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Eine Frage der Leere

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

Eine Frage der Leere
Veröffentlicht:11.05.2013, 10:40

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Ein kritischer Blick auf das ZDF und Markus Lanz , die Amanda Knox eine Plattform bieten.

Sex und Crime locken die Menschen (zumeist) vor den Bildschirm, das ist hinlänglich bekannt und wird gerne und häufig praktiziert. TV-Anstalten – häufig jene mit dem Stempel „privat“ – erleuchten mit ihren Spots Halbweltgrößen und Busenwunder und geben ihnen eine Plattform, der Zuschauer dürstet schließlich danach. Nun kann man über das Fernsehprogramm hierzulande trefflich streiten, die Qualität monieren – oder schlicht und einfach gar nicht einschalten. Tut man es doch, führt der Weg jene, die es gerne weniger kreischend und boulevardesk mögen, zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Also zu den beiden Sendern und ihren Anhängseln, die sich selbst dafür lobpreisen, wie viel Qualität der geneigte Zuschauer für 15 Cent am Tag bekommt.

Einer dieser Sender, das ZDF , hat am Donnerstag, 2. Mai, ein „exklusives“ Interview mit Amanda Knox ausgestrahlt. Der Frau, die ein italienisches Gericht im Dezember 2009 zu 26 Jahren Haft wegen Mordes verurteilte, die im Oktober 2011 dann aber doch freigesprochen wurde. Und während im März diesen Jahres ein italienisches Kassationsgericht den Freispruch wieder aufhob, hat Frau Knox ein Buch veröffentlicht. Das Werk trägt den Titel „Zeit, gehört zu werden“ und schildert Knox‘ Sicht auf den Mordfall Meredith Kerchers, dessen sie – neben zwei anderen – angeklagt war.

Markus Lanz, Allzweckwaffe des ZDF und eher bekannt für nette Plauderrunden denn für kritischen Journalismus, hat sich Amanda Knox als Gesprächspartnerin ausgesucht. Stellt sich nur die Frage: Muss dieser Frau – die theoretisch eine Mörderin sein kann – eine Plattform im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geboten werden? Eine Plattform von 75 Minuten, in der sie sich darstellen und ihr Buch bewerben darf? Eine Plattform, die wir – die Financiers des öffentlich-rechtlichen Fernsehens – bezahlen?

Amanda Knox soll, so schreibt „Die Welt“, vier Millionen Euro für ihr Buch kassiert haben. Um auch in Deutschland die Werbetrommel dafür zu rühren, musste sie nichts weiter tun, als solch investigative Lanz-Fragen wie: „Sie haben einen Joint geraucht, Sie haben zwei Joints geraucht und Alkohol getrunken. Wie war das?“ über sich ergehen zu lassen und ihre Sicht der Dinge zu schildern. Das tat sie überlegt, zeitweilig in (vermutlich) gespielter Demut und ab und an mit einem Augenaufschlag. Knox wollte mit diesem Auftritt – bestens geschult von PR-Beratern – weniger den vielfach kolportierten „Engel mit den Eisaugen“ inszenieren, sondern vielmehr den Mythos einer Unschuld vom Lande erwecken.

Aber ist die 25-Jährige tatsächlich unschuldig? Oder saß da im TV-Studio in New York – denn Mrs. Knox war nicht etwa nach Deutschland gekommen, sondern Moderator Lanz und Team trieben die Reisekosten des ZDF in die Höhe – eine Frau, die in einen blutrünstigen Mord verwickelt ist?

Jetzt mag eben mit der Lust der Zuseher an Sex and Crime argumentiert werden, aber nicht mal diesen Punkt hat diese befremdliche Sendung erfüllt, denn die Quote – laut Dienst „Quotenmeter“ – war unterdurchschnittlich. 1,25 Millionen Menschen schalteten ab 23.20 Uhr ein, ein Marktanteil von 11,8 Prozent. Von den 14- bis 49-Jährigen wählten 0,22 Millionen Markus Lanz als Abendunterhaltung, eine magere Quote von 4,8 Prozent.

Was bleibt, ist eine Sendung, die unverhältnismäßig viel Geld gekostet haben dürfte und in der eine, wenn auch (vorübergehend?) freigesprochene, aber dennoch zweifelhafte Amanda Knox sich ins rechte Licht rücken durfte. Ein Licht, auf das Lanz‘ wenig kritische Fragen keine Schatten warfen. Knox hat in den 75 Minuten darüber gesprochen, „viel durchgemacht“ zu haben, ihrer „Seele beraubt“ und von der Polizei schlecht behandelt worden zu sein. Beste Promotion für ihr Buch, dass sie nur geschrieben habe, um loszuwerden, was sie bedrücke. Hätte es da nicht auch ein Tagebuch getan?

Die Frage, ob sie zum Prozess nach Italien kommen werde, beantwortete Knox übrigens vage: „Das konnte ich mit meinen Anwälten noch nicht besprechen.“ Sagte es, und drückte Markus Lanz im Abspann herzlich die Hände. Die Frau, die vielleicht eine Mörderin ist, wusste, was so ein weichgespülter Talkshow-Auftritt bewirken kann.