StartseitePolitikTragödie vor der Haustür schockiert Gipfel

Flüchtlingstragödie

Tragödie vor der Haustür schockiert Gipfel

Politik / Lesedauer: 3 min

Bei der Westbalkan-Konferenz treten Teilnehmer für solidarische Flüchtlingspolitik ein
Veröffentlicht:27.08.2015, 19:30

Von:
  • Schwäbische.de
Artikel teilen:

Westbalkan-Gipfel in Wien im Schatten der Flüchtlingstragödie im Burgenland: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängte bei der Konferenz zu einer gemeinsamen Asylpolitik, und die Regierungschefs der Balkanregion übten harte Kritik am schleppenden Integrationsprozess der EU.

Die Gipfelteilnehmer reagierten geschockt, als sie die Nachricht von den toten Flüchtlingen ereilte, und hielten eine Trauerminute ab. Merkel sprach von einer „entsetzlichen Nachricht, die uns mahnt, das Thema Migration im europäischen Geist, im Geist der Solidarität anzugehen und Lösungen zu finden“. Österreichs Kanzler Werner Faymann , Gastgeber des Gipfels, sagte, „das Asylrecht dürfe nicht nur auf dem Papier stehen“. EU-Außenkommissarin Federica Mogherini sprach von einer „moralischen und rechtlichen Pflicht, Flüchtlinge zu schützen“.

Für Heinz Patzelt, den österreichischen Vertreter von Amnesty International, klangen diese Worte „heuchlerisch“. Dass sich Tragödien wie auf dem Mittelmeer auch auf Landfluchtwegen wie über die Balkanroute Richtung Westeuropa zutragen würden, „war abzusehen“, sagte er.

Kritik an Ungarns Grenzzaun

Auf dem Westbalkan-Gipfel hat sich nunmehr der Druck auf die EU-Regierungschefs spürbar verstärkt, sich zu einer gemeinsamen Asylpolitik durchzuringen. Alleingänge wie in Ungarn, das seine Grenze zu Serbien mit einem Stahlzahn abriegelt, seien der falsche Weg, hieß es einhellig. Merkel und Faymann drängten die Partnerländer auch zu einer fairen Verteilung von Asylbewerbern. Das Dublin-Abkommen funktioniere nicht mehr. „Wir dürfen die Bürokratie nicht Triumphe feiern lassen“, sagte Merkel.

Zum Teil scharfe Kritik übten die Regierungschefs und Minister der Balkanländer an der EU. Besonders Serbien und Mazedonien sind als Transitländer von dem Flüchtlingsandrang schwer betroffen. „Wir brauchen nicht euer Geld, auch nicht für die Flüchtlinge, das packen wir allein. Alles, was wir brauchen, ist eure politische Unterstützung“, sagte Serbiens Premier Aleksandar Vucic bei einer Randveranstaltung.

„Wir erwarten von der EU-Kommission, dass sie einen Plan zur Lösung des Flüchtlingsproblems vorlegt, dann kann man auch an uns Forderungen stellen“, so Serbiens Außenminister Ivica Dacic. Sein mazedonischer Amtskollege Nokola Poposki klagte: „Mein Land zahlt einen hohen Preis, nur weil ein EU-Staat“ – damit meinte er Griechenland –mit der Flüchtlingswelle nicht fertig werde. Laut der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind im ersten Halbjahr 102000 Migranten und Flüchtlinge allein über die Balkanroute nach Ungarn eingereist und von dort hauptsächlich nach Österreich , Deutschland und Skandinavien weitergezogen. Inzwischen dürften es ein paar Hunderttausend mehr sein.

Angeregt hatte die Konferenz vor einem Jahr Merkel, um die politische Stabilität auf dem Balkan zu festigen und den europäischen Integrationsprozess zu beschleunigen. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz legte einen Fünf-Punkte-Plan vor, den die EU-Kommission umsetzen soll. Dazu zählen der Ausbau der Infrastruktur, Investitionsanreize sowie Jugendaustausch. Auf die Regierungen müsse stärkerer Druck ausgeübt werden, endlich strukturelle Reformen im politischen und wirtschaftlichen System umzusetzen, forderte er. „Wir müssen in den Herkunftsländern Gründe dafür schaffen, dass die Menschen dort bleiben“, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit Blick auf die Tatsache, dass 45 Prozent der Migranten in Deutschland aus der Balkanregion kommen.

Doch die Westbalkanländer fühlen sich von der EU hingehalten. Rund 20 Jahre nach Ende der postjugoslawischen Kriege mache sich das Unbehagen breit, nie in Europa anzukommen. „Wir möchten, dass Sie uns eine klare Perspektive aufzeigen“, sagte Serbiens Außenminister Dacic. Er drängt EU-Kommissar Johannes Hahn, zuständig für Europäische Nachbarschaftspolitik, zu einer schnelleren Gangart.

Beitrittsgespräche Anfang 2016

Hahn versprach Serbien den Beginn der Beitrittsgespräche für Anfang 2016. Mazedonien ist bereits seit 2006 EU-Beitrittskandidat, wird aber wegen bilateraler Konflikte von Griechenland blockiert. Albanien, das rückständigste Land, muss ebenfalls noch lange warten. Dessen Premier Edi Rama sagte in Wien: „Das ist so, als ob man heiraten wolle, aber niemanden findet, der einen will.“