Wahlrecht
Bentele pocht auf Wahlrecht für geistig Behinderte
Politik / Lesedauer: 2 min

Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, fordert vor der Bundestagswahl im September die Aufhebung des Wahlverbots für Zehntausende Menschen mit Behinderung. Bei der Wahl vor dreieinhalb Jahren war fast 85000 Menschen mit Behinderung die Stimmabgabe untersagt, weil sie unter Vollbetreuung standen.
„Es kann und darf nicht sein, dass Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung als Konsumenten Geschäfte abschließen dürfen, aber als Bürger eines Landes nicht ihr wichtigstes demokratisches Recht wahrnehmen dürfen“, sagte die aus Tettnang (Bodenseekreis) stammende Bentele am Sonntag im Gespräch mit der „ Schwäbischen Zeitung “. „Menschen, für die ein Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt wurde, brauchen eine Unterstützung in Entscheidungsprozessen. Mit einer guten Unterstützung sind Menschen dann in der Lage, eine Wahlentscheidung zu treffen.“
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bremst eine entsprechende Reform des Bundeswahlgesetzes noch vor der Bundestagswahl aus. Eines der Bedenken: Menschen mit geistigen Behinderungen könnten von Angehörigen oder Betreuern manipuliert werden. Das Thema werde „streitig diskutiert“, sagte der behindertenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Uwe Schummer (CDU), der „Schwäbischen Zeitung“.
Statt einer Einzelreform will die Union das Thema Wahlrecht für Behinderte „in ein Gesamtpaket für eine Wahlrechtsreform einarbeiten“, so Schummer. Dabei soll es auch um die Frage der Überhang- und Ausgleichsmandate gehen, damit der Bundestag nicht weiter aufgebläht wird.
Vorwurf: Verzögerungstaktik
Während Schummer an dieser Stelle den Sozialdemokraten eine Blockade vorwirft, ist die Koppelung von Behinderten-Wahlrecht und der Problematik der Überhangmandate aus Sicht der Behindertenbeauftragten lediglich eine reine Verzögerungstaktik. „Ich fordere dringend dazu auf, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die pauschalen Wahlrechtsausschlüsse streichen und damit allen Menschen ermöglichen, die Vertreter ihrer Interessen auf Bundesebene zu wählen“, sagte Bentele.
Rückendeckung erhält sie von der Bundestagsvizepräsidentin und Lebenshilfe-Vorsitzenden Ulla Schmidt. Auch die SPD-Politikerin fordert mit Blick auf die Wahl im September, dass Ausschlüsse vom Wahlrecht „schnellstmöglich“ gestrichen werden. „Das Grundrecht zu wählen muss endlich für alle volljährigen Bürger unseres Landes gelten und die Diskriminierung von Menschen mit geistiger Behinderung, psychischen Krankheiten und Demenzerkrankung ein Ende haben“, erklärte Schmidt kürzlich.
Menschen, die wegen geistiger Behinderung unter sogenannter Vollbetreuung stehen, sind seit Gründung der Bundesrepublik vom Wahlrecht ausgeschlossen.