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Jahresauftakt

Precht zerlegt das Bildungssystem

Oberkochen / Lesedauer: 3 min

Der Philosoph ist Gastredner beim Jahresauftakt von Zeiss
Veröffentlicht:07.02.2018, 21:41

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Das deutsche Bildungssystem taugt wenig. So lässt sich auf den Punkt bringen, was der Philosoph Richard David Precht versucht hat, den Gästen beim Jahresauftakt von Zeiss zu vermitteln. Mehr Praktiker in die Schule holen, lautete eine seiner Forderungen.

Bildung gehört nach Auffassung der Bevölkerung zu den bedeutendsten Themen überhaupt. Das geht aus einer von Zeiss initiierten Forsa-Studie hervor. Bildung werde als wichtigste Basis für den wirtschaftlichen Erfolg gesehen, sagte der Vorstandsvorsitzende des Technologiekonzerns, Michael Kaschke , in seiner Einführung. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands müsste das Bildungssystem sehr gut sein.

Das indes, sieht Precht keinesfalls so. „In der heutigen Bildungsdebatte reden wir über Kompetenzen und weniger über Wissen“, konstatiert der Philosoph. Als Problem schildert er, dass dieses Bildungsmodell im 19. Jahrhundert entwickelt wurde. Weshalb die Schulen nach militärischem Vorbild angelegt sind. Ein Modell, das von Menschen erfunden worden sei, die keine Ahnung von Schule hatten. „Wenn ein Zoodirektor seine Primaten so halten würde, wie wir unsere Kinder in der Schule, dann hätte er sofort den Protest der Tierschützer“, sagt Precht. Er nennt auch die Einteilung nach Fächern künstlich. Sie entspräche nicht dem wirklichen Leben. Kinder wollten aber wie Funken entzündet und nicht wie Fässer befüllt werden.

Precht plädiert daher dafür, den Kindern bis zum sechsten Schuljahr Grundkenntnisse zu vermitteln. In den folgenden Schuljahren müssten sie dann die Möglichkeiten haben, ihre Interessen zu vertiefen. Der Philosoph sprach von Interessenselektion. Schule würde er in Lernhäuser gliedern und es würde ein Niveau, das zu erreichen Pflicht wäre, geben. Allerdings überlässt es Precht den Schülerinnen und Schülern, wie rasch sie dieses Niveau erreichen. Die ganz Guten übertreffen dieses Niveau und erreichen bereits an der Schule Hochschulviveau. Falsch und für das spätere Leben nicht tauglich ist laut Precht, dass Jugendliche für die Schule und wegen der Noten lernten. „Wichtig ist doch, dass ich noch hungrig bin, wenn ich die Schule verlasse.“

Mit der Digitalisierung fallen Arbeitsplätze weg

Precht beschreibt die Digitalisierung als Revolution. Er erinnert daran, dass es die technischen Revolutionen waren, die die Menschen vorangetrieben hätten. Denn sie seien nicht umkehrbar und hatten gesellschaftliche Veränderungen zur Folge. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass Berufe wegfallen“, nennt Precht als eine Folge der Digitalisierung. Er glaubt nicht daran, dass in entsprechendem Umfang neue Arbeitsplätze entstehen. Es werde auf der einen Seite eine immer anspruchsvollere Erwerbsarbeit geben, und auf der anderen Seite Menschen, die nicht mehr voll beschäftigt sind. Diese Menschen müssten für sich selbst geregelte Strukturen schaffen. Für beide Gruppen ist nach Auffassung Prechts jedoch Bildung gleichermaßen wichtig.

Die Lehrpläne müssen abgespeckt werden

Was kann getan werden? „Die Kultusminister müssen die Leine verlängern, an denen sie die Schulen gängeln“, sagt Precht. Er fordert ein Abspecken der Lehrpläne, mehr Flexibilität und Praktiker reinzulassen. Die Trennung von und Leben Schule bringe die Gesellschaft jedenfalls nicht weiter.

Zeiss sieht sich in Sachen Bildung und Weiterbildung in der Verantwortung. Beides nehme im Unternehmen eine zentrale Bedeutung ein, betonte Kaschke. Für den Vorstandsvorsitzenden steht fest: „Wir müssen es schaffen, dass Weiterbildung zum täglichen Leben gehört.“