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Pestizidbericht

Hauk giftet gegen Pestizidbericht

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Haben die Baden-Württemberger ein Recht darauf, zu erfahren, wieviel Pflanzengift Landwirte einsetzen? Nicht wirklich, sagt Verbraucherschutzminister Peter Hauk.
Veröffentlicht:22.03.2018, 19:51

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Der Naturschutzbund (Nabu) hat am Donnerstag in Stuttgart den ersten Pestizidbericht für Baden-Württemberg vorgelegt. Auf dessen Basis fordern die Naturschützer, bis 2025 rund die Hälfte der Pflanzenschutzmittel einzusparen. Die Pestizide sind laut Nabu auch am massiven Insektensterben mitschuldig. Wissenschaftler hatten Ende vergangenen Jahres nach Auswertung einer jahrzehntelangen Studie Alarm geschlagen.

Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) zeigte sich am Rande der Pressekonferenz wenig begeistert von diesem Bericht. „Das ist Mobbing gegen die Landwirtschaft und ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich, wenn kleine Betriebe deswegen kaputt gehen“, sagte er erbost zum Nabu-Landesvorsitzenden Johannes Enssle und dem Nabu-Landwirtschaftsreferenten Jochen Goedecke, die den Bericht präsentiert hatten. Dann marschierte er davon. „Jetzt haben wir ihn wohl erreicht“, meinte daraufhin Enssle feixend.

Es sei nicht nachzuweisen, ob das Insektensterben tatsächlich etwas mit der Landwirtschaft und den eingesetzten Pestiziden zu tun habe, sagte Hauk vor seinem Abgang. „Das Phänomen tritt überall auf, egal, ob und in welcher Form dort Landwirtschaft betrieben wird“, so der Minister. Er verwies außerdem auf das bereits angelaufene Sonderprogramm der Landesregierung – 36 Millionen Euro sollen eingesetzt werden, um das Massensterben zu verhindern und Erkenntnisse zu liefern. „Wir kennen die Zusammenhänge nicht und solange das so ist und es keine Fakten gibt, bringen uns Mutmaßungen gar nichts“, betonte Hauk.

Messbare Ziele gefordert

Landes-Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ist allerdings bereits jetzt überzeugt und sieht die Mitschuld am Insektensterben klar bei den Pestiziden. Für Maßnahmen der Regierung stelle der Bericht des Nabu einen wertvollen Beitrag dar, schrieb er in einer Pressemitteilung.

Der Nabu fordert vor allem messbare Ziele: „Die Daten, wie viele Pestizide eingesetzt werden, haben die Landwirte dokumentiert. Es wäre einfach, sie auszuwerten“, sagte Enssle . Was noch fehle sei eine zentrale Stelle, an der alle Daten anonym zusammenlaufen würden. Damit hätte man einen genauen Überblick über die Menge der in Deutschland verwendeten Pflanzenschutzmittel, so Enssle.

Das geht die Bevölkerung nichts an

Hauk sieht darin allerdings keine Notwendigkeit. Es gehe die Bevölkerung nichts an, was die Landwirte für Mittel benutzen. Auf deren Land könnten sie machen, was sie wollten – im Rahmen des Gesetzes. „Es geht außerdem um Mittel, die die Pflanzen schützen“, stellte er klar. Gemessen werde schlussendlich, wie viel Belastung ins Grundwasser gehe und in die Lebensmittel. „Die sind nicht zu beanstanden. Da muss sich keiner Sorgen machen, dass er vergiftet wird“, so Hauk.

Bislang würde nur ein Teil der Betriebe erfasst. Warum, das erklärt Marco Eberle, Fachreferent vom Landesbauernverband, mit dem Argument der Stichprobe. „Das reicht aus. Für alle verpflichtend wäre das ein riesiger bürokratischer Aufwand“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Die Stichproben seien in Ordnung, es bestehe also kein Grund, alle Landwirte zu kontrollieren.

Für den Pestizidbericht des Nabu haben die Umweltschützer öffentlich zugängliche Zahlen von 1300 Betrieben, die über das gesamte Bundesgebiet verstreut sind, ausgewertet. „Wir haben das dann auf die Betriebsstruktur für Baden-Württemberg heruntergerechnet“, erklärte Goedecke das Verfahren. Daraus ergebe sich ein Wert von 2300 Tonnen Pestizide – neun Prozent der Gesamtmenge in Deutschland.

Die Reduktion soll laut Nabu über etablierte, pestizidarme Verfahren erfolgen: Das mechanische Entfernen von Unkräutern, verschiedene Anbaureihenfolgen, Wildblumenbeete in Feldern oder die Kombination mehrerer Verfahren. Damit könnten laut Enssle Pestizide um rund 60Prozent verringert werden.

Eine Reduktion um 50 Prozent sah Eberle allerdings bereits kritisch. „Wenn Schutzmittel weggelassen werden, bedeutet das immer einen Ertragsverlust. Damit wird mehr Fläche benötigt, denn die Nachfrage bleibt“, resümierte er. Das Ziel wäre nur möglich, wenn gleichzeitig auch die Nachfrage zurückgeschraubt würde.