Gewürz
„Sündigt auch einmal mit Leidenschaft!“
Panorama / Lesedauer: 9 min

Schwäbische.de
Kräuter, Gewürze und Omega-3-Fettsäuren sind Ernährungs-Joker. Deshalb setzt der Biologe Dr. Wolfgang Feil auch bei seinen von ihm betreuten Profisportlern auf diese Kombinationen. Mit SZ-Redakteur Timo Schoch unterhielt sich Feil über typische Ernährungssünden bei Hobbysportlern, über Arthrose und warum ein asketischer Lebensstil nicht zielführend wäre.
SZ : Sie betreuen unter anderem die Fußballprofis von 1899 Hoffenheim, die Handball-Nationalmannschaft oder Profi-Triathleten wie Daniel Unger und Jan Frodeno. Was machen denn Profisportler bei der Ernährung alles falsch?
Feil: Die Sportler, die ich betreue machen nichts mehr falsch (lacht).
SZ: Auf was achten denn Ihre Sportler bei der Ernährung besonders?
Feil: Heute empfehlen wir viel mehr Gewürze wie früher. Damit gehen die Entzündungsreaktionen nach dem Training zurück. Die Profis können dadurch härter trainieren. Wir achten darauf, dass die Sportler Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen. Diese sind im Fisch und Speiseleinöl enthalten. Die Omega-3-Fettsäuren schützen die Muskulatur vor Verletzungen, stabilisieren die Muskel-Membranen und bauen Entzündungsreaktionen ab.
SZ: Wie hoch ist der Anteil der Ernährung am sportlichen Erfolg?
Feil: In diesem Fall muss man zwischen Hobby- und Profisportlern unterscheiden. Bei Top-Sportlern, die schon austrainiert sind, macht die richtige Ernährung etwa fünf Prozent aus. Ein Hobbysportler kann bis zu 20 Prozent mehr Leistung bringen, wenn er sich entsprechend ernährt.
SZ: Was sind typische Ernährungssünden bei Hobbysportlern?
Feil: Viele Hobbysportler haben nicht das richtige Gewicht. Deshalb laufen sie um abzunehmen. Aber sie essen abends zu viele Kohlenhydrate, also zu viel Nudeln, Brot oder Kartoffeln. Deshalb erreichen einige nicht ihr Wettkampfgewicht. Dies gilt besonders für Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.
SZ: Was sollten solche Menschen dann abends essen?
Feil: Diese sollten bei der Ernährung auf einen höheren Eiweißanteil achten. Ideal wäre: zwei Eier, oder ein größeres Stück Fisch und dazu vor allem viel Gemüse. Bislang war es so, dass man nach dem Training viel Nudeln oder Brot gegessen hat. Diese Kohlenhydrate sind abends jedoch nicht komplett verboten, sie sollten nur in kleineren Mengen konsumiert werden. Wenn ein Hobbysportler sich daran hält, kann er recht schnell drei bis fünf Kilogramm Körpergewicht abnehmen.
SZ: Ist deshalb die weitläufige Meinung falsch, dass Kohlenhydrate die Kraft liefern?
Feil: Wir brauchen nicht so viele Kohlenhydrate, wie ursprünglich gedacht. Es reicht, wenn die Kohlenhydratspeicher drei Tage vor dem Wettkampf aufgefüllt werden. In der Phase davor, quasi während der normalen Trainingszeit, werden die Kohlenhydrate heruntergefahren und nur moderat gegessen.
SZ: Muss ich dann künftig auch auf mein Müsli zum Frühstück verzichten?
Feil: Nein. Zum Frühstück und Mittagessen gibt es genügend Kohlenhydrate. In diesem Fall geht es nur um die abendliche Reduzierung dieser Energieträger. Das gilt übrigens auch für das Bier, das wie Kohlenhydrate verstoffwechselt wird. Viele Hobbysportler vergessen, dass Bier viele Kohlenhydrate enthalten.
SZ: Ist deshalb das Bier nach dem Training verboten?
Feil: Nein, ein Bier ist okay. Aber nicht zwei oder drei.
SZ: Wie sieht dann ein guter Ernährungsplan für die „Move“-Teilnehmer aus, die im Schnitt zwei bis drei Mal pro Woche trainieren?
