Politik

Korruptionsskandal ohne Folgen? Eva Kaili wieder in Brüssel

Brüssel / Lesedauer: 3 min

Die wegen Verdacht auf Bestechung verhaftete EU–Abgeordnete Eva Kaili ist wieder in Brüssel. Die EU hat nach ihrem bislang größten Korruptionsskandal noch viel Arbeit.
Veröffentlicht:08.06.2023, 19:00

Von:
  • Daniela Weingärtner
Artikel teilen:

Die Mitarbeiter im Agrarausschuss des Europaparlaments trauten Ende Mai ihren Augen kaum. Als wäre nie etwas gewesen, saß der belgische Sozialist Marc Tarabella unter den Abgeordneten und steuerte sogar einen kurzen Redebeitrag bei. Kurz zuvor hatte die Polizei seinen Hausarrest beendet.

Vor wenigen Tagen meldete sich auch Eva Kaili zurück — die griechische Abgeordnete, in deren Apartment vor ziemlich genau sechs Monaten ein Geldkoffer gefunden worden war und die daraufhin monatelang in Untersuchungshaft saß. Die Haftgründe seien nun entfallen, teilte die belgische Polizei lapidar mit. Auch der Hausarrest ist inzwischen aufgehoben. Sie werde ebenfalls ins Parlament zurückkehren und untersuchen lassen, ob ihre Rechte als Abgeordnete verletzt worden seien, so Kaili kürzlich.

Darum wurden sie verhaftet

Beide Parlamentarier sind ebenso wie ihr Kollege Andrea Cozzolino in den größten Korruptionsskandal verwickelt, den das Europaparlament je erlebt hat. Rechtskräftig verurteilt wurde bislang niemand, doch Bestechungsgelder im Wert von 1,5 Millionen Euro wurden mittlerweile aufgespürt. Sie sollen von den Regierungen Qatars und Marokkos gezahlt worden sein. Angeblich wollte Marokko die Gesetzgebung über Fischereirechte zu seinen Gunsten beeinflussen. Qatar ging es darum, die Fußballweltmeisterschaft an Land zu ziehen und dafür möglichst viele Entscheidungsträger gewogen zu stimmen.

Während ihrer mehrmonatigen Haft und danach im Hausarrest schwieg Kaili zu den Vorwürfen. Seit sie aber wieder in Freiheit ist, gibt sie bereitwillig Interviews und verbreitet ihre eigene Version der Geschichte. Darin ist sie die Kämpferin für Recht und Moral, die von bösen Mächten verfolgt wird. Als Vorsitzende des „Pegasus“-Untersuchungsausschusses, der die Nutzung von Spyware durch Regierungen unter die Lupe nimmt, sei sie ins Visier der belgischen Polizei geraten.

Falsche Lehren gezogen?

Ihr Rechtsanwalt habe in den Akten Hinweise darauf gefunden, dass belgische Geheimdienste Mitglieder des Ausschusses überwacht hätten, so Kaili ebenso düster wie unkonkret in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere Della Sera“. „Die Tatsache, dass gewählte Parlamentsangehörige von Geheimdiensten abgehört werden, sollte uns um die Gesundheit unserer Europäischen Demokratie besorgt machen. Das ist der wahre Skandal“, so die ehemalige Fernsehmoderatorin.

Die Nichtregierungsorganisationen „Transparency International“ und LobbyControl bescheinigen nach sechs Monaten Qatargate den beteiligten Institutionen Unfähigkeit, aus den Vorgängen die richtigen Lehren zu ziehen. Zwar habe Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sofort einen Reformplan vorgelegt, der sei aber verwässert worden — unter anderem von eigenen Parteifreunden der konservativen Politikerin, so Nina Katzemich von LobbyControl. Nun gingen die Abgeordneten sogar zum Angriff über, indem sie darauf hinwiesen, dass eine NGO als Tarnorganisation für die Betrügereien genutzt worden sei.

Gemeint ist die „Organisation gegen Straflosigkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ des ehemaligen Italienischen Abgeordneten Pier Antonio Panzeri. Er gilt als Drahtzieher des Qatargate–Skandals und hat mittlerweile eine Kronzeugenregelung mit der belgischen Polizei vereinbart.

Kritik am neuen Ethikgremium

Die Lobby–Kontrolleure fürchten, dass Lehren aus dem Skandal ausbleiben werden. Das gestern von der EU–Kommission vorgeschlagene Ethik–Gremium halten sie für zahnlos. Der Arbeitsauftrag des Gremiums sei sehr unkonkret.

Seit Jahren weise man darauf hin, dass das Lobbyregister des Parlaments, in dem sich Besucher registrieren müssen, lückenhaft und teilweise unkorrekt sei. Große Lobbyfirmen tarnten sich hinter kleinen Anwaltskanzleien, andere ließen Großkunden wie den saudischen Staat einfach unter den Tisch fallen. Diese Missstände könne ein Ethikgremium ohne Recherche– und Sanktionsmöglichkeiten nicht beheben, so die Kritiker von LobbyControl.