politikerin, die sich als Spitzenkandidatin in Hessen um das Amt des Ministerpräsidenten bewirbt, wohl eingesehen. Sie habe sich für ihr Fernbleiben bei der vorherigen Sitzung des Innenausschusses entschuldigt, sagt sie nach dreistündiger Befragung.

Dass die vergangenen Stunden kein Spaziergang waren, ist der Ministerin deutlich anzusehen. Gleichzeitig lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie wieder so vorgehen würde wie vor einem Jahr, als sie den damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, nach einer kritischen Fernsehsendung im ZDF auf einen anderen Posten versetzt hat.

„Ich würde genauso handeln“, sagt sie auf Nachfrage. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine habe sich auch die Sicherheitslage in Deutschland verändert ‐ und „100-prozentiges Vertrauen“ in die Arbeit des BSI-Chefs erfordert. Das habe sie im Oktober 2022 und auch schon davor nicht mehr gehabt.

Verfassungsschutz zu eigenen Zwecken genutzt?

Der Opposition erscheint diese Begründung vorgeschoben. „Der Verweis auf mangelndes Vertrauen scheint mir ein Scheinargument, da Schönbohm das falsche Parteibuch für Frau Faeser hat“, kritisiert die CSU-Politikerin Mechthilde Wittmann, die den Wahlkreis Oberallgäu vertritt. Dass ein Spitzenbeamter wie Schönbohm versetzt wird, „ohne Klärung der Vorwürfe“, halte sie auch für menschlich schwierig.

Aber im Innenausschuss steht nicht die Frage im Zentrum, ob Faeser als Vorgesetzte auf der persönlichen Ebene alles richtig gemacht oder Schönbohm gut gearbeitet hat. Es geht vor allem um die Frage, ob die Innenministerin versucht hat, nach seiner Versetzung beim Verfassungsschutz belastendes Material besorgen zu lassen, um ihre Entscheidung zu rechtfertigen. Dass sie sozusagen den Verfassungsschutz für ihre Zwecke instrumentalisieren wollte.

Faeser sagt: nein. Auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sagt: nein. Es habe im Oktober 2022 nur eine einzige Anfrage des Bundesinnenministeriums an sein Amt gegeben, ob gegen Schönbohm etwas vorliege. Darauf sei kurz und präzise geantwortet worden, dass keine Erkenntnisse vorlägen. Anschließend habe es keine weiteren offiziellen oder inoffiziellen Anfragen seitens des Bundesinnenministeriums gegeben.

Faeser begründet die eine Anfrage mit ihrer Verantwortung für die Sicherheitslage in Deutschland. „Alles andere wäre fahrlässig gewesen“, sagt sie. An die Adresse von Union und AfD geht ihr Vorwurf, es sei „unverschämt und unverantwortlich“ dem Verfassungsschutz zu unterstellen, er habe sich instrumentalisieren lassen. Für sie sei die Causa Schönbohm „mit dem heutigen Tag“ beendet.

Anworten auf zentrale Fragen fehlen

Doch das Grummeln in der Opposition hört auch nach der Innenausschusssitzung und der anschließenden Befragung von Faeser im Bundestag nicht auf. Die CSU-Politikerin Wittmann hält es für das Beste, wenn die Innenministerin zurücktreten würde. Faeser sei „völlig ungeeignet als Innenministerin, nicht nur wegen ihres Vorgehens in der Causa Schönbohm, sondern vor allem wegen ihrer völlig fehlgeleiteten Migrationspolitik“, sagt sie.

Auch die AfD fordert den Rücktritt der SPD-Politikerin, am Donnerstag stellt sie einen entsprechenden Antrag im Bundestag. Dem wird sich die Union nicht anschließen. „Wir betreiben nicht das Geschäft dieser Partei“, so Wittmann.

Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries wirft Faeser vor, zu allem Stellung zu nehmen, was sie entlaste, und bei allem, was sie belaste, auszuweichen. Entweder seien ihre Aussagen falsch ‐ oder der Vermerk eines Mitarbeiters vom März 2023, aus dem hervorgeht, dass nochmals das BfV abgefragt und „alle Geheimunterlagen“ zusammengetragen werden sollten. „Die zentralen Fragen wurden nicht beantwortet“, kritisiert de Vries.

Dienstrechtlich sauber, menschlich chaotisch

Für die Opposition dürfte die Causa Schönbohm ‐ anders als für die Ministerin ‐ also nicht vom Tisch sein. Wie es nun weitergeht? Erstmal werde seine Fraktion die Protokolle der dreistündigen Sitzung auswerten, sagt Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Grüne und FDP scheinen hingegen damit zufrieden, dass die Bundesinnenministerin, wenn auch spät, jetzt doch in den Innenausschuss gekommen ist.

Es sei nicht glücklich gewesen, dass Faeser nicht sehr viel früher da war, meint Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. Die Innenministerin hätte die Vorwürfe früher ausräumen können, sagt sie. Die FDP kommt zu dem Schluss: Dienstrechtlich sei alles sauber gelaufen, menschlich aber viel Porzellan zerschlagen worden, so Manuel Höferlin.