Impfpflicht bei der Truppe
Elite-Soldat verweigert Corona-Pflichtimpfung bei Bundeswehr - mit Folgen
Politik / Lesedauer: 8 min

- Philippe Debionne
Wer sich nicht gegen Corona impfen lässt, verliert seinen Job, seine soziale Absicherung und muss unter Umständen sogar ins Gefängnis. Was klingt wie eine abenteuerliche Schwurbelei, ist für Deutsche Soldaten die bittere Realität.
Obwohl inzwischen sogar Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Pandemie für beendet erklärt und eingeräumt hat, dass die Corona–Impfung in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen hervorrufen kann, gilt in der Bundeswehr weiterhin die Impfpflicht.
Die Bundeswehr teilt dazu mit: „Wer sich nicht impfen lässt, verweigert einen Befehl. Nur individuelle medizinische Gründe können dazu führen, dass Angehörige der Streitkräfte dem Befehl zur Impfung nicht nachkommen können. Allen anderen, die eine Impfung ablehnen, droht der Ausschluss aus der Bundeswehr.“
Soldat verweigert Befehl zur Impfung
Hauptfeldwebel Eric Mühle ist einer dieser Männer. Nach zwölf Jahren im Dienst für die Bundesrepublik Deutschland kämpft er nun einen neuen Kampf: „Es geht um nicht weniger als meine Gesundheit, meine Existenz und meine Zukunft“, sagt der Soldat im Gespräch mit dem "Nordkurier".
Der 31–Jährige, der gebürtig von der Insel Rügen stammt, hat sein gesamtes bisheriges Berufsleben bei der Bundeswehr verbracht. Zwölf Jahre trug er die Uniform mit der deutschen Flagge. Sechs Jahre davon diente Mühle in einer sogenannten „spezialisierten Einheit“. Zweimal ging er mit seinen Kameradinnen und Kameraden nach Afghanistan und kämpfte dort für die Freiheit der Menschen vor Ort. In internen Bewertungen wird Mühle bescheinigt, ein Vorzeige–Soldat zu sein.
Dann kam Corona — und der Befehl, sich impfen zu lassen. Weil er findet, dass seine Gesundheit und Fitness seine Lebensversicherung in Einsätzen und auch im extrem harten Training seiner spezialisierten Einheit ist, informiert sich Mühle ausführlich über den Impfstoff sowie über mögliche Risiken — und wird nachdenklich.
Alle bekamen Corona — nur Mühle nicht
„Ich war und bin körperlich topfit, war schon als Jugendlicher Leistungssportler und gehöre somit zu keiner der vulnerablen Gruppen.“ Er sei außerdem überzeugt, dass die Impfung keinen Fremdschutz biete.
„Das alles war für mich der Anlass, über den Impfbefehl nachzudenken, mich zu informieren und mich erst mal nicht impfen zu lassen“, sagt Mühle. Seine Kameraden hingegen befolgen den Befehl, lassen sich impfen — und bekommen in der Folgezeit Corona. Alle. Nur Mühle nicht.
„Es ist ein Fakt: Ich war der einzige in meiner Einheit, der nicht geimpft war. Und zugleich der einzige, der kein Corona bekommen hat.“ Jetzt steht sein Entschluss: Der Vorzeigesoldat, der zwei Kampfeinsätze hinter sich und sein gesamtes bisheriges Leben als Erwachsener beim Militär verbracht hat, verweigert den Befehl. Mit drastischen Folgen.

Gegen ihn wurden Disziplinarmaßnahmen verhängt. Mühle beschwerte sich beim zuständigen Truppendienstgericht. Dort verweigerte man eine Entscheidung und begründet das unter anderem damit, dass die Duldung der Covid–19–Impfung „wegen möglicher erheblicher Gesundheitsgefahren für den zu impfenden Soldaten durch Impfnebenwirkungen unzumutbar“ seien.