Feil: Mit dem Frühstück empfehle ich einen Drink. In den Mixer kommen Buttermilch, Banane, gefrorene Beeren, Gewürze und Omega-3-Fettsäuren in Form von Speiseleinöl. Dazu passt Brot, oder Müsli. Ein gutes Mittagessen wäre eine Kombination aus Salat, Nudeln oder Kartoffeln mit einem kleinen Steak oder einem Ei. Direkt nach dem Training ist es wichtig einen Eiweiß-Drink zu sich zu nehmen und eine Stunde nach dem Training Gemüse, einen Eiweißträger (Ei, Fisch, Hülsenfrüchte) und moderat Kohlenhydrate zu essen.
SZ: Warum soll ich eine Stunde mit dem normalen Essen warten?
Feil: Früher wurde sofort nach dem Radfahren eine große Portion mit Nudeln gegessen. Wenn ich nun aber eine Stunde mit dem Essen warte, bildet sich die Ausdauerleistungsfähigkeit deutlicher heraus. Der Körper will nach dem Radfahren die Kohlenhydrate, aber man gibt ihm zunächst nur einen Eiweiß-Drink, damit er die Reparaturen in den Muskeln schafft. Dadurch kann man auch gut abnehmen.
SZ: Eiweiß nimmt auch wichtige Rolle ein?
Feil: Auch die Rolle des Eiweißes hat man früher unterschätzt. Heute rückt für die Leistungsentwicklung das Eiweiß in den Vordergrund. Die Faustformel im Hobbybereich lautet 0,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht direkt nach dem Training, im Profibereich gilt das Doppelte.
SZ: Regeneration ist wichtig. Was sind die Grundbausteine einer schnellen Regeneration?
Feil: Es ist wichtig schnell zu regenerieren, um den Trainingsreiz schneller in Leistung umzusetzen. Im Bereich der Regeneration liegt also der Schlüssel für den Leistungszuwachs. Mit der Mischung aus Eiweiß, Magnesium und Zink läuft die Regeneration auf vollen Touren. Die Bestandteile der Eiweiße sind Aminosäuren, die für die körpereigene Hormonproduktion verantwortlich sind. Besonders wertvoll für eine gute Erholung ist das Molkeneiweiß. Zink ist wichtig für das Immunsystem und unterstützt die Bildung der körpereigenen Hormone. Die Kombination aus Eiweiß, Magnesium und Zink sollte man direkt nach dem Training zu sich nehmen.
SZ: Brauchen wir immer einen Eiweiß-Drink mit Magnesium und Zink nach dem Sport, um schnell zu regenerieren?
Feil: Es kommt auf das Trainingsziel an. Wenn ich sage, ich fahre Rad, um gesund zu bleiben, dann reicht mir nach dem Training eine Buttermilch. Wenn ich aber ein Wettkampfziel habe und meine Leistung verbessern will, dann ist der Eiweißdrink mit Magnesium und Zink zielführender. Für die Fa. Ultra sports habe ich deshalb den Ultra-Refresher entwickelt.
SZ: Sport hält jung. Aber kann man durch die richtige Ernährung den Alterungsprozess noch weiter aufhalten?
Feil: Durch die richtige Kombination aus Bewegung und gesunder Ernährung können die Menschen 15 Jahre länger leben. Zu gesunder Ernährung zählen viel Gemüse, Kräuter, Gewürze und Omega-3-Fettsäuren. Das belegen mehrere Studien.
SZ: Sie sprachen immer wieder Kräuter und Gewürze an. Besonders Asiaten konsumieren viel exotische Kräuter und Gewürze. Leben sie gesünder wie wir Europäer?
Feil: Die ursprüngliche kräuter- und gewürzreiche Ernährung der Asiaten führt dazu, dass sie niedrige Herzinfarktraten oder kaum Bluthochdruck haben. Viele Asiaten sind allerdings mittlerweile westlich orientiert. Deshalb überlagert der Stress diese Vorteile wieder. Generell kann man aber sagen: Wer mehr Kräuter und Gewürze isst, lebt deutlich gesünder und länger.
SZ: Was empfehlen Sie an Kräutern und Gewürzen?
Feil: Es gibt bei den Gewürzen drei Empfehlungen: Chili, Ingwer und Pfeffer. Chili und Ingwer verdünnen das Blut und sind gleichzeitig gut für den Magen. Die frühere Meinung, dass Chili den Magen reizt ist mittlerweile überholt. Heute arbeitet man sogar bei Magengeschwüren und Entzündungen mit Chili therapeutisch. Denn Chili heilt das Magengeschwür viel schneller aus. Falls jemand allerdings Darmprobleme hat, sollte er auf diese Gewürze verzichten. Pfeffer verdoppelt die Wirkung der Pflanzenstoffe.
