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Wolfgang Schäuble spricht bei der Vertriebenenwallfahrt vor über 400 Pilgern

Ellwangen / Lesedauer: 3 min

Wolfgang Schäuble spricht vor über 400 Pilgern bei der Vertriebenenwallfahrt auf dem Schönenberg
Veröffentlicht:27.05.2018, 16:57

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Die Aufbauleistung der 15 Millionen deutschen Heimatvertriebenen im zerstörten Nachkriegsdeutschland und ihren Beitrag als Brückenbauer in Europa hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bei der Vertriebenenwallfahrt auf dem Schönenberg gewürdigt. Vor mehr als 400 Pilgern in der Wallfahrtskirche sprach der 75-jährige CDU-Politiker von einer Erfolgsgeschichte.

Bei seinem ersten Besuch 1990 als Bundesinnenminister waren es noch 10 000 Vertriebene. Jetzt lautete sein Thema „Vertriebene als Brückenbauer in Europa“. Schäuble nannte Europa nach Jahrhunderten voller Kriege ein Friedensprojekt und sagte angesichts von zurzeit 65 Millionen Flüchtlingen weltweit: „Unser Zuhause ist nicht bedroht. Wir müssen nicht fliehen.“

Die Vertriebenenwallfahrt auf dem Schönenberg trage seit 70 Jahren dazu bei, das Bewusstsein für Menschen auf der Flucht wachzuhalten und Anteil an ihrem Schicksal zu nehmen, sagte Schäuble: „Dieser Ort auf dem Schönenberg ist ein europäischer und ein geschichtsträchtiger.“ Die Vertriebenen seien in der früheren Bundesrepublik oftmals nicht willkommen und als „Rucksackdeutsche“ ausgegrenzt gewesen, sie hätten aber politisches Gewicht gehabt, weil sie sich engagiert hätten: „Sie brachten sich in den Kommunen ein, und in Bonn. Sie bewiesen ihren Willen zur Integration.“ So seien aus Fremden Beheimatete geworden.

Europa bietet jedem seine Heimat

Der Kulturraum Europa stehe auf einem christlichen Fundament. Aussöhnung und europäische Einigung seien zwei Seiten einer Medaille, sagte Schäuble. Die Charta der Heimatvertriebenen von 1950 trage nicht Revanchismus, sondern den Glauben an die Zukunft und die christliche Humanität in sich. Er zitierte Erzbischof Robert Zollitsch: „Wenn wir uns unserer Herkunft nicht erinnern, haben wir Deutsche, wir Europäer keine Zukunft.“ Je ungeordneter die Zustände außerhalb der Europäischen Union seien, umso wichtiger werde es, sich in Europa zu verständigen. Europa biete Heimat. Nicht eine Heimat, sondern jedem seine Heimat. Europa sei ein großes Versöhnungsprojekt.

Die Vertriebenen hätten die Verbindung in ihre alte Heimat wieder aufgenommen. „Brücken tragen, wenn sie in zwei Richtungen zu begehen sind“, sagte Schäuble. Der Bundestagspräsident würdigte auch das Engagement der Vertriebenen in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe: „Sie helfen, weil Ihnen selbst geholfen wurde.“

Die Wallfahrt mit Fahnenabordnungen und Trachtenträgern wurde von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Vertriebenenorganisationen der Diözese Rottenburg-Stuttgart veranstaltet und vom Schülerchor des Gymnasiums Jovan Jovanovic Zmaj aus Novi Sad in Serbien mit deutschen Liedern musikalisch gestaltet. Der Chor ist Gast des Rosenstein-Gymnasiums in Heubach.

Nach dem Auftakt durch den Musikverein Rattstadt mit einem Platzkonzert hatte Oberbürgermeister Karl Hilsenbek die Wallfahrer auf dem Kirchplatz begrüßt. Die Heimatvertriebenen hätten damals den Blick nach vorne gerichtet. Ihr Beitrag am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland sei großartig gewesen. Der bischöfliche Beauftragte für Heimatvertriebene und Aussiedler, Dekan Matthias Koschar, führte in die Wallfahrt ein. Hauptzelebrant war Bischof Ladislav Német aus dem serbischen Zrenjanin, dem früheren Großbetschkerek. Der Oberhirte war bereits am 20. Mai 2012 bei der Vertriebenenwallfahrt. Német, Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien und Steyler Missionar, ist ein Bekannter von Pater Tadeusz Trojan.

In seiner Predigt ging der aus der Batschka stammende Bischof auf das Schicksal der Donauschwaben und auf das von 1945 bis 1948 existierende Todeslager Rudolfsgnad ein. Zur Volksfrömmigkeit der Donauschwaben zählte er ihre Vorliebe für Prozessionen, ihre Neigung, Wallfahrten zu machen und Maria zu verehren.

„Unser Gott ist überall und immer präsent“, sagte Német, auch wenn vor 73 Jahren angesichts der „Hölle der Kommunisten“ viele laut und verzweifelt geschrien hätten: „Wo bist du, Gott?“

Német freute sich, dass Deutschland ein Land ist, in dem Christen weiterhin eine wichtige Rolle spielten. Marias Fürsprache habe den Vertriebenen geholfen, das unglaubliche Leid der Vertreibung zu ertragen. „Bleiben Sie Maria treu“, forderte Német die Gottesdienstbesucher auf. Mit einer Marienandacht ging der Wallfahrtstag zu Ende.