Kunst ist dort am schönsten, wo man sie gar nicht erwartet. Auf der Wiese, vor einer alten Fabrik, auf dem Trottoir, im Schaufenster eines Geschäfts. Kurz gesagt: auf der Bad RagARTz. Die schweizerische Triennale der Skulptur wird in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal veranstaltet. 90 Künstlerinnen und Künstler aus 13 Ländern verwandeln den Ort im Rheintal umgeben von Bergen bis 1. November in ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Treibende Kraft hinter diesem kulturellen Großereignis ist das Ragazer Ehepaar Rolf und Esther Hohmeister . Und das Gute dabei ist: Die größte Skulpturenausstellung unter freiem Himmel in Europa kostet keinen Eintritt.
Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn man beim Schlendern durch Bad Ragaz allerorten auf Plastiken und Objekte trifft. Wenn man plötzlich vor Christina Wendts Menschenfiguren aus gebranntem Ton steht, die nackt und kahlköpfig auf einem Torbogen sitzen und miteinander ins Gespräch vertieft sind. Wenn man mitten im Zentrum auf einen Bagger von Markus Hofer stößt, aus dessen Schaufel eine zähe grüne Flüssigkeit fließt. Wenn der Besucher im Kurpark aus zwei formschönen weißen Bögen von Pius Morger Geräusche und Klänge vernimmt, die ihn zum Träumen im Gras einladen. Wenn einen beim Überqueren der Löwenbrücke Leute in hohem Bogen tatsächlich mit Wasser bespucken, die Marck in Aktion mit der Videokamera gefilmt hat. Wenn man beim Schlendern auf die Atlanten von Robert Indermaur trifft, die er in einem Arkadengang zwischen den Pfeilern platziert hat und aus ihrem Kopf Säulen wachsen lässt. Oder wenn der Weintrinker von Manfred Martin direkt neben einem Tisch auf der Terrasse einer Bar steht und den Gästen fröhlich zuprostet.
Alle drei Jahre
Ja, bei der Bad RagARTz gibt es vieles zu entdecken: Gegenständliches und Abstraktes, Geometrisches und Amorphes, Sinnliches und Intimes, Humorvolles und Kritisches – aus Holz, Stein oder Metall, aus Kunststoff, Marmor oder Ton. Die Beiträge zu der Ausstellung stammen von bekannten Bildhauern wie etwa dem Italiener Mimmo Paladino oder dem Schweizer H.R. Giger, aber auch von eher unbekannten wie der Deutschen Agnes Keil, die in Leutkirch im Allgäu lebt. Viele der Kunstwerke sind verkäuflich, auch wenn es sich genau genommen um keine Verkaufsschau handelt. Die Präsentation in Bad Ragaz, die alle drei Jahre stattfindet, will auch nicht belehren, sondern fernab von musealen Grenzen Jung und Alt, Einheimische und Auswärtige unter dem Motto „sehen, verstehen, lieben“ erreichen. Auf Straßen, Plätzen, Mauern, Dächern, im Park und am See entlang versperren einem die Objekte deshalb regelrecht den Weg.
Die Anzahl der Exponate ist mit 450 Stück enorm groß, so dass der Besucher eigentlich mehrere Spaziergänge benötigt, um dem Kunstereignis irgendwie gerecht zu werden. Also heißt es, sich zu beschränken. Ortsfremde schließen sich am besten einer der vielen Führungen an, zumal der Plan zur Schau vom Maßstab her viel zu klein ist, um sich gut zurechtfinden zu können. Auf dem geführten Rundgang mit Startpunkt bei der Tourist-Info erfährt man zu jedem Künstler, seinen ausgestellten Werken und seiner Art zu arbeiten etwas, ohne dass es zu sehr ins Detail geht. Innerhalb von zwei Stunden, die wie im Nu verfliegen, bekommt man so einen guten Überblick über die Skulptur-Triennale.
Viel Kunst im Kurpark
Wer sich lieber auf eigene Faust umschauen will, der läuft von der Tourist-Info einfach die Hauptstraße entlang und biegt anschließend links in den Kurpark ab, wo man auf Schritt und Tritt der Kunst begegnet. Die Bahnhofstraße kann man sich wiederum getrost sparen, da die 16 Skulpturen alle von einem Bildhauer stammen. Wer eine gesehen hat, kennt alle anderen. Zwischendrin laden Cafés und Restaurants zum Verschnaufen ein. Oder man sollte sich schon vorab mit Getränken eindecken, denn unterwegs gibt es keine Lebensmittelgeschäfte, dafür aber jede Menge Bänke, um zu sich auszuruhen – manchmal sind sie sogar mit einem Kunstwerk bestückt. Das einzige, was im Ortszentrum wirklich stört: Verkehr bis zum Abwinken. Also besser auf dem Gehweg bleiben.
Die Bad RagARTz, die schweizerische Triennale der Skulptur, dauert bis 1. November. Öffentliche Führungen finden immer mittwochs, freitags und sonntags statt. Kosten: 25 Schweizer Franken pro Person, Anmeldung erforderlich. Mehr im Internet unter: