Meerbusch (dpa) Die Menschen, die am Rudolf-Lensing-Ring im rheinischen Meerbusch wohnen, sind über Freud und Leid ihrer Nachbarn immer auf dem Laufenden. Denn sie erfahren alle Neuigkeiten über ihr Viertel aus einer eigenen Zeitung.
Das Blatt heißt „Rudolf-Lensing- Ring-News“. Herausgeber, Chefredaktion, Verlag und Vertrieb sind zwei Schüler: Simon Bückmann (13) und Alexander Schmidt (14). In ihrer Zeitung, die jeden zweiten Samstag erscheint, stehen Berichte, Meldungen und Anzeigen aus der direkten Umgebung für einen höchst exklusiven Leserkreis.
Seit Februar ziehen die beiden rasenden Jung-Reporter mit Digitalkamera, Notizblock und gezücktem Stift durch die Straßen der Nachbarschaft und spüren Themen auf. Den Künstler, der in der nahen Mühle arbeitet, haben sie schon interviewt, über Stadtgeschichte berichtet und mit spitzer Feder auf die Missstände bei den Parkgaragen ihrer Siedlung hingewiesen. Die Leser sind begeistert. Und die Auflage von 50 selbstgedruckten Zeitungsexemplaren zu 90 Cent das Stück ist regelmäßig ausverkauft. Jetzt wollen die zwei verstärkt Abonnenten gewinnen.
Ein Aufmacher gehört natürlich auf die erste Seite. Wieder einmal sind es die riesigen Windräder auf den Feldern vor dem Meerbuscher Ortsteil Osterath, die in der Nachbarschaft für Gesprächsstoff sorgen. Warum stehen die still, auch wenn es heftig windet? Die beiden Reporter gehen der Sache hartnäckig auf den Grund.
Doch sie arbeiten nicht nur investigativ, sondern auch an der Klatsch- und Tratsch-Front. Auf dem Rudolf-Lensing-Ring gab es eine Hochzeit. Dank der Ring-News weiß es die gesamte Nachbarschaft und kann gratulieren durchaus zur Freude des Brautpaars. Denn eines ist klar: Simon und Alexander wollen anständige Reporter sein und niemanden bloßstellen. Deshalb wird immer artig gefragt, ob die Nachbarn mit einem Artikel auch einverstanden sind.
Noch besteht die Zeitung, die seit Februar erscheint, aus zusammengeklammerten DIN A 4-Blättern. Bald soll sie aber ein geheftetes Buch werden. Der Zwei-Mann-Verlag ist auf Expansionskurs. Und die beiden Schüler zeigen sich geschäftstüchtig. Auf der Suche nach Anzeigenkunden streifen sie durch die Läden und Restaurants ihres Viertels, verkaufen kleine Annoncen für 50 Cent und ganze Zeitungsseiten für 30 Euro. „Das hängt davon ab, wie groß der Kunde ist“, kalkuliert Simon Brückmann gewitzt.
Ihre Bilanz ist ausgewogen: Die Einnahmen durch Anzeigen und den Verkauf der Zeitung auf der einen Seite und die Ausgaben für Bürobedarf und Papier auf der anderen, spülen ein kleines Plus in die Kasse der Mini-Verlags. „Das wird aber immer wieder investiert.“ Zum Beispiel fließt das Geld in die Sachpreise, die es auf den Rätselseiten zu gewinnen gibt. Leser-Blatt-Bindung nennt man das.
Die Zweier-Redaktion hat ihr Büro im Keller der Brückmanns. Täglich wird hier nach der Schule an Themen getüftelt, an Berichten gestrickt. Simon und Alexander schreiben und fotografieren abwechselnd. Mal hat der eine die bessere Formulierung, mal der andere das bessere Bild. Einen Sponsor für ihre „News“ haben sie auch schon gefunden: Die Computerfirma, die ebenfalls zur näheren Nachbarschaft gehört, stiftete einen Drucker und Toner.
Den journalistischen Ehrgeiz bei der Jagd nach Neuigkeiten vermögen allenfalls die Mütter der beiden Hobby-Reporter zu bremsen. Die wachen nämlich streng darüber, dass die Hausaufgaben derweil nicht zu kurz kommen. Wenn das geschieht, wird Hausarrest verhängt und ein kurzfristiges Rechercheverbot ausgesprochen. Einmal ist das bislang vorgekommen und die Leser der Rudolf-Lensing-Ring-News hatten das Nachsehen. Denn an diesem Samstag konnte die beliebte Nachbarschaftszeitung leider nicht erscheinen.