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Getrübte Freundschaft

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Zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags erwartet der französische Präsident Emmanuel Macron eine Geste aus Berlin, kommentiert Christine Longin.
Veröffentlicht:20.01.2023, 01:00

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Die Gewichte in Europa haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges Richtung Osten verschoben. Für Deutschland führte das dazu, seinen langjährigen Partner im Westen sträflich zu vernachlässigen. In der europapolitischen Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz in Prag kam Frankreich kaum vor. Eine Tatsache, die in Paris verständlicherweise für Verstimmung sorgte. In seiner Ansprache an der Sorbonne 2017 hatte Macron Deutschland einen großen Platz eingeräumt und seinen Text sogar vorab von Bundeskanzlerin Angela Merkel lesen lassen.

Doch während Merkel und Macron jahrelang eng zusammenarbeiteten, ist Scholz ein Einzelgänger. Der „Doppelwumms“, mit dem er die hohen Energiekosten abfedern will, wurde nicht mit dem Nachbarn besprochen. Auch bei der „Zeitenwende“ in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielt Frankreich nur eine Nebenrolle. Die neuen Kampfflugzeuge für die Bundeswehr sollen ebenso aus den USA kommen wie Bestandteile der Raketenabwehr, die Scholz mit anderen EU-Staaten schaffen will – ohne Frankreich. Deutsch-französische Rüstungsprojekte kommen dagegen kaum vom Fleck.

Deutschland isoliere sich, warnte Macron im Herbst. Sein Groll war so groß, dass er den deutsch-französischen Ministerrat absagte. Ein Paukenschlag. Erst als Scholz und mehrere Minister nach Paris eilten, besserte sich die Stimmung. Macron scheint dem Bundeskanzler aber immer noch zu misstrauen. Dabei brauchen Deutschland und Frankreich einander, wenn sie in Europa etwas bewegen wollen. Die Nachbarländer sind nach wie vor der entscheidende Block im Herzen Europas. Macron braucht von Scholz eine Geste der Freundschaft. Die Feier des 60. Jahrestags des Elysée-Vertrags am Sonntag ist der perfekte Anlass dafür.