Panorama
RSI–Syndrom: Was gegen den Mausarm hilft
Berlin / Lesedauer: 6 min

Schwäbische.de
Es fängt oft ganz harmlos an. Aber mit der Zeit werden die Symptome zu einem Krankheitsbild, das weit verbreitet ist. Laut einer Studie aus den USA leidet dort jeder zehnte Erwachsene unter Schmerzen und Taubheitsgefühlen in Hand und Unterarm. Besser bekannt als „Mausarm“ oder Repetitive Strain Injuries, dem RSI–Syndrom. Für Deutschland muss man ähnliche Zahlen vermuten, denn auch hierzulande arbeiten immer mehr Menschen am Computer.
„Durch die Arbeit am PC haben insgesamt die Beschwerden am Bewegungsapparat deutlich zugenommen“, berichtet Jörg van Schoonhoven, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. „Und das RSI–Syndrom gehört dazu.“ Zu den typischen Symptomen gehören anfangs Sensibilitätsstörungen wie Taubheit oder Kribbeln in den Fingern. „Außerdem kann ein Kältegefühl in den Händen und im Unterarm auftreten“, berichtet Bastian Marquaß von der Orthopädischen Gelenk–Klinik in Freiburg.
Im weiteren Verlauf kommen oft Schmerzen hinzu, insbesondere in den Streckmuskeln des Unterarms, aber mitunter auch in der Schulter. „Hand und Arm sind ja in einer Bewegungskette mit dem übrigen Körper verbunden“, betont van Schoonhoven, „die Schmerzen können also auch bis in die Schulter hinaufreichen“. Umgekehrt könnten die Probleme aber auch von dort bis in die Unterarme und Hände hinunterziehen. So könne es über eine Fehlhaltung im Schulter–Nackenbereich — beispielsweise, dass man den Kopf dauerhaft geneigt oder gedreht halten muss — zu einer Irritation der Nerven kommen, die in den Unterarm und die Hand hinabziehen. „Und am Ende hat man dann möglicherweise die typischen RSI–Symptome“, warnt van Schoonhoven, der die Handchirurgie am Rhön–Klinikum in Bad Neustadt /Saale leitet.
Keine strukturellen Schäden oder Entzündungen
Würde man jedoch ein Magnetresonanz–Bild von den betroffenen Körperregionen machen, würde man dort in der Regel keine strukturellen Schäden und Entzündungen finden. Das unterscheidet das RSI–Syndrom von anderen Erkrankungen im Unterarmbereich, wie etwa Sehnenscheidenentzündung oder Tennisarm, die oft auch schmerzhafter und hartnäckiger sind. Es hat seine Ursprünge vielmehr in den bereits erwähnten Nervenirritationen — und in der Dauerbeanspruchung bestimmter Muskelgruppen. „Wenn man etwa eine Maus oder Tastatur hat, bei der die Hand stark angehoben werden muss, führt dies ohnehin schon zu einer erheblichen Spannung in der Unterarmmuskulatur“, erläutert Marquaß. „Und wenn dann noch in schnellem Tempo geklickt und getippt wird, stehen dort die Zeichen auf Überforderung“. Denn die Finger werden in erster Linie durch die Muskeln im Unterarm bewegt, deren Sehnen über das Handgelenk bis zu den Fingern reichen.
Womit man bei einer ersten Therapieoption gegen RSI ist: Das wiederholte Dehnen der Unterarmmuskulatur. Der Arbeitsablauf sollte immer wieder für entsprechende Übungen unterbrochen werden, etwa, dass man bei nach vorn gestreckten Unterarm die Hand — mit der Rückseite nach oben — nach unten einklappt und weiter in Richtung Unterarm zieht. Man sollte zwar dabei einen deutlichen Dehnungsreiz spüren, aber keinen Schmerz, weil das die Beschwerden noch verschlimmern würde. Wärme in Gestalt von Wärme–Pads, aufgeheizten Kirschkernsäckchen oder Infrarotstrahlungen tragen ebenfalls zur Lockerung bei. Kälte hingegen nicht, weil sie in erster Linie bei Entzündungen angezeigt ist.
Stützbandagen und Manschetten können beim RSI–Syndrom allenfalls kurzfristig, für ein paar Tage zum Einsatz kommen, um für Entlastung zu sorgen. „Längerfristig sorgen sie hingegen für eine kontraproduktive Immobilisierung und einen damit einhergehenden Muskelabbau“, warnt van Schoonhoven. Ganz zu schweigen davon, dass sie nichts an der Situation, also an der Fehlhaltung am PC ändern, die zum RSI–Syndrom geführt hat.
