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TTIP

„Riesige Vorteile für die Hersteller“

Politik / Lesedauer: 5 min

Der oberschwäbische Europaabgeordnete Norbert Lins (CDU) zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP
Veröffentlicht:30.08.2016, 20:40

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  • Schwäbische.de
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Der Europaabgeordnete Norbert Lins (CDU) sieht im TTIP-Abkommen viele Vorteile für Unternehmen und Verbraucher. Die Bundesrepublik als exportorientierte Nation wäre „der größte Profiteur eines transatlantischen Freihandelsabkommens“, sagte Lins im Gespräch mit Claudia Kling.

Herr Lins, was läuft so schief in den Verhandlungen mit den USA , dass sich nun nach Vizekanzler Gabriel auch Frankreich von dem TTIP-Abkommen distanziert?

Es läuft nicht alles so schief. Die Aussagen von Vizekanzler Gabriel und der französischen Regierung sind als vereinbartes Manöver zu betrachten, bei dem die deutsche SPD mit den französischen Sozialisten zusammenarbeitet. Sie meinen Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada, retten zu können, wenn sie TTIP für gescheitert erklären.

Sind die aktuellen Äußerungen zu TTIP bereits erste Vorboten der Präsidentschaftswahl in Frankreich und der Bundestagswahl im kommenden Jahr?

Es ist ja offensichtlich, dass in den vergangenen Tagen Minister Gabriel den Bundestagswahlkampf eröffnet hat. Das gilt nicht nur für TTIP. Dafür sprechen auch seine Äußerungen zur Flüchtlingspolitik, bei denen er sich ebenfalls von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgesetzt hat. Er hat einen Frühstart hingelegt.

Welche Haltung würden Sie sich wünschen von einem deutschen Wirtschaftsminister?

Unabhängig von seiner parteipolitischen Ausrichtung müsste ein Wirtschaftsminister in erster Linie für die Interessen der deutschen Wirtschaft eintreten. Sein Ministerium ist für das wirtschaftliche Fortkommen, für Wohlstandssicherung und -ausweitung zuständig. Diese Aufgaben vernachlässigt Gabriel zu Gunsten seiner Position als Bundesvorsitzender der SPD.

Er müsste ganz klar für Handelsabkommen eintreten – und zwar nicht nur für Ceta, sondern auch für TTIP. Wenn man die Fakten anschaut, ist es offensichtlich, dass die Bundesrepublik als exportorientierte Nation mit der größte Profiteur eines transatlantischen Freihandelsabkommens wäre.

Haben die TTIP-Befürworter ihre Gegner unterschätzt?

Man hat unterschätzt, dass ein Handelsabkommen plötzlich in einer so breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Das ist ein einmaliger Vorgang. Es gibt ja bereits zig existierende Freihandelsabkommen der EU mit anderen Ländern der Welt, die nie so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.

Welche Vorteile ergäben sich aus TTIP für Baden-Württemberg?

Wenn weitere Handelshemmnisse abgebaut würden, beispielsweise bestimmte Sicherheitsvorschriften gegenseitig anerkannt würden, resultierten daraus riesige Vorteile für die Hersteller. Sie könnten sich die Kosten für die doppelten Verfahren sparen. Nehmen Sie die Automobilindustrie, unseren wichtigsten Industriezweig im Südwesten: Dort wären erhebliche Kosteneinsparungen möglich, wenn Blinker und Sicherheitsvorrichtungen wie der Gurt gegenseitig anerkannt würden und man nicht für jeden Markt unterschiedliche Modellvarianten einbauen müsste.

Und was hat der Verbraucher davon?

Die Produkte werden günstiger, wenn die Hersteller die Kosteneinsparungen an den Endverbraucher weitergeben. Und dazu werden sie aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks wohl gezwungen sein.

Die wichtigsten Argumente der TTIP-Gegner sind die Schiedsgerichte, die angebliche Schwächung von Verbraucherrechten und der schlechtere Schutz von Kulturgütern? Können Sie dazu jeweils einen Satz sagen?

Ich fange beim letzten Punkt an: Die EU-Kommission hat vor anderthalb Jahren in einem Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände in Baden-Württemberg ausführlich dargelegt, dass TTIP nicht beinhaltet, über eine Liberalisierung der öffentlichen Kulturförderung zu verhandeln. Die wird weiterhin geschützt sein. Auch beim Verbraucherschutz ist es nicht so, dass wir die Verlierer wären. Derzeit ist es so, dass wir in bestimmten Bereichen in Europa ein höheres Schutzniveau als in den USA haben, das ist aber längst nicht in allen Bereichen so. Nehmen Sie den VW-Abgasskandal: Während wir hier in Europa nur in Ansätzen über Schadenersatzzahlungen diskutieren, sind diese Verfahren in den USA schon über die Bühne gegangen. Ich würde das als ein höheres Schutzniveau definieren. Das gilt beispielsweise auch für Medizinprodukte.

Und die Schiedsgerichte?

Die europäische Seite hat sich klar für einen TTIP-Gerichtshof als Alternative zu den Schiedsgerichten ausgesprochen. Aus den USA gibt es dazu zwar noch kein klares Bekenntnis, aber die Äußerungen von US-Präsident Barack Obama klangen nicht ablehnend.

Auch die Art der Verhandlungsführung wird immer wieder kritisiert. Wie entkräften Sie den Vorwurf der Geheimniskrämerei?

Es ist richtig und notwendig, dass in Verhandlungen eine gewisse Vertraulichkeit gewahrt wird, damit die Verhandlungspartner zueinander Vertrauen aufbauen können. Wenn ich sehe, wie viel die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in den vergangenen zwei Jahren für mehr Transparenz gemacht hat, kann ich nur sagen, dass der Vorwurf der Intransparenz vielleicht vorher teilweise richtig war, es aber nicht mehr ist. Wir haben jetzt die transparentesten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, die es je gegeben hat.

Und was passiert mit TTIP, wenn im Januar 2017 ein neuer US-Präsident oder eine neue US-Präsidentin im Amt sein wird. Ist es dann nicht sowieso gescheitert?

Zunächst haben wir ein Zeitfenster bis Ende des Jahres. Das heißt, wenn beide Seite wollen, könnten die Verhandlungen durchaus noch abgeschlossen werden. Das ist sportlich, aber es ist nicht so, dass die Reststrecke nicht gelaufen werden könnte. Wenn nicht, ist es entscheidend, wer Präsident in den USA wird. Sollte es Trump werden, bin ich auch sehr skeptisch, was die Zukunft von TTIP angeht.