Weiter heißt es in der Begründung: „Der Soldat muss sich nicht in ein ‚Experimentierfeld‘ mit für ihn nicht einigermaßen kalkulierbaren Ausgang begeben, wenn dadurch nicht tatsächlich, also nachweisbar, überragende Gemeinschaftsgüter geschützt werden.“ Inzwischen liegt der Fall bei einem Amtsgericht.
Mit unehrenhafter Entlassung gedroht
Zunächst denkt Mühle, der Fall sei damit erledigt — zumal das Ende seiner Dienstzeit vor der Tür steht. Sein Plan: Zum Jahreswechsel 2022/23 den aktiven Dienst beenden und sich mit dem Geld, das ihm nach seinem Dienst für die Bundesrepublik zusteht, ein Studium zu finanzieren.
Es geht dabei um das reguläre Gehalt, die bei der Bundeswehr übliche Abfindung nach Dienstende und Förderungszuschüsse für Bildungsmaßnahmen. Insgesamt eine Summe „zwischen 150.000 und 200.000 Euro“, sagt Mühle. Doch dann geht die Bundeswehr zum Angriff gegen ihren eigenen Mann über.
„Mir wurde mit einer unehrenhaften Entlassung gedroht und damit, dass man mir sämtliche Bezüge streichen werde. Auch die, die mir den Einstieg ins zivile Leben ermöglichen sollten“, sagt Mühle. Alles nur, weil er sich Ende des Jahres 2022 nicht gegen Corona impfen lassen will.
Viele andere Menschen hätten spätestens an dieser Stelle vielleicht aufgegeben, sich dem Druck gebeugt und sich trotz ihrer Bedenken impfen lassen, geht es doch um nicht weniger als die eigene Existenz. Der erfahrene Soldat Eric Mühle aber macht das, was er in zwölf Jahren Bundeswehr eben auch gelernt und gelebt hat: Er lässt sich nicht einschüchtern und stellt sich dem Kampf.
Doch es ist ein ungleicher Kampf, der sich zwischen ihm und seinem Arbeitgeber abspielt. „Die Bundeswehr hat mehr Geld, mehr Zeit und für die entscheidenden Leute steht im Gegensatz zu mir nichts auf dem Spiel“, analysiert Mühle. Und weiter: „Es geht hier ganz offenbar darum, mich kaltzustellen.“ Der Hauptfeldwebel nimmt sich einen Anwalt, er hoffe nun auf Gerechtigkeit, sagt er.
Völlige Ungewissheit, wie es weitergeht
Leicht ist das nicht: Denn aktuell bekommt Mühle im schwebenden Verfahren nur 50 Prozent seiner Bezüge, muss davon sein Leben bestreiten. Weil die Bundeswehr offiziell noch sein Arbeitgeber ist, darf er trotz seiner derzeitigen Suspendierung vom Dienst bis auf einen Mini–Job kein zusätzliches Geld verdienen. Dazu kommt die Ungewissheit, wie lange der Kampf noch dauern wird. „Aktuell kann ich meinen Einstieg ins zivile Leben schlichtweg nicht planen, ich weiß ja nicht, wann, wie und was entschieden wird“, sagt Mühle.
Womöglich könnte eine Gerichtsentscheidung aus Neustadt bei Hannover in einem ähnlich gelagerten Fall die Wende bringen. Der Rechtsanwalt Sven Lausen erstritt am 13. April 2023 vor dem dortigen Amtsgericht für einen Bundeswehr–Soldaten einen „Freispruch vom Tatvorwurf der Gehorsamsverweigerung in Bezug auf die Verweigerung der COVID–19 Injektionen“.
Das teilen der Anwalt und sein Bruder, der Datenanalyst Tom Lausen, in einem Videostatement mit.
