StartseiteRegionalRegion OstalbEllwangenWeiterer Kronzeuge belastet ehemaliges United Tribuns-Mitglied

Prozesstag

Weiterer Kronzeuge belastet ehemaliges United Tribuns-Mitglied

Ellwangen / Lesedauer: 5 min

Prozess gegen Ex-Mitglied einer rockerähnlichen Gruppierung muss fortgesetzt werden
Veröffentlicht:18.10.2018, 20:34

Von:
Artikel teilen:

Der dritte und zuerst letzte angesetzte Prozesstag um ein Mitglied einer mittlerweile aufgelösten rockerähnlichen Gruppierung aus Heidenheim hat nicht mit einer Verurteilung geendet. Die Erste Große Strafkammer des Ellwanger Landgerichts setzt zwei weitere Termine an, um den Prozess fortzuführen. Voraussichtlich fällt das Urteil am Montag, 19. November.

Bei einem Streit zwischen zwei Rockerclubs im April 2016 wird ein Mann erschossen – der jüngere Bruder, ebenfalls damaliges Clubmitglied, wird durch einen Schuss verletzt. Am dritten Prozesstag sagt der heute 27-Jährige als weiterer Kronzeuge gegen den 29-jährigen Angeklagten aus und belastet ihn. Auf den Zeugen wartet ebenfalls ein Prozess.

Bei einem gemeinsamen Rauschgiftgeschäft soll der Angeklagte dem Zeugen 15 000 Euro Falschgeld gegeben haben, um davon drei Kilogramm Marihuana zu kaufen. Das Geschäft ging über die Bühne – doch die Blüten fielen auf. Mit dem Geld stimme etwas nicht, hätten die Verkäufer nach der Übergabe am Telefon gesagt.

Eine Patrone im Briefkasten sollte Käufer erschrecken

„Wussten Sie, dass das Geld falsch war?“, fragt der Vorsitzende Richter Gerhard Ilg den Mann mit türkischen Wurzeln. Seine Stimme ist rau, schwer verständlich. Später sitzt er so dicht vor seinem Mikrofon im Zeugenstand, dass die Boxen bei jeder Antwort ächzen. „Ich wurde schon mal angeschossen. Ich wusste nicht, dass das Falschgeld war. Ich fahre doch nicht mit Falschgeld dahin – ich bin doch nicht blöd“, sagt er. Doch ein paar Tage nach dem Geschäft wartete die nächste Überraschung: eine Patrone im Briefkasten. „Die Jungs wollten mich erschrecken“, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Von dem Marihuana, das von „beschissener Qualität“ gewesen sein soll, bekam der Zeuge 500 Gramm. Der Angeklagte soll die restlichen 2,5 Kilogramm behalten haben, um sie zu verkaufen, so der 27-Jährige. Aufgrund der Qualität sei es aber ein Verlustgeschäft geworden. Nachdem der Zeuge für die Tat verhaftet worden war, soll er bereits bei der Polizei gegen den Angeklagten ausgesagt haben. Ob es darauf Reaktionen gegeben habe, will der Richter wissen. „Dazu will ich nichts sagen“, die knappe, heisere Antwort.

Der Bruch mit dem Club kam ungefähr ein Jahr nach dem Tod des Bruders. Beim bosnischen „World-President“ der United Tribuns , bei denen die beiden Männer Mitglieder waren, hatte der 27-Jährige seinen Austritt erklärt. „Mein Bruder war tot. Es hing aber kein Bild von ihm an der Wand im Club in Bosnien“, sagt er. Und ergänzt: „Kein Respekt.“ Danach habe ihn der Club nicht mehr interessiert. Die Loyalität zum Angeklagten sei aber ungebrochen gewesen.

Loyalität ist auch im Gerichtssaal spür- und sichtbar. Der zweigeteilte Zuschauerraum ist auf einer Seite beinahe voll, auf der anderen zum Teil besetzt – wieder waren viele Verwandte und Freunde des Angeklagten da. Am zweiten Prozesstag hingegen nur einer der Brüder des 29-Jährigen. Mehrere Polizisten in Einsatzanzügen sowie in Zivil und Justizbeamte sichern den Raum – und schützen den Zeugen. Die Zuschauer müssen beim Eintreten und Verlassen des Saals durch eine Sicherheitsschleuse.

Gegen 13 Uhr springen plötzlich die Beamten in den Einsatzanzügen auf, verlassen den Gerichtssaal. Ein Justizbeamter verfolgt das Szenario, das sich scheinbar vor dem Gebäude abspielt, durch eines der Fenster. „Es sind zwei Personen auf das Landgericht zugekommen, die dem Rockermilieu zuzuordnen sind“, sagt Polizeipressesprecher Ronald Krötz auf Nachfrage. „Wären die reingekommen – das wäre nicht gut gewesen“, so der Beamte weiter. Die Einsatzkräfte hätten die Männer angesprochen, daraufhin seien sie freiwillig wieder gegangen.

Befangenheitsantrag von Richterin abgelehnt

Nicht gehen hingegen muss der Vorsitzende Richter Ilg. Die Verteidigung hatte am zweiten Prozesstag einen Befangenheitsantrag gegen ihn gestellt. Dieser wurde als unbegründet von einer eigens dafür eingesetzten Richterin des Landgerichts abgewiesen. Doch auch an diesem Prozesstag steht einer der beiden Verteidiger wieder im Mittelpunkt – erneut bei der Befragung des nun zweiten Kronzeugen, wie bereits am ersten Verhandlungstag. Er bringt den 27-Jährigen durch viele sich wiederholende Fragen aus der Ruhe. Die Antworten werden zunehmend patzig, er lässt die Fäuste auf den Tisch fallen, lacht heiser auf. „Das ist doch unglaublich“, sagt er in Richtung Richterbank.

Bei den zwei weiteren angesetzten Prozesstagen könnte die Verteidigung erneut im Mittelpunkt der Verhandlung stehen. Der Rechtsanwalt kündigt „ein eigenes Programm“ an, das er mit seinem Kollegen machen wolle. Richter Ilg fordert, konkreter zu werden. „Sie hören zu, wir erzählen“, so die Antwort. Darunter könne er sich mehr vorstellen, so Ilg. Was genau er damit ausdrücken wollte, erschloss sich den Zuhörern allerdings nicht.

Weitere Zeugen sagen aus

Noch vor dem Kronzeugen haben zwei Polizisten ihre Aussagen gemacht. Eine 31-jährige Beamtin stieß bei ihren Ermittlungen ebenfalls auf den Angeklagten, weil Clubmitglieder eines Münchner Chapters 5000 Euro Falschgeld von ihm bezogen haben sollen.

Ein weiterer Beamter wertete die Konten des 29-Jährigen aus. Seines sei unauffällig, auf das der Mutter aber seien Bareinzahlungen von rund 31 000 Euro eingegangen. Der Angeklagte soll ebenfalls Zugriff zu dem Konto haben.