Kaputte Produkte
Auch nach der Garantiefrist: EU-Bürger sollen Recht auf Reparatur bekommen
Politik / Lesedauer: 5 min

Ulrich Mendelin
Jeder Verbraucher kennt die gesetzliche Gewährleistung: Geht ein Toaster, ein Mobiltelefon oder auch die Waschmaschine innerhalb von zwei Jahren kaputt, hat der Käufer Anspruch auf Reparatur oder Ersatz. Für die Zeit danach können die Hersteller eine Garantie geben - sie müssen es aber nicht.
Der baden-württembergische SPD-Europaabgeordnete René Repasi arbeitet an einer EU-Richtlinie, die Kunden ein Recht auf Reparatur geben soll. Im Interview erläutert er, wie das funktionieren würde.
Herr Repasi, bislang bekomme ich - zumindest in den ersten zwei Jahren nach Kauf - oft ein neues Produkt als Ersatz, wenn das alte kaputtgeht. Warum sollte ich eine Reparatur bevorzugen?
Die Verbraucher haben unterschiedliche Wünsche, und da will ich auch nicht reinregieren. Aber schon aus Bequemlichkeit spricht vieles für eine Reparatur: Man hat sich an ein Produkt gewöhnt, man spart Zeit - es dauert ja ewig, bis ein iPad oder ein Computer eingerichtet ist. Hinzu kommt, dass man eine Menge Abfall einspart. Wir produzieren jedes Jahr Millionen Tonnen von Schrott, weil Produkte nicht repariert, sondern weggeworfen werden. Das meiste davon geht ins thermische Recycling - das heißt, der Schrott wird verbrannt.
Wie wollen Sie das verhindern?
Die Zeit nach dem Ende der Gewährleistungsfrist ist bislang nicht gesetzlich geregelt. Nun soll der Verbraucher bei bestimmten Produkten vom Hersteller eine Reparatur verlangen können, gegen Entgelt. Die politische Diskussion ist gerade, für welche Produkte das gelten soll.
Was steht zur Debatte?
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, das Recht auf Reparatur anzuwenden auf Produkte, für die es sogenannte Ökodesign-Vorgaben gibt. In denen steht zum Beispiel für weiße Güter, also Waschmaschinen, Spülmaschinen und so weiter, dass sie mindestens zehn Jahre lang reparierbar sein müssen. Die Firmen müssen dann auch so lange Ersatzteile vorhalten. Die EU-Kommission will für diese Produkte auch das Recht auf Reparatur umsetzen.
Und Sie?
Ich halte das für zu technokratisch. Für Fahrräder gibt es keine Produktvorgaben. Aber jeder weiß, dass ein Fahrrad repariert werden kann, also sollte hier selbstverständlich das Recht auf Reparatur gelten. Gleiches gilt für Autos und Autoteile, und ich denke, da kann man auch noch über andere Produktkategorien nachdenken.

Wie lange soll das Recht auf Reparatur gelten? Hersteller und Besitzer könnten sehr unterschiedliche Auffassungen haben, ob zum Beispiel ein alter Kühlschrank noch repariert werden kann.
Der Rechtstext sagt, dass es ein Recht auf Reparatur gibt, bis dieses rechtlich und tatsächlich unmöglich ist. Wo dies nicht über die Ökodesign-Vorgaben festgelegt ist, wird sich dies auf dem Markt einpendeln und, wo nötig, wird am Ende ein Richter darüber entscheiden und so Rechtssicherheit schaffen.
Wie wollen Sie einem Verbraucher zu seinem Recht verhelfen, wenn er online außerhalb der EU einkauft?
Der Anspruch richtet sich gegen den Hersteller. Wenn ein Hersteller, sagen wir in China, nicht dazu in der Lage ist, richtet sich der Anspruch an den Importeur. Wenn dieser auch nicht in der EU angesiedelt ist, dann ist das Unternehmen der Ansprechpartner, das den Transport und die Aufbewahrung organisiert. Also beispielsweise ein Amazon Warehouse.
Wenn Amazon chinesische Toaster in Deutschland vertreibt, muss es auch chinesische Toaster reparieren?
Ja. Es muss eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen. Amazon ist groß genug dazu. Alternativ kann ein Unternehmen einen Reparaturbetrieb in der Umgebung beauftragen.
Wie steht die Industrie zu dem Vorhaben?
Hochqualitätsproduzenten halten das grundsätzlich für eine gute Idee. Sie geben ja sowieso oft eine Garantie auf ihre Produkte und haben auch die nötige Infrastruktur für Reparaturen. Andere Unternehmen scheinen ihre Produkte so zu bauen, dass sie nach zwei Jahren den Geist aufgeben. Diese Hersteller halten auch keine Ersatzteile vor und können deswegen günstiger produzieren. An einem Recht auf Reparatur haben sie kein Interesse.
Und dann gibt es noch unabhängige Reparaturbetriebe, die sich hier eine Chance erhoffen, weil sie eine Reparatur günstiger anbieten können als der Hersteller. Diese Betriebe haben aber ein anderes Problem: Die Ersatzteile der Hersteller sind für sie zu teuer. Da wird es noch eine Diskussion geben, ob wir zum Beispiel Ersatzteile aus 3-D-Druckern zulassen. Wenn darüber gesprochen wird, finden die Hochqualitätsproduzenten das Recht auf Reparatur dann doch nicht mehr so gut.
Im Juni kommenden Jahres sind Europawahlen, im April tagt das EU-Parlament letztmals in seiner aktuellen Zusammensetzung. Kommt das Recht auf Reparatur vorher noch unter Dach und Fach?
Das ist ambitioniert. Aber alle Beteiligten haben ein großes Interesse daran. Denn es ist eines dieser Projekte, bei denen man den Menschen im Europawahlkampf sehr einfach in einem Satz erklären kann, was der Mehrwert der Europäischen Union ist.