Grünschnitt
Düngen mit menschlichem Kot – eine nachhaltige Idee?
Panorama / Lesedauer: 5 min

Schwäbische.de
Florian Augustin hält eine Handvoll Kot in seinen bloßen Händen. Oder zumindest das, was davon nach dem Erhitzen, Kompostieren und Vermischen mit Grünschnitt übrig ist: geruchsloser, krümeliger Humusdünger, der voller wertvoller Nährstoffe steckt.
Dammweise türmt er sich im brandenburgischen Eberswalde, auf dem Gelände der einzigen Verwertungsanlage für menschliche Exkremente in Deutschland. Der studierte Forstwirt Florian Augustin betreibt die Anlage mit seiner Firma Finizio seit 2019. Und ist damit seinem großen Traum ein Stück näher gekommen: Deutschlands Toiletten so umzubauen, dass Kot und Urin nicht mehr mit viel Wasser in die Kläranlagen gespült werden, sondern gesammelt, gereinigt und kompostiert als Dünger auf den Feldern landen.
„Ein solcher geschlossener Kreislauf würde jede Menge Energie einsparen, die man normalerweise für die Herstellung von chemisch-synthetischen Düngemitteln braucht“, sagt Florian Augustin. Was der Mensch so auf dem Klo produziere, sei ein tolles Produkt, welches man der Natur eigentlich nicht einfach über die Kläranlagen entziehen dürfe. Um diesem Ziel näher zu kommen, hat „Klo-Flo“, wie er seit seiner Bachelorarbeit zum Thema „Veredelung menschlicher Exkremente“ genannt wird, im Jahr 2016 auch schon beim Start-up ÖKlo mitgearbeitet, einem Anbieter für Komposttoiletten. Denn irgendwie muss das Material für die Verwertungsanlage ja gesammelt werden.
Öko-Klos als Modelle der Zukunft
Inzwischen gibt es in Deutschland mit Firmen wie Eco-Toiletten in Berlin, Goldeimer in Hamburg, Trobolo aus Hannover und seit Kurzem auch S’Klo aus Titisee-Neustadt eine ganze Reihe Anbieter, die solche Öko-Klos bauen und vertreiben. Eingesetzt werden sie als Ersatz fürs chemische Dixie-Klo auf Festivals und anderen Großveranstaltungen, bei öffentlichen WC-Anlagen, in Schrebergärten, Waldkindergärten oder Häusern, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind – das sind immerhin 15 Prozent aller Haushalte. Aber auch für Modellprojekte in Mehrfamilienhäusern mitten in der Stadt werden Systeme mit Trockentoiletten getestet.
Das wasserlose Klo-Konzept ist überall ähnlich und simpel: Urin und Kot werden getrennt voneinander in Behältern gesammelt, damit beides besser gereinigt und weiterverwertet werden kann. Einstreu auf dem großen Geschäft neutralisiert Geruch wie unerwünschte Anblicke. Urin stinkt nur, wenn er mit Kot oder Wasser in Berührung kommt. Getrennt gesammelt ist die Körperflüssigkeit vor allem eins: eine wertvolle Nährstoffquelle, weil sie Stickstoff-, Phosphor- und Kalium enthält – und damit alles, was ein Dünger für Gemüse braucht. Finnische Forscher haben bereits vor mehr als zehn Jahren herausgefunden, dass mit Urin gedüngte Tomaten viermal mehr Ertrag liefern als ungedüngte Pflanzen. Den Forschern der Universität Kuopio zufolge ist Urin damit nahezu ebenso effektiv wie Kunstdünger.
Wertvolle Nährstoffe nutzen
„Hinzu kommt, dass die natürlichen Phosphatquellen langsam zu Ende gehen und die synthetische Herstellung sehr teuer wird“, sagt Ariane Krause vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau im brandenburgischen Großbeeren. Die Wissenschaftlerin setzt sich seit Jahren für Kreislaufsysteme und eine Erneuerung des Sanitärsystems in Deutschland ein – und sieht darin eine immense Relevanz. „Wenn wir unsere Erde in 50 Jahren noch bewohnen wollen, dann müssen wir auch im Sanitärbereich dringend etwas ändern.“ Dass wertvolle Nährstoffe einfach ungenutzt in die Kläranlagen fließen und dann in Flüssen und Seen landen, statt einem Kreislauf zugeführt zu werden, sei nicht länger tragbar.
Tatsächlich wird deshalb schon seit mehr als 20 Jahren versucht, Phosphat und auch Nitrat aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Ab dem Jahr 2029 sind Kläranlagen in Deutschland dazu sogar verpflichtet. Nur sind die dazu notwendigen technischen Verfahren mit Trocknen, Trennen und Verbrennen sehr aufwendig, energieintensiv und teuer. „Erste Hochrechnungen von Kommunen zeigen, dass sich die Abwassergebühren deshalb bis 2026 verdoppeln“, sagt Ariane Krause. Bei Trockentoiletten dagegen entfällt dieser Aufwand. Ein weiterer Vorteil der Trockentoiletten: es werden täglich bis zu 40 Liter Trinkwasser für die Spülung gespart – pro Einwohner in Deutschland. „Wenn durch den Klimawandel auch bei uns das Wasser knapp wird, können wir uns den extremen Luxus von Klospülungen mit Trinkwasserqualität nicht mehr leisten“, sagt Ariane Krause.
Problem: Rückstände von Medikamenten im Urin
In der Theorie spricht also sehr viel für eine Sanitärwende in Deutschland. Auch die Bereitschaft der Deutschen, sich auf ein wasserloses Klos einzulassen, ist den Anbieter der Trockentoiletten zufolge durchaus groß. Nur bei der Verwertung der Toiletteninhalte hapert es noch. Zwar kann das Team um Florian Augustin auf seiner Verwertungsanlage prima Humus herstellen – weil es sich um ein wissenschaftlich begleitetes Projekt handelt. Normale Kompostierwerke aber dürfen keinen menschlichen Kot verwerten. „Dieser ist nämlich im deutschen Gesetz bisher nicht als Abfall vorgesehen“, sagt Ariane Krause vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau.
Und dann gibt es noch eine weitere Hürde: Auch in der Düngemittel-Verordnung tauchen menschliche Ausscheidungen nicht auf. „Da findet sich vom Hühnermist bis zu Pferdeäpfeln alles, nur der Mensch wurde vergessen“, sagt Wissenschaftlerin Ariane Krause. Was zur Folge hat, dass Dünger aus menschlichem Urin oder Humus-Kot bislang in Deutschland nicht auf Feldern ausgebracht werden darf.
Das hat auch gute Gründe: Im Urin finden sich jede Menge Rückstände von Medikamenten. Kot wiederum ist mit Bakterien und Viren belastet. Bevor die Ausscheidungen auf den Feldern landen, müssen sie also entsprechend gereinigt werden, so das Bundesministerium für Umwelt. „Es gibt dafür inzwischen sehr sichere Verfahren mit Aktivkohle-Filtration und Hitzebehandlung, um Schadstoffe und Krankheitserreger zu entfernen“, sagt Wissenschaftlerin Ariane Krause. Sie arbeitet zusammen mit anderen Wissenschaftlern und Praktikern in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt, welches in den nächsten drei Jahren die Nachweise dafür erbringen soll, dass ein Einsatz in der Umwelt unbedenklich ist. Dass das gelingen kann, zeigt ein Blick in die Schweiz: hier ist seit 2018 ein Dünger aus menschlichem Urin im Handel, der bei essbaren Pflanzen angewendet werden darf.