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Kleiner Sieg in großer Niederlage für Dilma Rousseff

Politik / Lesedauer: 3 min

Senat stimmt dem Impeachment gegen Staatschefin zu – Sie darf aber weiter politische Ämter ausüben
Veröffentlicht:31.08.2016, 20:55

Von:
  • Schwäbische.de
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Gegen 13.30 Uhr am Mittwoch war alles vorbei für Dilma Rousseff. Auf der Anzeigetafel im Senat in Brasilia leuchtete das Ergebnis auf: 61 Senatoren und Senatorinnen stimmten für die Amtsenthebung der linken Präsidentin. 20 waren dagegen. Es war ein noch deutlicheres Ergebnis, als es Analysten vorhergesehen hatten. Rousseff nahm ihre Absetzung mit steinerner Mine zur Kenntnis.

Die Abstimmung setzt einem monatelangen, unendlich zähen und teils fragwürdigen Verfahren ein Ende. Rousseff war im Mai von der Abgeordnetenkammer suspendiert worden, weil ihr Haushaltstricksereien vorgeworfen wurden. Seitdem führte ihr ehemaliger Vize-Präsident Michel Temer die Geschäfte Brasiliens mehr schlecht als recht.

Der konservative Politiker wird zum vollwertigen Staatschef vereidigt und führt Rousseffs Mandat bis Ende 2018 weiter. Dem 75 Jahre alten Temer obliegt es nun in erster Linie, die wirtschaftlichen Probleme im größten Land Lateinamerikas zu lösen. Das Bruttoinlandsprodukt Brasiliens schrumpfte im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent. Ein Grund für die Krise ist auch der Verfall der Rohstoffpreise.

Der letzte Akt des Impeachment-Verfahrens zog sich am Mittwoch noch einmal zäh dahin. Nachdem sich Gegner und Anhänger von Rousseff am Morgen letzte VerbalScharmützel im Senat lieferten, erreichten ihre Anhänger, dass das Absetzungsverfahren getrennt wurde von der Frage, ob sie in den kommenden acht Jahren für alle politischen Ämter gesperrt wird. Dies blieb Rousseff am Ende erspart.

Amtsenthebung als Putsch

Sie kann künftig weiterhin politische Funktionen wahrnehmen und sich zur Wahl stellen. Das ist ein kleiner Sieg in einer großen Niederlage für die 68-jährige Ex-Präsidentin der Arbeiterpartei PT. Rousseff und die PT haben das Impeachment immer als einen Putsch betrachtet, der darauf ziele, eine Veränderung in der Politik des Landes zu erreichen. „Vom Tag meiner Wiederwahl wurde meine Regierung destabilisiert“, sagte Rousseff am Montag in ihrer Verteidigungsrede vor dem Senat.

Tatsächlich steht Brasilien nach 13 Jahren einer linksliberalen bis linken Politik vor einer drastischen konservativen Korrektur. Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Elf Millionen Menschen sind ohne Job. Reformen sind überfällig, da in den vergangenen zwei Jahren keine Politik mehr gemacht wurde, weil sich die Politik nur mit sich selbst und dem Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras beschäftigt hat.

Temer, der als Übergangspräsident seit Mai fast untätig blieb, hat seine Prioritäten klar benannt: Konsolidierung des Haushalts, um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen und die Ankurbelung der Wirtschaft sowie der Verkauf von Staatseigentum. Flughäfen und Gefängnisse sollen privatisiert werden. Auch im großen Ölsektor wird vermutlich entstaatlicht werden.

Zu der Zukunft der früheren Sozialprogramme hat sich der neue Präsident widersprüchlich geäußert. Mal hieß es, er wolle sie abschaffen, mal sagte er, er wolle sie neu auflegen. Mit den Programmen zur Armuts- und Hungerbekämpfung gelang es den linken Regierungen in den vergangenen 13 Jahren, Millionen Menschen in die Mittelklasse zu hieven. Die Regierungen von Rousseff und ihrem Vorgänger Lula da Silva wurden dafür weltweit gelobt.