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Tuchfühlung

Schwesig auf Tuchfühlung mit Familien

Politik / Lesedauer: 4 min

Die Bundesfamilienministerin im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern
Veröffentlicht:31.08.2016, 20:28

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Gleich nach dem Kindergarten-Song mit „Schubi dong“ fragt SPD-Familienministerin Manuela Schwesig die Kleinen im Asklepios-Betriebskindergarten, ob sie denn wüssten, wer sie sei. „Du bist die Helferin von Frau Merkel“, ist die Antwort. „Ja, manchmal auch“, sagt Schwesig und lacht tapfer. Aber diesmal ist sie alles andere als Merkels Helferin. Sechs Tage vor der Landtagswahl ist die Stellvertreterin von Sigmar Gabriel in ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern unterwegs, um von Neubrandenburg über Pasewalk bis Heringsdorf Wahlkampf für die SPD zu machen – und vor der AfD zu warnen. „Wählen Sie demokratisch“, sagt Schwesig und fügt erst dann hinzu, „am besten sozialdemokratisch.“

Die Ministerin steht mitten in Vorpommern im 460-Seelen-Dorf Heinrichswalde. An ihrer Seite ist Patrick Dahlemann. Der hat ihren Wahlkreis übernommen, als Schwesig, frühere Sozial- und Arbeitsministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern , nach Berlin ging. Der junge Abgeordnete Dahlemann wurde berühmt, weil er auf einer NPD-Kundgebung das Mikrofon übernahm.

NPD nur noch bei drei Prozent

Doch die NPD, deren Plakate überall an den Alleen hängen, scheint diesmal von der AfD verdrängt zu werden. Vielleicht wirbt sie deshalb besonders aggressiv auf Riesenplakaten entlang der Straße nach Usedom: „Touristen willkommen – Islamisten und Asylbetrüger abschieben“. Rechts auf dem Plakat eine junge blonde Frau im Stringtanga, links dunkle Gestalten mit Kapuzenjacken, auf deren Rücken „rapefugees“ steht. Die NPD liegt in Umfragen nur noch bei drei Prozent, die AfD hingegen kommt auf rund 20 Prozent. Manuela Schwesig kennt die Ängste mancher Bürger, die jetzt AfD wählen wollen. Sie gibt aber nicht auf, sondern spricht jeden Einzelnen an und weckt Zweifel an der Leistung der AfD. „Politik funktioniert nicht, wenn man einfach nur herumnörgelt.“ In Heinrichswalde warnt sie überdies Frauen, die AfD zu wählen. So prangert sie die rückwärtsgewandte Position der Partei in Frauen- und Familienfragen an.

Neben ihr steht die junge Bürgermeisterin Carolin Kamke mit ihren zwei kleinen Kindern. Auch Schwesig ist vor fünf Monaten zum zweiten Mal Mutter geworden, nach Sohn Julian kam Tochter Julia. Wenn es nach der AfD ginge, „dann müssten wir beide zu Hause stehen“, sagt sie zur Bürgermeisterin. Schwesig betont, dass sie stolz sei, dass der Osten in Gesamtdeutschland die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingebracht habe. Sie will jedoch im Wahlkampf nicht nur auf die AfD abheben. „Ich wende mich an die 80 Prozent, die die AfD nicht wollen, die wollen, dass es mit unserem Land gut weitergeht“, sagt Schwesig. Dazu sei es wichtig, dass Erwin Sellering Ministerpräsident des Landes bleibe. Sellering, ein gebürtiger Westfale, regiert Mecklenburg-Vorpommern seit acht Jahren. Bundesweit unauffällig, aber erfolgreich im Land, zusammen mit der CDU.

Schwesig spricht vor allem die Fragen der Frauen- und Familienpolitik an. Immer wieder thematisiert sie, dass Mecklenburg-Vorpommern die Kita-Gebühren weiter senken will. Denn sie kennt die Klagen der Krankenschwestern und Monteure, der Klein- und Mittelverdiener gut: Wenn sie erst die 260 Euro im Schnitt für die Kita bezahlt haben, dann bleibe ihnen am Ende oft nicht mehr als den Familien, die gar nicht arbeiten und Hartz IV beziehen. „Wir müssen etwas tun für die, die knapp darüber sind, für normale Familien“, sagt Schwesig, 50 Euro weniger sollen die Eltern gleich nach der Wahl für einen Kita-Platz zahlen.

Schwesig ist eine gute Zuhörerin. Immer wieder geht sie auf Menschen zu, spricht mit ihnen, ohne ihnen das Blaue vom Himmel zu versprechen, versucht, die Anliegen zu verstehen. Ob in der Klinik in Pasewalk oder im Urlaubsort Heringsdorf, die Frauenministerin trifft oft auf Frauen, die abends, nachts oder frühmorgens arbeiten, und keine Kita für diese Zeiten haben. Deshalb will sie mit ihrem neuen Programm Kita plus die Randzeiten besser abdecken. 300 Kitas bundesweit sollen finanziell unterstützt werden, damit sie auch vor 8 Uhr morgens und nach 16 Uhr am Nachmittag noch geöffnet sind.

Auch der 66-jährige Ministerpräsident Sellering zieht mit der Kita-Frage in den Wahlkampf. Die SPD vertraut auf ihn als Zugpferd. Der habe immer umgesetzt, was er versprochen habe: mehr Arbeitsplätze, niedrigere Kita-Gebühren.

In einem Land, in dem es keine Staffelung für Kindergartengebühren gibt, weil die Verwaltungskosten höher wären als die Einnahmen angesichts der kleinen Zahl von Besserverdienern, in einem solchen Land setzt die SPD ganz klar weiter auf das Thema sozialer Zusammenhalt.