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Wie Menschen in den Bergen zu innerer Stärke finden

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Über die Alpen wandern und die eigenen Grenzen austesten ‐ das hat Buchautorin Petra Bartoli y Eckert gemacht. Dabei hat sich unterschiedliche Mensch kennengelernt und interviewt. Was für Tipps sie für andere Wanderer hat.
Veröffentlicht:23.09.2023, 08:00

Von:
  • Katharina Carle
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Einmal zu Fuß über die Alpen ‐ der Traum vieler Bergsteiger und Wanderer. Doch nicht nur Fitness und Ausdauer müssen vorhanden sein, um sich auf den Weg zu machen. Auch die mentale Stärke bei Erschöpfung oder Zweifeln, ob man die Strecke schafft, ist wichtig. Die Buchautorin Petra Bartoli y Eckert hat das Erlebnis der Alpenüberquerung gewagt. Sie ist die Strecke von Kreuth nach Sterzing in sechs Tagen gewandert. Während ihrer Tour hat sie sich mit mehreren bergaffinen Personen über deren mentale Stärke unterhalten. Ihre Gespräche und Erlebnisse hat sie in ihrem Buch „In den Bergen findest du zu dir ‐ Wie wir beim Wandern Resilienz lernen“ niedergeschrieben.

Warum haben Sie sich für Ihr Buch eine Alpenüberquerung ausgesucht?

Ich finde das Thema Resilienz sehr spannend. Als Sozialarbeiterin habe ich oft mit Kindern, Jugendlichen oder Familien zu tun, die keine guten Voraussetzungen für die jungen Menschen hatten, sodass diese später ein gutes Leben führen können. Dennoch haben es einige geschafft und das fand ich immer faszinierend, was Menschen dabei hilft, trotz schwieriger Umstände stabil zu bleiben. Daher kam dann die Idee zu diesem Selbstversuch mit der Alpenüberquerung. Ich stelle mich einer Herausforderung. Es gibt im Leben größere Herausforderungen als eine selbstgewählte Wanderung. Aber ich wusste, dass es anstrengend wird und dass ich nicht auf alte Muster zurückgreifen kann. Daher dachte ich, das ist ein gutes Feld, um auszuprobieren: Wie gehe ich mit diesen Situationen um?

Was verstehen Sie denn unter Resilienz?

Unter Resilienz verstehe ich das psychische Immunsystem. Es beschreibt die Fähigkeit in einer persönlichen Krise, wie zum Beispiel Arbeitsplatzverlust oder Todesfall einer nahestehenden Person, zu sehen, wie die Krise bewältigt und zu alter Stärke zurückgefunden werden kann. Das ich in so einer Krise erst mal traurig oder niedergeschlagen bin, ist klar. Manchen Menschen gelingt es aber sehr gut, wieder ins Leben zurückzufinden. Das ist dann Resilienz, also die innere Stärke, mit Widrigkeiten umzugehen.

Sie haben sich im Vorfeld der Wanderung schon mit verschiedenen Personen getroffen, um über Resilienz zu sprechen. Wie sind Sie bei der Auswahl der Personen vorgegangen?

Tatsächlich war es eine bunte Mischung aus Menschen, die ich kannte oder von denen ich wusste, dass sie sich in den Bergen auskennen und auch eine gewisse persönliche Stärke an den Tag legen. Manche habe ich auch auf meinem Weg zufällig getroffen. Ich dachte mir schon, dass ich in den Bergen eher resiliente Menschen treffe, weil die Berge für alle eine Herausforderung darstellen. Wer sich solchen Herausforderungen stellt, der kennt das Gefühl: Oh, ich kann nicht mehr. Jetzt würde ich am liebsten sitzen bleiben. Aber ich überwinde mich. Ich weiß, was ich mir zutrauen kann. Dieses Wissen hat viel mit Resilienz zu tun.

Welche Tipps von Gesprächen im Vorfeld haben Sie mit auf Ihre Wanderung genommen?

Ein wichtiges Vorgespräch war mit einer Psychologin und gleichzeitig Bergführerin, die Kurse für Trittsicherheit und Schwindelfreiheit in den Bergen macht. Sie hat mir auf den Weg gegeben, mich wirklich aufs Gehen zu konzentrieren, auf die eine Sache, die in dem Moment wichtig ist. Sie meinte: Wenn du in den Bergen unterwegs bist und ein Foto machen willst, bleib stehen, sonst stolperst du. Das fand ich sehr hilfreich, weil es anders als unser durchgetakteter Alltag mit Multitasking und Reizüberflutung ist.

Sie sind sehr vielen Menschen begegnet auf Ihrer Wanderung. Welche Begegnung hat Sie am meisten geprägt?

Was mich sehr berührt hat, ist das Gespräch mit einer Wanderin vom Bodensee. Die war mit ihrem Hund unterwegs und ich habe sie zufällig in den Bergen kennengelernt. Sie hat mir ihre Lebensgeschichte erzählt. Ihre Eltern wollten damals aus der DDR fliehen und sind dann inhaftiert worden. Sie kam als kleines Kind übergangsweise zu ihrer Tante und hat jahrelang ihre Eltern nicht gesehen. Aus diesem Erlebnis hat sie die Erfahrung, dass sie auch schwierige Situationen überleben kann.

Sie hatten während Ihrer Wanderung auch einige besondere Herausforderungen zu meistern. Dazu gehörten auch geplante Gesprächstermine. Wie war das für Sie, das alles unter einen Hut zu bekommen?

Deshalb habe ich mich für die leichte Überquerung entschieden.Wenn ich eine schwere Alpenüberquerung gegangen wäre und das Wetter hätte nicht mitgespielt und ich vor Einbruch der Dunkelheit aber noch auf irgendeiner Hütte ankommen muss, um ein Interview zu führen, das hätte wahrscheinlich nicht funktioniert. So war es teilweise auch anstrengend. Ich hatte manchmal Tage, wo ich dann endlich angekommen war, zum Beispiel in Achenkirch und dann wusste, ich treffe mich dann später noch mit einem Bergarzt und ich muss mich noch mal zu Fuß auf den Weg machen, aber es ging.

Was für Tipps haben Sie denn für die Menschen, die auch so eine Tour machen würden?

Für so eine Tour ist mein Tipp, vorher ein bisschen zu üben. Es muss kein Hochgebirge sein, ein Mittelgebirge reicht dafür. Sie haben ja die Schwäbische Alb vor der Tür. Für die Vorbereitung ist es wichtig zu schauen, was brauche ich wirklich. Ich packe meinen Rucksack nicht zu schwer, weil den muss ich sechs Tage oder sieben Tage lang auf dem Rücken tragen. Ich beschränke mich auf höchstens zehn Kilo. Auf den Alltag bezogen heißt es vielleicht, sich mal bewusst zu machen, was man wirklich braucht, um gesund und glücklich zu sein.

Zur Person: Petra Bartoli y Eckert (49) ist gelernte Sozialpädagogin. Nach einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Drehbuchautorin ist die Regensburgerin seit 15 Jahren hauptberuflich als Schriftstellerin tätig. Ihr Schwerpunkt liegt auf Kinder- und Jugendromanen. „Abenteuer Alpenüberquerung“ ist ihr zweites Sachbuch mit Schwerpunkt Wandern.

Titel: „In den Bergen findest du zu dir“. Kösel Verlag, 2023. 208 Seiten, 20 Euro