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LEA Ellwangen

„Viele glauben, Deutschland ist Schlaraffenland“

Ellwangen / Lesedauer: 4 min

Heute: Wenig Syrer, viele Schwarzafrikaner – Vor zwei Jahren ist die LEA in Ellwangen eröffnet worden
Veröffentlicht:07.04.2017, 20:49

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Als die LEA in Ellwangen vor zwei Jahren eröffnet worden ist, mussten Tausende syrische Flüchtlinge untergebracht werden. Inzwischen sind die Syrer in der Minderheit. Die größte Gruppe stellen in Ellwangen die Schwarzafrikaner. In der Innenstadt haben sie schon für einigen Ärger gesorgt (wir berichteten).

„Vor einem Jahr hatten wir noch 70 Prozent Syrer“, sagt LEA-Leiter Berthold Weiß. Jetzt sind es noch 51. Inzwischen ist der Großteil der Flüchtlinge aus Kamerun (106), Nigeria (115) oder Eritrea (73).

Auch wenn sich die Nationalitäten verändert haben, sind rund 50 Prozent der Bewohner in der LEA Ellwangen Moslems, die andere Hälfte Christen. Der Ramadan, der am 27. Mai beginnt, wird deshalb wie in den vergangenen beiden Jahren eine große Rolle spielen.

Mit knapp 700 Menschen ist die LEA derzeit so belegt, wie es eigentlich von Anfang an gedacht war, sagt Weiß. 500, maximal 1000 Menschen sollen hier leben. Es waren aber auch schon 4900. Zu diesen Hochzeiten sei es darum gegangen, die Flüchtlinge möglichst schnell in den Landkreisen unterzubringen. Jetzt bleiben sie meist zwischen vier und sechs Monate, sagt Weiß. Was wieder andere Herausforderungen mit sich bringt.

Viele Frauen stecken tief in einer Depression

Zum Beispiel in der psychologischen Ambulanz. Als die LEA permanent überbelegt war, ging es für den Psychologen Reinhard Sellmann darum, das Personal im Umgang mit den traumatisierten Menschen zu schulen. Seit die Flüchtlinge länger da sind, nutzen auch sie das Angebot. Flucht, sagt Weiß, hat mehrere Phasen. Erstens die eigentliche Flucht, bei der es nur ums Überleben und Ankommen geht. In dieser Zeit werde alles andere ausgeblendet. Dann kommen die Ankunft, die Erleichterung, die Sicherheit und die Hilfe. Aber wenn sich das Asylverfahren hinzieht, wenn klar wird, dass der Familiennachzug nicht einfach ist und sich Zweifel einstellen, wie es weitergehen soll, dann werde der psycho-soziale Betreuungsbedarf groß, sagt Weiß. Viele Frauen steckten tief in einer Depression.

Aufprall auf die Realität kann hart sein

Was auch an den falschen Vorstellungen liegt: „Viele glauben, Deutschland sei ein Schlaraffenland.“ Der Aufprall auf die Realität kann dann hart sein. Erst recht, wenn sich zeigt, dass das mit dem Asyl gar nicht so einfach ist. Während die Anerkennungsquoten bei Syrern und Eritreern hoch sind, erfahren andere, dass das gar nicht so funktioniert, wie man ihnen das gesagt hat. Oft werden Qualifikationen nicht anerkannt. Viele unterschätzten auch das Thema Sprache, sagt Weiß. Gute Prognosen habe, wer schon eine europäische Sprache spreche. Aber wenn nicht und wenn die Menschen die 30 erreicht haben, werde es schwierig. „Wer braucht schon Handlanger, die kein Deutsch können?“

Ganz gut seien die Prognosen für die Flüchtlinge aus Kamerun, Nigeria oder Tonga: „Die können Englisch oder Französisch, sind relativ jung, flexibel und anpassungsfähig“, sagt Weiß. Allerdings werden sie nur selten als Flüchtlinge anerkannt.

Durch die Schwarzafrikaner ist der Frauenanteil gestiegen. Es kommen mehr alleinreisende Frauen mit Kindern. Die gab es bei den Syrern gar nicht. Sie leben im Frauenhaus. Ein weiteres Haus belegen die Familien, die anderen drei die Männer.

Es herrscht ein relativ striktes Reglement. Wer Krach macht, betrunken ist oder andere belästigt und sich dauerhaft danebenbenimmt, wird in Halle 101, die alte Mensa, verlegt. Da sei es nicht ganz so angenehm und man könne die Störenfriede besser überwachen, sagt Weiß. Wer sich dauerhaft danebenbenimmt, kommt in eine andere LEA. Dort sind die Störer oft unauffällig, weil ihnen der Rückhalt ihrer Gruppe fehlt.

Seit die Menschen länger in der Landeserstaufnahmestelle sind, ist auch die Kinderbetreuung immer ausgelastet, weil die Mütter die Kinder regelmäßig bringen. Was ja gut ist, denn hier lernen sie ihre ersten Worte Deutsch und erfahren etwas über ihre neue Heimat. Und weil’s in Deutschland die Schulpflicht gibt, besuchen fünf Kinder die Vorbereitungsklasse in der Buchenbergschule.