Vielversprechende Maßnahme: zellbiolobische Regulationstherapie
Marquaß hält große Stücke auf die zellbiologische Regulationstherapie. Die Idee dahinter: Durch die hohe Spannung der Unterarmmuskulatur kommt es dort zu einer dauerhaften Übersäuerung und Störung des Stoffwechsels in den Zellen. „Durch sanfte Schwingungen von außen soll dann die Mikrozirkulation um die Zellen verbessert werden, sodass sich die Stoffwechselvorgänge wieder normalisieren“, erläutert Marquaß.
Die Behandlung erfolgt über ein Handgerät, das ein wenig an eine elektronische Zahnbürste erinnert und vom Therapeuten entlang des Unterarms geführt wird, wo es über Rüttelbewegungen für Schwingungen sorgt. Eine Behandlungseinheit dauert rund 30 Minuten. Und laut Marquaß sollten davon in der Regel sechs im Abstand von jeweils zwei, drei Tagen ausreichen, „für eine spürbare Linderung der Beschwerden“. Der Haken: Es gibt zwar manche Ärzte und Physiotherapeuten, die das Verfahren einsetzen, aber die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen es nicht.
Nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv wirken ergonomische Veränderungen am Arbeitsplatz. Dies gilt insbesondere für die Handstellung an der Computermaus. Die handelsüblichen Modelle sind so konstruiert, dass der Handballen aufliegt. „Doch wenn man sich nun entspannt hinstellt oder spazieren geht, merkt man schnell, dass dies nicht der natürlichen Handstellung entspricht, bei der die Handinnenflächen nach innen zum Körper zeigen“, so Marquaß.
Ergonomische Computermäuse und Dehnungsübungen
Durch ergonomische Vertikal–Mäuse werde nun bei der Büroarbeit die Hand in diese natürliche Ausrichtung, mit der Innenfläche zum Körper ausgerichtet. Der Unterarm wird dadurch nicht mehr nach innen verdreht, und man muss nicht mehr die Finger bei angespannter Unterarmmuskulatur anheben, um die Maus bedienen zu können.
Eine weitere Alternative ist laut einer Harvard–Studie die so genannte Rollstangenmaus, die im Keyboard, direkt vor der Tastatur integriert ist. Dies führt zu einer besseren Symmetrie der Körperhaltung, und die Finger werden entlastet, weil man die Rollstange mit beiden Händen bedienen kann und die Hände auf einem Sockel vor dem Keyboard liegen.
Die Experten Marquaß und van Schoonhoven betonen aber auch, dass man zum Beheben und Vermeiden des RSI–Syndroms nicht nur technische Lösungen im Auge behalten sollte. Denn letzten Endes sei es nur eine Facette eines großen, umfassenden Problems am PC–Arbeitsplatz: Dass nämlich der Körper gezwungen wird, in einer für ihn ungünstigen Haltung zu verharren. „Regelmäßiger Sport kann da einen Ausgleich bieten“, so Marquaß. Wobei nicht alle Sportarten geeignet sind. „Monotones Arbeiten am Crosstrainer etwa kann einen Mausarm verschlimmern“, warnt Marquaß. Besser geeignet seien Schwimmen, Wandern und Yoga.
Es hilft aber auch, schon während der Arbeit immer wieder leichte Dehnübungen und Bewegungspausen einzustreuen. Ein ergonomischer Arbeitsplatz heißt ja nicht, dass wir es an ihm in jeder Minute bequem haben. Sondern, dass er uns nicht krank macht.
Keine Bagatelle
Laut einer US–Studie leiden durchschnittlich 9 Prozent der Berufstätigen unter dem „Mausarm“, das RSI–Syndrom. Überdurchschnittlich hoch — mit bis zu 11 Prozent — ist die Quote bei den 50– bis 65–jährigen.
Das RSI–Syndrom hat sich zu einem ernstzunehmenden medizinischen Problem entwickelt. Nicht nur wegen seiner Häufigkeit, sondern auch, weil dadurch 44 Prozent der Betroffenen in ihren Alltagsbewegungen eingeschränkt werden.
Bei Bürotätigkeit wird das RSI–Syndrom in Deutschland bis heute nicht als Berufskrankheit anerkannt. Einzige Ausnahme sind Berufe, in denen Beschäftigte mit schweren handgeführten Maschinen wie Presslufthammer und Schlagbohrmaschine arbeiten müssen.