StartseiteRegionalRegion SigmaringenPfullendorf„Zu sehr auf andere verlassen!“

Klassenerhalt

„Zu sehr auf andere verlassen!“

Pfullendorf / Lesedauer: 8 min

Martin Fritz, Präsident des SC Pfullendorf, blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück
Veröffentlicht:17.12.2013, 20:40

Artikel teilen:

Abstiegskampf, Klassenerhalt, Trainerwechsel, Pleitenserien – im Gespräch mit SZ-Redakteur Oliver Kothmann lässt SCP-Präsident Martin Fritz (47) das nun zu Ende gehende Jahr beim derzeitigen Tabellenschlusslicht der Fußball-Regionalliga Südwest Revue passieren. Und er blickt voraus auf 2014.

Was war Ihr schönster SCP-Moment im Jahr 2013, Herr Fritz?

Das waren die Stunden nach dem geschafften Klassenerhalt mit dem Heimsieg über Trier am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Die Nichtabstiegsfeier war gut. Wir haben ja selbst kaum noch dran geglaubt, dass es klappt, aber am Ende hatten wir es verdient geschafft.

Und was war der negativste Moment?

Da muss ich sagen, dass eigentlich das gesamte vergangene Vierteljahr nicht so läuft, wie man sich das vorstellt. Sportlich läuft es nicht, auch sonst liegen immer viele Steine im Weg.

Von welchen Steinen sprechen Sie?

Man stellt zu Saisonbeginn eine Mannschaft zusammen, von der man glaubt, dass sie besser ist als die im Vorjahr. Dann fällt einem Jonuzi ein, dass er keine Lust mehr hat zum Fußballspielen. Einem Ozorio fällt nach der Unterschrift ein, dass er eigentlich zu wenig Geld verdient. Und dann meint, er kriegt jetzt viel mehr. Und als er das nicht kriegt hat er auch keine Lust mehr zum Fußballspielen. Dann haben wir zwei unglaubliche Negativserien, einmal mit acht verlorenen Spielen in Folge, aktuell mit fünf. Verletzungspech auf Schlüsselpositionen wie dem Torwart, wo Willibald die Rückkehr bislang wegen seiner zweiten Operation an der Hand nicht geschafft hat. Kapitän Jörg Schreyeck war sechs oder sieben Spiele außer Gefecht. Das ganze letzte Quartal war ein einziger Kampf.

Seit November sind Sie SCP-Präsident. Warum haben Sie dieses schwierige Amt übernommen. Und was treibt Sie darin täglich an?

Dieser Verein liegt mir am Herzen. Das ist einfach so. Ich bin da reingewachsen, als ich damals vom VfB Stuttgart gekommen bin und habe seither viele schöne Momente und Stunden beim SCP erlebt. Entscheidend aber ist: Ich bin als zweiter Vorstand in die Verantwortung gegangen, habe Mannschaft und Etat mit festgelegt und will das zu einem guten Ende bringen. Außerdem stand außer mir ja auch niemand für das Amt zur Verfügung. Und ich will diesen Verein einfach nicht im Stich lassen.

Was würden Sie rückblickend 2013 anders machen?

Bei der Planung der aktuellen Mannschaft hätte ich vielleicht ein bisschen genauer auf die Charaktere der Spieler schauen sollen. Ich habe mich dabei zu sehr auf andere Leute verlassen.

Warum?

Nun, mir fehlt manchmal einfach die nötige Zeit. Ich bin Geschäftsführer eines Unternehmens, habe eine Familie, die mich zwar voll unterstützt. Aber ich kann nicht jeden Tag fünf Stunden auf dem Sportplatz herumturnen.

Haben Sie zu lange an Adnan Sijaric festgehalten?

Bis auf die 0:7-Klatsche in Kaiserslautern waren die Ergebnisse immer knapp. Man hatte immer Hoffnung, dass es das nächste Mal klappt. Natürlich sind wir beim SC Pfullendorf aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht in der Lage, so zu reagieren wie es in solch einer sportlichen Situation vielleicht notwendig wäre. Ja, wahrscheinlich haben wir drei Spiele zu lange gewartet. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

Stephan Baierl ist auf dem Weg, Sijarics Rekord-Pleitenserie einzuholen, hat alle seine Spiele bislang verloren, fünf in Folge. Ist er trotzdem der Richtige?

Ja, er ist der Richtige. Das Problem ist: In den letzten drei, vier Jahren hat sich beim SCP der Fußball amateurisiert, man könnte auch sagen: Er wurde hier hobbymäßig betrieben. Jetzt haben wir wieder einen professionellen Trainer, für den Dinge wie Fitness, Pünktlichkeit, taktisches Verständnis und so weiter wie selbstverständlich dazu gehören. Da treffen im Moment zwei Welten aufeinander.

Warum haben Sie Michael Falkenmayer den Führungsspieler schlechthin, trotz laufenden Vertrages ablösefrei nach Mainz ziehen lassen?

Mainz hat uns unmissverständlich wissen lassen: Wenn sie ihn nicht ablösefrei bekommen, dann wollen sie ihn gar nicht. Falkenmayer stammt aus der Region Mainz, es war immer klar, dass er irgendwann gehen würde. Er hat von Mainz einen Drei-Jahresvertrag angeboten bekommen plus Option, nach der Spielerkarriere im Verein eingebunden zu werden. Wir können das alles nicht bieten. Mit welchem Recht hätte ich einem verdienten Spieler wie Falkenmayer die Chance verbauen können, sich wirtschaftlich langfristig abzusichern?

