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Geschlechtswechsel auf dem Standesamt: Eine Erklärung soll künftig genügen

Berlin / Lesedauer: 5 min

Für Trans–Personen soll die Änderung des Geschlechtseintrags einfacher werden. Doch das geplante Selbstbestimmungsgesetz ist umstritten.
Veröffentlicht:23.04.2023, 17:00

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Es ist eines der Projekte, das die Ampel zusammenschweißen könnte: Das neue Selbstbestimmungsgesetz, das demnächst kommen soll. Justiz– und Familienministerium haben das Vorhaben vorangetrieben. Das Wort Selbstbestimmung zielt auf die geschlechtliche Identität von Menschen ab. Künftig soll es möglich sein, den Vornamen und den Geschlechtseintrag im Pass durch eine einfache Erklärung auf dem Standesamt ändern zu lassen. In der Praxis ist dieses Vorhaben mit strittigen Fragen verbunden. Unionspolitiker kritisierten in einem Brief an die Bundestagsfraktion den „extremen und pauschalen Ansatz“ der Ampel. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Gesetzentwurf.

Was plant die Ampel–Koalition für transsexuelle Menschen?

Für Menschen, die sich nicht mit den geschlechtlichen Merkmalen ihres Körpers identifizieren, soll es einfacher werden, das Geschlecht zu wechseln. Laut einem Eckpunktepapier, das Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im vergangenen Juni vorgestellt haben, sollen künftig der Geschlechtseintrag und der Vornamen „in einem einfachen Verfahren vor dem Standesamt“ geändert werden können.

Die bisherigen Vorgaben, geregelt im Transsexuellengesetz, wären dann Geschichte. Allerdings lässt der Gesetzentwurf, der noch vor der Sommerpause beschlossen sein sollte, auf sich warten. Er werde aber in Kürze vorgestellt, teilten Justizministerium und Familienministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ mit.

Warum soll die bisherige Gesetzgebung verändert werden?

Die Ampel–Parteien haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Transsexuellengesetz, das aus den 1980er–Jahren stammt, abzuschaffen. Aus ihrer Sicht achtet es das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen nicht ausreichend. Bislang entscheiden Richter und Gutachter darüber, ob Transsexuelle ihren Geschlechtseintrag ändern dürfen. Die Kosten für das Verfahren trägt der Antragsteller. Interessenvertretungen wie der Bundesverband Trans oder der Lesben– und Schwulenverband sehen in dem bisherigen Prozedere eine Diskriminierung.

Sie fühlen sich gestärkt durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts, das in den vergangenen Jahren bestimmte Auflagen für Trans–Personen, die ihr Geschlecht ändern wollten, als verfassungswidrig verworfen hat. So mussten sich bis 2011 Trans–Personen sterilisieren und geschlechtsangleichend operieren lassen. Politiker der Union befürworten in einem Brief an ihre Fraktion zwar eine Reform des Transsexuellengesetzes, schlagen allerdings vor, an zwei verpflichtenden Beratungsterminen für Erwachsene vor der Änderung festzuhalten.

Welche Regelungen sind für Kinder und Jugendliche, die ihr Geschlecht ändern wollen, geplant?

Aus den Eckpunkten geht hervor, dass bei Kindern bis 14 Jahren die Sorgeberechtigten eine entsprechende Erklärung abgeben können. Wenn Jugendliche älter als 14 Jahre sind, können sie ihren Geschlechtsstand per Erklärung beim Standesamt selbst ändern lassen, wenn ihre Eltern zustimmen. Sollte dies nicht der Fall sein, kann das Familiengericht „orientiert am Kindeswohl (…) die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen“, wie es in dem Papier von 2022 heißt.

Um medizinische Anpassungen geht es dabei nicht. Der CDU–Politiker Christoph de Vries sieht dennoch „einen erheblichen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern“, wie die Deutsche Presse–Agentur berichtete. Unionspolitiker plädieren dafür, bei Minderjährigen an der bisherigen Rechtslage, festzuhalten. Bislang müssen jugendliche Transsexuelle, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollen, den Antrag zusammen mit den Sorgeberechtigten bei Gericht stellen — und mit zwei Gutachtern sprechen.

In welchen zeitlichen Abständen kann das Geschlecht gewechselt werden?

Laut Eckpunktepapier ist eine Frist von einem Jahr geplant, bis erneut eine Änderung beantragt werden kann. Aber auch in dieser Festlegung steckt Konfliktpotenzial, weil die Dauer bei juristischen Entscheidungen durchaus eine Rolle spielt. Mit der Vorgabe einer Jahresfrist wollen die beteiligten Ministerien sicherstellen, dass Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags nicht leichtfertig gestellt werden. In der Praxis könnte daraus auch ein Schutz vor Missbrauch der geplanten Gesetzesänderung resultieren. Kritiker sehen es ohnehin mit Skepsis, sollten Trans–Frauen Zugang zu besonders geschützten Räumen für Frauen oder zu Quotenplätzen haben.

Was ist mit Frauensaunen und Frauenhäusern?

Im Detail sind diese Fragen noch offen, da der Gesetzentwurf ja noch nicht vorliegt. „Missbrauch soll und muss verhindert werden“, fordert Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin der SPD–Fraktion und Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Aalen–Heidenheim. Das Selbstbestimmungsgesetz dürfe in „keinem Konkurrenzverhältnis zu Fraueninteressen und dem Schutz für Mädchen und Frauen und deren Schutzräumen“ stehen.

In einem Interview mit der „Zeit“ hatte Justizminister Buschmann angekündigt, dass die Betreiber von Saunen auch künftig den Einlass ihrer Kunden „an die äußere Erscheinung eines Menschen“ knüpfen könnten — ohne mit einer Klage rechnen zu müssen. Laut Deutschem Sauna–Bund ist die Rechtlage im Prinzip „recht einfach“. „Es kommt auf das Geschlecht an“, sagt Carsten Sonnenberg, Präsident des Sauna–Bunds, der „Schwäbischen Zeitung“. Damit meint er die „primären Geschlechtsmerkmale“ eines potenziellen Sauna–Besuchers. Juristisch formuliert seien sie ein „Sachgrund“, der es den Betreibern ermöglichen würde, Trans–Frauen ohne geschlechtsangleichende Operationen den Zutritt zu Frauensaunen zu verwehren — ohne sie zu dabei diskriminieren.

Wie reagieren Frauenhäuser auf das geplante Selbstbestimmungsgesetz?

Entspannt. „Trans–Frauen finden schon seit vielen Jahren immer wieder Schutz in Frauenhäusern. Das ist also kein Szenario, das durch das Gesetz neu im Raum steht“, teilt Elisabeth Oberthür, Referentin Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Frauenhauskoordinierung, mit. Die Vorstellung, dass sich jemand spontan zur Frau erkläre und dann ungehindert in ein Frauenhaus spazieren könne, gehe „weit an den praktischen Gegebenheiten von Frauenhäusern vorbei“.

Denn niemand bekomme allein aufgrund des weiblichen Geschlechts Zugang zu einem Frauenhaus, sondern Fachkräfte entschieden vor Ort in jedem Einzelfall — mit Blick auf das aktuelle Schutzbedürfnis und beispielsweise den räumlichen Möglichkeiten. Ein Platz im Frauenhaus sei auch nicht „einfach qua Geschlecht einklagbar“, so Oberthür. Ein derartiger Rechtsanspruch bestehe in Deutschland nicht.