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Kopftuch

Streitgespräch ums Kopftuch bei der Friedensdekade

Ellwangen / Lesedauer: 4 min

Ordensfrau, konvertierte Lehrerin und Kopftuch tragende Muslima diskutieren im Palais Adelmann
Veröffentlicht:17.11.2017, 14:50

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Übers Kopftuch und die Frauen, die es tragen, lässt sich trefflich streiten. Eher gesittet ist es beim Streitgespräch zum Kopftuch im Palais Adelmann zugegangen. Einig wurden sich die Frauen auf dem Podium aber nicht.

Diskutiert haben die Anna-Schwester Rut Göhringer in Ordenstracht, die aus dem Iran stammende, zum Christentum übergetretene Lehrerin Nadyeh Shariloo ohne Kopftuch und die aus Syrien stammende Architekturstudentin Bnana Darwish mit Kopfbedeckung.

Warum trägt jemand ein Kopftuch? Dieser Frage wollte sich der Treffpunkt Nord-Süd mit dieser Veranstaltung stellen und damit einen Beitrag leisten, die Schranken im Kopf für abzubauen. „Wir möchten zu einer kulturellen Annäherung beitragen“, sagte Vorsitzende Christine Ostermayer. Das Kopftuch sei das allereinfachste Kleidungsstück und gleichzeitig Beweis dafür, dass an dem Kleidungsstück überhaupt nichts einfach sei, führte Moderatorin Verena Rothmaier in die komplexe Thematik ein.

So steht es im Koran

Die Muslima Bnana Darwish trägt ihr Kopftuch aus Glaubensgründen. „Wenn ich ein Kopftuch trage, fühle ich mich unterstützt“, sagt sie: „Es ist ein Schutz für die Frau. Es ist ein Ausdruck von Reinheit.“ In ihrer Familie sei es kein Zwang gewesen, ein Kopftuch zu tragen. Im Koran sei deutlich geschrieben, dass eine Frau ein Kopftuch tragen soll, sagte sie und zog in diesem Punkt Parallelen zum Christentum, Judentum und Buddhismus. Darwish lebt seit 2014 in Deutschland und setzt in Stuttgart ihr Architekturstudium fort, das sie in Syrien begonnen hat. Die erste Zeit in der Bundesrepublik verbrachte sie in Ellwangen . Wenn sie Ablehnung erfahre, dann nicht wegen ihres Kopftuchs, sondern weil sie aus religiösen Gründen Männern nicht die Hand gebe. Sie respektiere aber alle Menschen.

In der Schule und am Arbeitsplatz habe man unter dem Schah im Iran kein Kopftuch tragen dürfen, berichtete Nadyeh Shariloo, Jahrgang 1962. Ihr moderner, muslimischer Vater habe das Kopftuch immer abgelehnt. Sie habe erst nach der Revolution im Iran Kopftuch getragen, allerdings nur einen Monat lang. „Das war nicht meine Welt“, gesteht die Physiklehrerin: „Für mich war es unangenehm. Dieses Muss ist für mich ein Problem. Wenn eine Regierung sagt: Du musst das tragen, du lebst in einem islamischen Land.“

Es bedeutet Unterdrückung

Nadyeh Shariloo kam 1981 nach Deutschland und unterrichtet seit 2008 an der katholischen Mädchenschule Sankt Gertrudis in Ellwangen. Kopftuch bedeutet für die Konvertitin Unterdrückung, außer die Frau wählt es bewusst. „Gott hat mir diese schönen Haare gegeben“, sagt die Christin: „Warum soll ich das verstecken?“ Früher hätten Türkinnen mit Kopftuch in Deutschland als Putzfrau oder in der Fabrik gearbeitet, heute habe Deutschland ein Problem damit, wenn gläubige Musliminnen mit Kopftuch auf die Universität gingen.

Schwester Rut Göhringer , eine gelernte Hotelfachfrau, trat mit knapp 37 Jahren der Gemeinschaft der Anna-Schwestern bei. „Ich habe mich bewusst für das Ordenskleid und den Schleier entschieden“, sagt die gebürtige Ellwangerin, die früher beim Fastnachts-Club der Virngrundkrähen aktiv war: „Für mich ist es Ausdruck meiner Jesus-Nachfolge.“

Die Madonna trägt immer den Schleier

Ihr Eintritt in den Orden sei von vielen begrüßt worden, es habe aber auch Kommentare aus ihrem Umfeld gegeben wie „Wann ist denn das passiert?“ Mittlerweile aber hätten sich alle daran gewöhnt. Schwester Rut Göhringer sieht die Kopfbedeckung der Frau auch in der christlichen Religion: „Ich habe noch nie eine Darstellung gesehen, wo die Gottesmutter Maria ohne Schleier war.“ Früher sei in Ellwangen und in ihrer Familie das Kopftuchtragen „etwas vollkommen Normales“ gewesen, erzählt die Ordensfrau von ihrer Kindheit. Das Kopftuch sei ein Ausdruck religiöser Freiheit und die sei im Grundgesetz verankert.

Bei der Toleranz zog jede andere Grenzen. Es dürfe keine Berufsverbote geben, nur weil jemand Kopftuch trage, sagte Shariloo. „Wir begrüßen uns mit Handschlag. Das ist einfach unsere Kultur“, fand dagegen die Leiterin der Mädchenschule Sankt Gertrudis, Schwester Birgit Reutemann.

Das Jugendzentrum hatte unter der Federführung von Juze-Mitarbeiterin Jutta Jakob zum Thema eine kleine Ausstellung vorbereitet.