Wie die SZ vergangene Woche berichtete sind die Vertragsauflösungen mit Frank Stark und Timo-Peter Werne ja bereits fix. Aber wie sieht die aktuelle Entwicklung in der Personalplanung aus?

Neben den Vertragsauflösungen mit Timo Werne und Frank Stark sind auch die Vertragsauflösungen von Julian Grundler und Lucas Ozorio fix. Wohin die Spieler gehen, steht noch nicht fest. Bei Silvio Battaglia sind wir bereit, den Vertrag aufzulösen. Berg hat Interesse, aber das ist ein schwebendes Verfahren. In den nächsten beiden Tagen soll es Klarheit geben. Domenic Bentele und Daniel Hörtkorn können bei einem entsprechenden Angebot gehen. Aber ich löse nicht einfach den Vertrag auf. Das werde ich nicht tun. Wenn sich beide einhundertprozentig engagieren, können sie bleiben, aber halbe Sachen gibt es nicht. Wolfgang Narr muss uns, wenn er bleiben will, zu einhundert Prozent zur Verfügung stehen.

Wer soll kommen?

Ein neuer Torwart soll kommen, plus gegebenenfalls Ersatzleute für die Abwanderungswilligen.

Wird der zweimal an der Hand operierte Stammtorwart Sebastian Willibald zur Rückrunde wieder fit sein?

Das steht in den Sternen. Deshalb müssen wir nochmal einen Torwart holen, auch wenn das natürlich überhaupt nicht eingeplant war.

Woher soll jetzt Ersatz für die abgewanderten oder abgeschobenen Spieler kommen?

Das ist eine ganz schwierige Aufgabe. Wir brauchen Spieler, die darauf brennen, sich in der Regionalliga nochmal 16 Spiele lang zu präsentieren. Spieler, die den SCP als Sprungbrett nutzen wollen, um nach oben zu kommen. Die bereit sind, alles zu geben. Und dabei dem SCP nützen und sich selbst.

Und woher nehmen Sie das Geld für solche Transfers?

Wir werden nur das Geld einsetzen, das wird durch die Vertragsauflösungen mit anderen Spielern einsparen.

Glauben Sie noch an den Klassenerhalt?

Wir haben acht Punkte, zehn weniger als zum selben Vorjahreszeitpunkt. Aus der dritten Liga könnten im Juni auch zwei Absteiger kommen. Das würde bedeuten, dass es bei uns in der Regionalliga sechs Absteiger gäbe. Dann wäre es fast nicht mehr möglich. Wenn aus der dritten Liga aber keiner absteigt, und beispielsweise unsere beiden Erstplatzierten aufsteigen, dann sehe ich noch eine Chance für uns. Dann würden bloß vier runtergehen. Aber wenn sechs Clubs absteigen, dann sind wir dabei.

Warum kämpft der SCP denn seit Jahren mit aller Macht um den Regionalliga-Verbleib? Die Oberliga wäre doch in mancher Hinsicht vielleicht sogar interessanter. Man denke an Derbys gegen Ravensburg, Villingen oder Balingen…

Ich kann da nur für mich sprechen: Ich kämpfe darum, weil ich unseren Spielern aus unserer Jugend die Plattform Regionalliga anbieten möchte. In der Regionalliga kann man sich besser für höhere Aufgaben empfehlen als in der Oberliga. Denn in der Regionalliga sichten die Profi-Clubs.

In der Jugendabteilung läuft es derzeit aber auch nicht. A-, B- und C-Jugend stehen durchweg schlecht da. Woran liegt das?

Aus der A-Jugend sind die ganzen Leistungsträger in den Aktivenbereich gewechselt. Mit dem jungen Jahrgang ist es derzeit offensichtlich nicht möglich, in der Oberliga zu bestehen. Auch in der B- und C-Jugend spielen wir mit jüngeren Jahrgängen. Wir spielen ja getrennt nach Jahrgängen. Wenn wir jetzt aber zum Beispiel in der C-Jugend mit Spielern des Jahrgangs 1992 und 1993 spielen würden, dann sähe es vielleicht schon wieder ein bisschen besser aus.

Und warum wird das nicht einfach gemacht?

Da muss man vielleicht mal mit Jugendkoordinator Klaus Steidle sprechen. Wir hatten vergangene Woche eine Jugendtrainersitzung, in der den Trainern ein neues Konzept vorgestellt wurde. Es gilt nun, dieses umzusetzen. Es geht um ein durchgängiges Trainingssystem von den Bambini bis zur A-Jugend. Dass die Jugendlichen jetzt schon ein einheitliches System lernen. Vorgestellt wurde das Konzept von Stephan Baierl und es lehnt sich an das des VfB Stuttgart an.

Was wünschen Sie dem SC Pfullendorf für 2014?

Dass wir in ein ruhiges finanzielles Fahrwasser kommen. Und wir auch mal die schönen Seiten des Vereinslebens genießen können und nicht immer nur darum kämpfen müssen, das Budget zu sichern. Und dass es uns gelingt, die Infrastruktur, was zum Beispiel Plätze angeht, so aufzubauen, wie es sich für einen SC Pfullendorf gehört. Vielleicht müssen wir absteigen. Aber vielleicht ist das auch wieder eine Chance, irgendwann mal wieder weiter zu kommen. Wenn wir den Klassenerhalt sportlich schaffen, bleiben wir auf jeden Fall auch in der Liga.