Politgröße
Lokale Themen müssen online wie offline diskutiert werden
Politik / Lesedauer: 5 min

Früher ist das so gewesen: Vor wichtigen Wahlen haben sich Kommunalpolitiker des Samstags auf den Marktplatz gestellt und sich mit potenziellen Wählern unterhalten. So weit, so unzureichend in der heutigen Zeit. Menschen wollen lokale Politgrößen rund um die Uhr ansprechen können, auf digitalen Kanälen, die Kommunikation soll unmittelbar sein, direkt sein. Oder? Yannick Dillinger hat mit Politikberater Martin Fuchs über das Thema „Soziale Netzwerke und Kommunalpolitik“ gesprochen.
Herr
Soziale Medien sind kein Muss für einen Kommunalpolitiker. Viele Politiker erreichen ihre Wähler auch auf ganz traditionellen Wegen, vielleicht in manch einer Kommune aktuell noch besser als über das Internet. Doch das wird sich ändern. Was ich allgemein nicht mehr hören kann, ist der Satz: „Ach, das ist doch unwichtig.“
Sollten künftig also auch ältere Kommunalpolitiker bei Social Media aktiv sein?
Die Nutzung von Social Media hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich kenne viele junge Politiker, die es falsch nutzen, und wiederum ältere Semester, die sehr engagiert und euphorisch dabei sind. Viel wichtiger ist die Lust und Motivation auf Dialog und das Verständnis der Kultur hinter den sozialen Netzwerken.
Wieso ist es denn so wichtig für Politiker, Netzkompetenz aufzubauen?
Jeder Politiker sollte sich klar sein, dass die Bürger über ihn und seine Themen sprechen - egal ob er soziale Netzwerke aktiv oder passiv nutzt. Er ist also schon präsent, auch wenn er selber nicht dabei ist. Für junge, unbekannte Kandidaten bieten soziale Netzwerke sehr gute Chancen, um sich bekannt zu machen und Reichweite für sich aufzubauen. Bestes Beispiel ist der Wahlsieg von Florian Janick in Erlangen , der unter anderem mit einem engagierten Netzwahlkampf den etablierten Bürgermeister besiegt hat.
Heißt: Kommunalpolitiker können messbar von ihrem Engagement in sozialen Netzwerken profitieren?
Absolut, ja. Das fängt an bei den ganz einfachen Möglichkeiten, sich und seine Positionen im Netz umfänglich zu präsentieren. Politiker benötigen kein technisches Wissen und viel Geld für eine Webseite, ein Blog ist schnell aufgesetzt, ein Wikipedia-Artikel ergänzt oder Informationen auf Facebook eingestellt. Zudem können Politiker einfach Dialog aufbauen zu ihren potentiellen Wählern und Unterstützern und diese in die Ratsarbeit ein- und somit an sich binden. Und was gerne vergessen wird: Social Media ist ein perfektes Meinungsforschungs-Instrument. Ohne teure Telefonumfragen können Politiker so dem Volk „aufs Maul schauen“ und mitbekommen, welche Themen die Leute interessieren. Neben der aktiven Nutzung ist also auch ein gut aufgesetztes Monitoring fast schon ein Muss.
Facebook oder
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Jeder Politiker tickt anders und hat andere Vorlieben. Wichtig ist zu wissen, wen sie über die sozialen Netzwerke erreichen wollen und mit welchen Themen? Wenn sie diese strategischen Überlegungen gemacht haben, müssen sie entscheiden, auf welchem Kanal sie die Ziele am besten erreichen. Auf Twitter sind eher politisch interessierte Multiplikatoren unterwegs, auf Facebook die breite Masse. Auf Seniorbook andere Bürger, als auf Spotify oder Instragram.
Werden kommunale Themen denn überhaupt bei Twitter und Facebook diskutiert?
Definitiv. Gerade lokale Themen sind die Themen, die viele Bürger am meisten interessieren, weil sie vor der Haustür stattfinden und die Leute auch am meisten betreffen. Ob am Ende Facebook oder Twitter der richtige Kanal ist, das hängt vom Thema und der Zielgruppe ab. Vielleicht ist ein Blog, ein tumblr oder ein YouTube-Kanal manchmal geeigneter für die Diskussion zu bestimmten Themen - oder auch der Marktplatz. Lokale Themen sollten sowohl on- wie offline diskutiert werden, um möglichst alle Bevölkerungsgruppen einzubinden.
Kann ein schlecht gepflegter Auftritt in sozialen Netzwerken schlimmer sein, als keinen zu haben?
Auf jeden Fall. Ein schlecht gepflegter Online-Auftritt kommt beim Bürger so an, als hätte der Politiker keinen Respekt vor dem Bürger und seinem Informationsinteresse. Wenn Politiker keine Zeit für oder Lust auf einen gut gemachten Online-Auftritt haben, sollten sie es lieber lassen und nur grundlegende Informationen zu sich und ihren Positionen ins Netz stellen, die nicht oft geändert werden müssen. Aber ein anderthalb Jahre alter Artikel als neuester Beitrag unter „Aktuelles“ schafft eher Verdruss beim Wähler.
Wie schlagen sich Kommunalpolitiker denn Ihrer Erfahrung nach in sozialen Netzwerken?
Es gibt in Deutschland weit über 100.000 kommunale Mandatsträger, da ist natürlich alles dabei: vom sehr aktiven Bürgermeisterblogger und Hangout-Nutzer bis zum Politiker aus dem Gemeinderat, von dem man noch nicht mal den Namen auf der Seite der Gemeinde findet und der auch sonst unsichtbar im Netz ist. Ich habe aber das Gefühl, dass gerade in den aktuellen Wahlkämpfen sehr viele Kandidaten soziale Netzwerke für sich entdeckt haben.
Welche Tipps und Tricks haben Sie denn für den Umgang mit Social Media?
Wichtig ist: Seien sie authentisch, wagen Sie sich in Dialoge, haben Sie keine Angst vor Fehlern oder sogenannten „Shitstorms“ und probieren Sie auch mal was aus. Social Media funktioniert über „Versuch und Irrtum“ (Trial and Error) - es gibt keine Blaupause für die erfolgreiche Nutzung. Jede Gemeinde und jeder Politiker ist anders. Lassen Sie sich inspirieren von anderen. Und ganz wichtig: Erstellen Sie eine Social-Media-Strategie beziehungsweise eine Kommunikationsstrategie, bevor Sie loslegen.