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Jesiden und Christen im Nordirak brauchen weiter Hilfe

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Vertrauen in die Regierung schwindet – Minderheiten wünschen sich stabilere Sicherheitslage
Veröffentlicht:24.11.2019, 06:00

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Hilfe für Jesiden und Christen im Nordirak wird noch auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte notwendig sein: Das berichten Experten, die sich mit der Situation der religiösen Minderheiten vor allem in der autonomen Region Kurdistan beschäftigen. Irene Mundel aus dem baden-württembergischen Staatsministerium, der Tuttlinger Bundestagsabgeordnete Volker Kauder (CDU), der Psychologe Jan Ilhan Kizilhan und der NRW-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel (SPD) kennen die Situation in Kurdistan seit Langem.

Nach dem Überfall der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 hatten Hunderttausende Jesiden und Christen ihre Heimat im Shingal-Gebirge und in der Ninive-Ebene verlassen müssen. Bis heute leben etwa 600 000 Menschen in Kurdistan in Flüchtlingscamps, viele von ihnen in Zelten. Berichte, dass Christen in die Ninive-Ebene zurückkehren, bezeichnet Kauder als falsch. Der Irak sei nicht stabil: „Die Regierung in Bagdad kümmert sich nicht um Kurdistan.“

Seit dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien im Oktober kommen zusätzliche kurdische Flüchtlinge in Nordirak an. Jan Ilhan Kizilhan , der in der nordirakischen Provinzhauptstadt Dohuk ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie aufbaut, berichtet, dass der IS weiter landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand steckt: „Außerdem sind IS-Aktivisten als sogenannte ,Schläfer‘ in den Camps unterwegs.“

Serdar Yüksel, der sich neben seiner politischen Arbeit im „Flüchtlingsdorf NRW“ für Jesiden in den Camps Mam Rashan und Sheikhan engagiert, ist der Meinung, dass die Hilfe für Kurdistan „weg von der Akuthilfe und hin zu langfristig angelegten Investitionen gestaltet werden muss“.

Auch in der Weihnachtsspendenaktion „Helfen bringt Freude“ der „Schwäbischen Zeitung“, die am Samstag startete, wird für diese Camps gesammelt. Yüksel sagte, Voraussetzung für langfristige Hilfe sei die Stabilisierung der Sicherheitslage in weiten Teilen des Iraks. Dieser Meinung ist auch Volker Kauder. Er ergänzt: „Es gibt genug Geld, aber keine Sicherheit.“

Vor allem die Christen und die Jesiden hätten das Vertrauen in die Regierung der autonomen Region Kurdistan verloren, sind sich die Experten einig. Die kurdische Armee, die Peschmerga, hätte beim Überfall des IS die religiösen Minderheiten im Stich gelassen. Darum sei jetzt politischer Druck auf die Regierung in Erbil notwendig, sagt Kizilhan: „Nach dem Motto: ,Wir helfen euch nur, wenn ihr den Minderheiten helft’.“

Konkrete Hilfe für besonders schutzwürdige Frauen und Kinder leistet das Land Baden-Württemberg: 1000 Personen leben seit 2015 im Land. Das Projekt ist nach Angaben von Irene Mundel gelungen, das habe eine Evaluation der Universität Tübingen ergeben: „Für diese Menschen ist es eine Labsal, dass sie hier ein normales Leben führen können und dass die Kinder eine Schulausbildung bekommen können.“

Ein Sonderkontingent soll das weiteren Menschen in Zukunft ermöglichen. Volker Kauder hatte ein solches Kontingent zusammen mit der Grünen-Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und dem Bundestagsvizepräsidenten Thomas Oppermann ( SPD ) im Sommer gefordert. Vor Weihnachten ist nach Kauders Einschätzung mit ersten Ergebnissen zu rechnen.