Gericht hält Impf–Befehl für unzulässig
Zwar liegt die schriftliche Urteilsbegründung im Neustädter Fall noch nicht vor. Laut Anwalt Lausen lautet sie im Kern aber so: „Ein Befehl, der auf absoluten Gehorsam ausgerichtet ist, kann nicht von einem Freiwilligkeitsmomentum bestimmt werden. Wenn der Soldat aber vom Arzt gefragt wird, ob er es (die Impfung, Anm. d. Red.) macht oder nicht und es damit in seine eigene Entscheidung geführt wird, ist der Befehl nicht ausführbar. Befehle, sich impfen zu lassen, sind also letztendlich unzulässig.“
Zuvor hatte die zuständige Truppenärztin vor Gericht ausgesagt, dass „immer gefragt worden sei, ob der Soldat dazu (zur Impfung, Anm, der Red.) bereit sei oder eben nicht“. Der Richter habe daraufhin wissen wollen, ob die Ärztin dem jeweiligen Soldaten die Impfung zwangsweise auch dann verabreicht habe, wenn er Bedenken geäußert habe oder unsicher gewesen sei. Das verneinte die Ärztin, das habe sie selbstverständlich nicht gemacht. Eine Zwangsimpfung dürfe sie nicht vornehmen, das sei eine Körperverletzung.
Daher habe der Richter keine Grundlage für eine Verurteilung gesehen, auch der zuständige Oberstaatsanwalt forderte schließlich den Freispruch des Angeklagten. Nach Angaben des Juristen Sven Lausen sei „dieser Freispruch besonders, denn ab sofort sind jegliche Strafverfahren, Freiheitsstrafen, Geldstrafen gegen Soldaten, die sich nicht haben injizieren lassen, ungültig“. Möglicherweise müssten auch „bereits ausgesprochene Freiheitsstrafen nachträglich aufgehoben und Geldstrafen zurückgezahlt werden.“
Ob das Urteil auch im Fall Eric Mühle Konsequenzen haben wird, ist noch unklar. Darauf verlassen oder über das Urteil freuen will der Mann sich jedenfalls nicht. Zu vieles sei in den letzten Monaten passiert, da habe er keinen Platz für Euphorie über Dinge, die noch nicht klar seien — „aber natürlich wünsche ich dem Kameraden von Herzen, dass das Urteil in seinem Fall rechtskräftig wird und er seinen Kampf damit gewonnen hat, das ist doch klar“.
Impfpflicht wird wohl nicht so schnell aufgehoben
Auch die Forderungen von Politikern der Linken und der AfD nach einer sofortigen Aufhebung der Impfpflicht bei der Bundeswehr seien „vielleicht gut gemeint, aber es sind eben auch nur Forderungen von Politikern“, sagt Mühle.
Tatsächlich wies die Bundeswehr die Forderungen bereits zurück und teilte nach Angaben der „Welt“ mit, es bestehe derzeit kein Grund, etwas an der Duldungspflicht der Corona–Impfung in der Bundeswehr zu ändern.
Und auf der offiziellen Internetseite des Bundeswehr (Stand: 19. April 2023) heißt es in diesem Zusammenhang: „Die Impfung ist sicher und hat sich bewährt. Allein der Blick auf die verimpften Dosen in Deutschland ist ein Beleg für deren Sicherheit und Wirkung. Sogar der unüberlegte Griff zur Kopfschmerztablette kann durchaus schlimmere Nebenwirkungen als die Impfung hervorrufen.“
Für Eric Mühle bedeutet das: „Solange ich kein Schriftstück in der Hand halte, dass mich als Soldat und als Mensch vollständig rehabilitiert und mir all meine Rechte zurückgibt, solange kann und will ich mich nicht über Urteile, Ankündigungen oder politische Forderungen freuen.“
Für ihn, sagt der Elitesoldat, sei nur eines wirklich klar: „Ich werde auch im zivilen Leben ein erfolgreicher Mann werden, auch wenn es dauern wird und auch wenn der Weg noch so steinig sein mag. Aber das wird niemand verhindern. Auch nicht die Bundeswehr.“