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Wenn Tiere Menschen krank machen — Gefahr durch Zoonosen

Demokratische Republik Kongo / Lesedauer: 4 min

Afrika könnte sich laut WHO zu einem neuen Hotspot für Tier–Mensch–Infektionen entwickeln. Um die Ausbreitung von Zoonosen einzudämmen, setzen Forscher auf ein ganzheitliches Konzept.
Veröffentlicht:15.02.2023, 08:48

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Affenpocken, Pest, Marburgfieber: Zahlreiche Krankheiten werden von Tieren auf Menschen übertragen. Tollwut ist ein weiteres bekanntes Beispiele für sogenannte Zoonosen. Der Biss, etwa eines infizierten Straßenhundes im Urlaub, und schon kann eine Übertragung passieren.

„Fast alles, was wir Menschen mit uns rumschleppen, kommt von Tieren. Die Masern zum Beispiel sprangen rund 300 v. Chr. von Rindern auf Menschen über“, sagt der Veterinärmediziner Fabian Leendertz vom Helmholtz–Zentrum für Infektionsforschung in Greifswald.

Das Coronavirus Sars–CoV–2 ist nach Annahmen vieler Forscher ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Tier auf den Menschen übergegangen. Ein abschließender Nachweis dafür steht jedoch noch aus. Das Ebola–Virus kann nach Angaben des Robert Koch–Instituts (RKI) beim Kontakt mit bestimmten Tieren oder Tierprodukten auf Menschen übertragen werden.

Eingriffe in Ökosysteme begünstigen Zoonosen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte im Juli, Afrika könne ein Hotspot für Zoonosen werden. In den vergangenen zehn Jahren habe die Zahl der Ausbrüche von Zoonosen dort im Vergleich zur vorherigen Dekade (2001—2011) um 63 Prozent zugenommen, so die WHO.

„In Afrika ist viel risikoreiches menschliches Verhalten zu beobachten, das Zoonosen begünstigen kann: Zum Beispiel massive Eingriffe in Ökosysteme, unter anderem die Abholzung von Primärwäldern. Auch die Jagd und der Konsum von Wildtieren bergen ein hohes Risiko“, erläutert Sascha Knauf vom Friedrich–Loeffler–Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald.

Ein weiterer Faktor, der in afrikanischen Ländern eine Rolle für die Ausbreitung von Zoonosen spiele, sei die steigende Mobilität der Menschen, ergänzt Zoonosen–Forscher Leendertz. Die Folge: „Damit werden auch Pandemien wahrscheinlicher. Ganz verhindern kann man die nicht, aber man kann besser vorbereitet sein.“

Dazu gehörten eine bessere Gesundheitsinfrastruktur gerade in ärmeren Ländern, aber auch das Monitoring der Todesursachen von Tieren. Gerade in Afrika müsste es in den ländlichen Gegenden in den Dörfern gut ausgebildetes Personal geben, das Zoonosen schnell stoppen kann, bevor sie sich weiter ausbreiten.

Die Forschung setzt auf „One Health“

„Impfungen machen bei Epidemien Sinn für Risikogruppen oder um betroffene Gebiete herum, wie eine Art Ring“, so Leendertz. Bessere und umfassende, weltweite Vorbeugung ist eine der Lehren aus der Corona–Pandemie. So haben die 194 WHO–Mitgliedsländer beschlossen, eine Rahmenvereinbarung dafür auszuarbeiten.

Um Pandemien einzudämmen verfolgt die Forschung inzwischen ein ganzheitliches Konzept, „One Health“ genannt, das Tiere und Menschen als miteinander lebende Wesen in den Blick nimmt. Noch bevor der One–Health–Ansatz in der Forschung populär wurde, hat sich schon gezeigt, wie stark die Gesundhaltung von Tieren auch den Menschen zugute kommt: Ein erfolgreiches Beispiel, wie ein ganzheitlicher Ansatz für Tiere und Menschen gute Ergebnisse erzielen kann, sei die de facto Ausrottung der Tollwut in Deutschland, sagt Forscher Knauf vom FLI. Deutschland ist laut RKI seit 2008 so gut wie tollwutfrei; vor allem durch die systematische Immunisierung von Füchsen.

„Die Gesundheit von Menschen ist nicht in Isolation zu sehen. Wir leben mit Tieren zusammen, wir essen Tiere. Die Umwelt wiederum beeinflusst die Tierwelt, zum Beispiel der Klimawandel. Da muss man über Disziplinen hinweg denken“, sagt Leendertz, der am Helmholtz–Zentrum im Institut für One Health arbeitet.

Die WHO–Prognose für Afrika als Zoonosen–Hotspot müsse man allerdings auch hinterfragen, findet Veterinärmediziner Knauf vom FLI: „Es ist schwer zu sagen, ob es einen tatsächlichen Anstieg an Zoonosen gibt — oder ob man einfach nur mehr findet, weil man intensiver auf die Suche geht.

Am Ende des Tages bleibt die Konsequenz aber die gleiche: Wir alle müssen unser risikohaftes Verhalten ändern. Denn es sind die Menschen, die das Problem schaffen, nicht die Tiere. Die nächste Pandemie kann genauso gut in Europa oder Asien beginnen.“ Auch der menschengemachte Klimawandel könne Zoonosen begünstigen. „Wenn die Temperaturen in Deutschland steigen, können sich hier auch Erreger aus tropischen Gebieten besser ansiedeln. Ein Beispiel ist das Virus des West–Nil–Fiebers.“

Sorge über Virenmutation in Spanien

Fest steht laut Knauf, der am Institut für Internationale Tiergesundheit/One Health des FLI forscht: Deutschland kann von Afrika noch eine Menge lernen. „Zum Beispiel haben wir keine nationale One Health Strategie, viele afrikanische Staaten schon.“ Etwa Nigeria. Das mit mehr als 200 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Land des Kontinents hat 2019 eine auf mehrere Jahre angelegte nationale One–Health–Strategie veröffentlicht. Unter anderem sollen Zoonosen wie Vogelgrippe und Lassafieber in dem westafrikanischen Land besonders eng überwacht werden.

Im Verlauf der derzeit grassierenden weltweit größten jemals dokumentierten Vogelgrippe–Welle steckten sich nach FLI–Angaben von Anfang Februar wenige einzelne Menschen mit dem Virus an. Übertragungen von Mensch zu Mensch seien nicht bekannt. Mit Sorge betrachten viele Forscher jedoch eine Virenmutation beim Vogelgrippe–Ausbruch auf einer Nerzfarm in Spanien, die laut FLI eine Anpassung an Säugetiere darstellen könnte.