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Wenn sonst keiner mehr rankommt: Einsatz für die Retter der Bergwacht

Essingen / Lesedauer: 4 min

Retter trainieren Transport von abgestürzter Wanderin – Mehr Einsätze während Corona-Pandemie
Veröffentlicht:04.07.2022, 13:13

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Dichter Wald schirmt die wärmenden Sonnenstrahlen ab, Kühle legt sich auf die Haut. Auf jede nicht von Stoff bedeckte Stelle stürzen sich Insekten. Unwegsames Gelände, ein steiler Abhang, Stolperfallen in Form von Wurzeln, Blätter machen aus dem weichen Boden eine Rutschpartie. Mittendrin: eine abgestürzte Wanderin.

Umringt von Helfern, die alles daran setzen, die Frau mithilfe einer Trage aus dem Dickicht zu befreien, um sie behandeln zu lassen. Unbezahltes Ehrenamt, das sich wie so ziemlich jeder Verein oder Organisation um Nachwuchs sorgt. Und der übt hier, zumindest größtenteils. Denn das Szenario, das so realitätsnah wie möglich inszeniert ist, gehört zur Ausbildung der Bergwacht des DRK Aalen.

Dienstagabend, unterhalb des Bergwacht-Stützpunkts, einer Hütte unweit des Skilifts in Essingen-Lauterburg. „Patientin ist im Gelände gestürzt. Unterschenkelbruch, Kreislauf instabil. Zeitdruck“, ruft Lea Wenzel , Sanitätsreferentin auf Landesebene, die die Ausbildung an diesem Tag übernimmt. Sie steht mit ihrem Funkgerät auf einem Waldweg. Um sie herum: Ausrüstung, Karabiner, Seile, eine Trage, ihr Team – und jede Menge Bäume.

Die Rettung aus unwegsamem Gelände ist unsere Kernkompetenz.

Bergwachtleiter Florian Funk

Einsätze wie diese haben vor allem in der Corona-Pandemie stark zugenommen, erzählt der Bergwachtleiter der Bergwacht des DRK Aalen, Florian Funk, am Rande der Szene. Rund eine Alarmierung im Monat war es 2021. „Das sind viele für unsere Verhältnisse“, sagt er. Weil die Menschen nicht in den Urlaub fahren oder fliegen konnten, sind sie in der Heimat ins Gelände gegangen. Viele von ihnen ungeübt. „Die Rettung aus unwegsamem Gelände ist unsere Kernkompetenz“, so Funk.

Oftmals beschränke es sich auf den Transport eines Patienten. Wenn aber weder Arzt noch Sanitäter an eine verletzte Person herankommen, übernehmen die Frauen und Männer der Bergwacht die Erstversorgung. „Das können alle.“ Was auch alle können müssen: ruhig bleiben, umsichtig handeln, trittsicher sein. Das gilt es nun für Oliver Schaarschmidt, Ralph Buerkle und Johannes Sing unter Beweis zu stellen. Sie müssen Katharina Sachs, das Opfer, schnell und sicher den Abhang hinauf bekommen.

Denn oben wartet dann der fiktive Krankenwagen. Funkspruch Lea Wenzel: „Trage ist unterwegs“, gibt sie Bescheid. „Trage ist in Sichtweite“, hört sie oben knarzend durchs Funkgerät. Zwei der Helfer haben sich kurz zuvor an der Gebirgstrage festgemacht, in den Abhang gehängt und abgelassen.

Oben sichern Svenja Müller und Stan Vertu, lassen die Seile langsam durch ihre Hände gleiten. Der Wald, der in dieser Lage der Wanderin zum Verhängnis wurde, hilft mit. Mit Karabinern gesichert sind die Seile der Trage um einen Baumstamm geschlungen. „Im Regelfall geht man von oben an die Patienten ran und wenn möglich dann runter“, sagt Bergwachtleiter Funk. In diesem Fall ist es das nicht. Die Trage muss später, sobald Katharina Sachs sicher darin verstaut ist, wieder rauf.

Doch allein das Verstauen wird zur Geduldsprobe. Stephanie Lehnert, eine erfahrenere Kameradin, gibt den Jungs unten Hilfestellung, erklärt die einzelnen Schritte sorgfältig. „Bekommen die Leute da drin keine Panik?“, sorgt sich Schaarschmidt um seine Kameradin, die fixiert in der Trage liegt.

Warum geht man zur Bergwacht?

Antwort: „Die sind froh, wenn sie rauskommen.“ Und darum geht es nun. Äste versperren den direkten Weg, der steile Abhang fordert alle Kräfte der Retter. Oben ziehen sie an den Seilen. Unten sind sie bemüht, dass Patient und Trage nicht auf die Erde krachen.

Doch was treibt sie an, sich der Organisation anzuschließen? Geld kann es nicht sein. Zwar gibt es eine Einsatzpauschale. „Aber es verdient keiner etwas“, sagt Florian Funk. „Alles geht an den Verein und an den Landesverband.“ Reines Ehrenamt also. Ein Ehrenamt mit Reizen.

Katharina Sachs ist seit einem Jahr dabei, hat gerade ihre Grundlagenprüfung bestanden. Nach der Übung gibt es die langersehnte Belohnung: ein Shirt mit Bergwacht-Logo. Getragen werden darf es erst nach bestandener Prüfung.

Die 27-Jährige ist stolz. Was sie und ihre Kameraden eint? Naturverbundenheit, sagt sie. Die Interessen seien bei allen ähnlich. Dazu zählen Klettern, Wandern oder Skifahren. Rund 30 aktive Kameradinnen und Kameraden sind sie.

Ganz toll ist es, wenn sich die Leute später melden. Ab und an kommt das sogar vor.

Florian Funk

350 Mitglieder zählt der Verein, die meisten davon sind Förderer. Und für all diejenigen, die im Gelände abstürzen, sich beim Wandern oder Mountainbiken verletzen, sind sie wahre Helden, Retter aus hilflosen Lagen.

„Ganz toll ist es, wenn sich die Leute später melden. Ab und an kommt das sogar vor“, erzählt Bergwachtleiter Funk. Oftmals in Verbindung mit einer Spende. Und die werden natürlich genauso gerne angenommen wie all diejenigen, die ein Ehrenamt bei der Bergwacht ausüben möchten.