Austrittsvertrag
Die EU muss den Briten nicht entgegenkommen
London / Lesedauer: 2 min

Hätten sich nur 1,9 Prozent der Briten im Juni 2016 anders entschieden, was wäre den restlichen EU-Ländern erspart geblieben: zähe Verhandlungen über einen Austrittsvertrag mit Großbritannien, das absurde Polittheater im britischen Unterhaus, eine Regierungschefin, die keine Mehrheiten organisieren kann, aber hartnäckig im Amt bleibt. Aber das ist noch längst nicht alles: der Nordirland-Konflikt, der wieder aufflammen könnte, die wirtschaftlichen Turbulenzen, die nicht nur das Königreich betreffen, die unsicheren Zukunftsperspektiven von Zehntausenden EU-Bürgern in Großbritannien – all diese Unwägbarkeiten haben die Briten ohne Not mit ihrem Votum verschuldet. Ryanair-Chef Michael O’Leary hat den Brexit als „die dümmste Idee seit 100 Jahren“ bezeichnet. Recht hat er.
Deshalb ist es richtig, wenn die Mitgliedsstaaten um kein Jota von ihrem Kurs in der Brexit-Debatte abweichen. Die Briten haben allein mit ihrer Entscheidung pro Austritt dem Ansehen der Europäischen Union weltweit geschadet. Wenn die EU nun nachverhandeln würde, um einen harten Brexit zu vermeiden, wäre dies tatsächlich ein Zeichen der Schwäche. Und es wäre zugleich eine Einladung an andere wankelmütige Mitgliedsländer, dem Beispiel der Briten zu folgen und Brüssel bei jeder Gelegenheit herauszufordern. Jetzt hingegen ist die Botschaft klar: Wer die Europäischen Union verlässt, wird fürderhin nicht als Rosinenpicker am Rande der Gemeinschaft geduldet. Punkt.
Der Weg aus diesem Schlamassel könnte für die Briten ein zweites Referendum sein. Natürlich würden Kritiker entgegenhalten, dass es unlauter ist, so lange abstimmen zu lassen, bis die gewünschten Ergebnisse erzielt werden. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn den Wenigsten dürfte 2016 klar gewesen sein, welche Folgen ihr Votum haben wird. Und wenn, praktisch betrachtet, durch eine zweite Abstimmung verhindert werden könnte, dass die junge Generation in Großbritannien für einen Fehler der älteren bezahlt, wäre dies auch schon ein Erfolg.