SZ: Was heißt das konkret?
Feil: Salat ist gesund. Da sind beispielsweise sekundäre Pflanzenstoffe für das Immunsystem enthalten. Doch dieser Inhaltsstoff hält nur zwei Stunden im Blut an. Diese Zeit reicht allerdings aus, um eine Wirkung zu haben. Wenn ich aber Pfeffer in den Salat streue, wirkt der Inhaltsstoff doppelt so lange, also vier Stunden. Das heißt: Mit Pfeffer kann man die Wirkung von Salat und Gemüse verdoppeln. Der Pfeffer holt also viel mehr aus der täglichen Ernährung heraus.
SZ: Kann ich durch die Ernährung auch Krankheiten wie Arthrose vorbeugen?
Feil: Heute gilt Arthrose nicht mehr als Verschleißerkrankung, sondern als eine Verhungerungskrankheit im Gelenk. Die Knorpelzellen sind aufgrund schlechter Bewegung, oder zu wenig Bewegung, oder zu wenig Flüssigkeit, oder zu schlechter Ernährung unterversorgt. Mit Kräutern, Gewürzen und Nährstoffen können die Knorpelzellen mehr Knorpelmaterial produzieren. Denn Gewürze senken auch die Schmerzen. Es gibt Studien, die belegen, dass Ingwer und Chili eine so starke Wirkung wie Schmerzmittel haben, aber eben ohne Nebenwirkungen. Bei Arthrose arbeiten wir auch mit aufbauenden Knorpel-Nährstoffen aus Brennnesseln oder Ackerschachtelhalmen.
SZ: Ihr Ernährungsplan hört sich streng durchgeplant an. Leben Sie auch wie ein Askese?
Feil: Nein, im Gegenteil: Ernährung muss Spaß machen. Selbst meine Sportler verlieben sich in die Gewürze. Ich empfehle auch, mehr Schokolade als früher zu essen. In diesem Fall spreche ich von dunkler Schokolade, mit einem Kakaoanteil von mehr als 70 Prozent. Darin sind viele Wirkstoffe gegen die Entzündungsreaktionen im Muskel enthalten. Und: Dunkle Schokolade hat auch Inhaltsstoffe, die ein wohliges Gefühl im Hirn erzeugen. Ein Fehler wäre es, sich nichts mehr zu gönnen. Aber ich lebe nach den Dingen, die ich auch propagiere. Und fühle mich nicht asketisch.
SZ: Sind trotzdem Schlemmertage erlaubt?
Feil: Mich machen andere Sachen nicht mehr an. Wenn der Stoffwechsel im Lot ist, hat man keine Lust mehr auf fette Würste oder fettes Fleisch. Der Geschmack verändert sich. Deshalb ist es kein Verzicht, wenn man es nicht essen darf. Trotzdem sage ich meinen Sportlern: Ihr dürft durchaus sündigen. Wenn euch beispielsweise Thüringer Würste anmachen, dann esst sie ruhig, haut auch mal richtig über die Strenge und sündigt mit Leidenschaft.
SZ: Was darf auf Ihrem Teller niemals fehlen?
Feil: Der Ingwer darf nicht ausgehen. Ich esse pro Tag etwa 100 Gramm frischen Ingwer. Das ist für mich eines der wichtigsten Lebensmittel. Warum der Ingwer so wichtig ist, habe ich in einem Beitrag auf meiner homepage www.dr-feil.com beschrieben.
Dr. Wolfgang Feil kommt am 11. Mai in die Biberacher Stadthalle. Ab 19 Uhr spricht er über Ernährung und Vitalität. Der Eintritt ist frei.
Dr. Wolfgang Feil ist ein renommierter Ernährungswissenschaftler und Nährstoffberater für Profisportler. Er betreut unter anderem die Fußballprofis von 1899 Hoffenheim , die Handball-Nationalmannschaft oder die Triathlon-Profis Daniel Unger und Jan Frodeno. Feil arbeitet als Dozent an der Universität Furtwangen. Außerdem ist er Wissenschaftlicher Leiter der Sporternährungsfirma Ultra Sports und Leiter einer Forschungsgruppe zur Allergieprävention. Feil hat mehrere Bücher veröffentlicht. Sein aktuelles Buch „Die Lauf-Diät“ beschäftigt sich mit dem Abnehmen, Ernährungstipps und nachhaltigem Essen. Mit sieben Jokern erklärt Feil, wie der Stoffwechsel wieder in Schwung kommt. Mehr Informationen unter www.dr-feil.com .