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Glockengeläut

„Love“ schwebt über allem

Ellwangen / Lesedauer: 3 min

Närrinnen und Narren sind am Gumpendonnerstag in Partystimmung
Veröffentlicht:21.02.2020, 19:00

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Die Basilika, an dezentes Glockengeläut gewöhnt, staunt nicht schlecht, als auf dem Marktplatz die Guggen auf die Pauke hauen. Während im Rheinland Weiber feiern, schwärmen hierzulande Närrinnen und Narren aus und setzen der milden Februarnacht bunte Farbtupfer auf: Es ist Gumpendonnerstag in Ellwangen . Zwei rotbemützte Clowns im Partnerlook lassen das närrische Durchschnittsalter deutlich ansteigen. Macht nichts. William Wallace ist noch älter.

Im stilechten Kostüm des schottischen Freiheitshelden des 13. Jahrhunderts scheint Geschichtsfan Wolfgang alias William direkt „Braveheart“ entstiegen zu sein. Sogar das Breitschwert fehlt nicht. Neptun Jochen, der sich mit bildhübschen Nixen im Gefolge aus der Sechta an Land gewagt hat, muss mit einem simplen Dreizack zufrieden sein. Beim Umzug in Realeg waren sie fast 80. Ob die langbeinige Nixe Nicole ihr Inkognito lüftet? Unter Egon dem 17. am Fuchseck besingt der alte Häuptling den wilden Westen, der Yeti läuft unermüdlich durch die Serengeti. Auch Johnny Däpp und Helene, mal mehr, mal weniger atemlos, geben sich am närrischen Knotenpunkt die Ehre.

Im Roten Ochsen ist es rappelvoll. Eine vollbusige Maid mit dunklem Bart, die entfernt an Conchita Wurst erinnert, tanzt mit einem vollbärtigen Gärtner mit grüner Zipfelmütze. Vielleicht ein Vorbote der Landesgartenschau ? „Ich bin Thomas aus Crailsheim“, strahlt die Maid und lässt sich hineinziehen in den Strudel der Polonaise aus Blankenese. Hoch über dem bunten Treiben schwebt „Love“ in Gestalt gigantischer Buchstabenballons: „Unser Motto ist klar“, sagt das Quartett vergnügter Bräute. „Wir feiern Junggesellinnenabschied. Vielleicht klappt’s diesmal mit dem Ehemann.“ Tropical Girls machen mit Obstkörben auf dem Kopf Furore.

Auf andere Art attraktiv sind acht Neunheimer Hexen mit veritablem Zinken im Gesicht, den sie wie ein Einhorn auch auf der Stirn tragen. An Reizen stehen Stephanie, Christine, Petra und Gabi aus Jagstzell ihnen in nichts nach. Stephie stellt die Truppe vor: „Wir sind eine Kräuter- und eine Küchenhexe, eine Wetterhexe und eine alte Hexe.“ Schwarzgelockte Piratinnen, für die Jack Sparrow aus der Karibik zurückkehren würde, tanzen mit ansehnlichen „Lifeguard“-Jungs. Wenn nicht jetzt, wann dann. Fünf Miniröcke im geometrischem Courrèges-Design und pinken Bob-Perücken schieben vorbei, gefolgt von gülden wallenden Mänteln und zauberhaften Masken: „Wir sind Venezianerinnen aus Neuler“, verraten Claudi, Moni und Gabi.

Bodenständiger geben sich acht grün blinkende „Edelkaktusse“: Marion, Uschi, Marianne und die anderen kommen aus Jagstzell, das wieder stark vertreten ist. Dem Messwein zugeneigt sind neun würdige Be(e)tschwestern aus Schrezheim mit einem Vorbau bunter Blumenkästen. 2019 landeten sie als Gießtrupp für die Landesgartenschau auf Platz drei des Kostümwettbewerbs. Der ist bei Foto Phositiv in vollem Gange. Für die Jury um König Dübeli von der Hinteren Ledergasse zählen Aufwand, Zeit und Kreativität.

Letztere scheint grenzenlos. Die Ellwanger Bergbahnbetriebsgesellschaft verspricht Freifahrten vom Bahnhof aufs Schloss, Berg und Tal. Am Fuchseck tummeln sich gestreifte Plüschtiger mit markigen Wikingern, handfeste Mönche und knackige Fußballer liegen sich in den Armen, während ein ringelbestrumpfter Nachtwächter in Pantoffeln vor sich hin gähnt. Schon bettreif? Ach wo, auch wenn die zweite Hälfte der Nacht ungemütlich und es fürs Bett im Kornfeld definitiv zu nass ist. Der Regen treibt die sexy Ladies und ihre Begleiter in die Kneipen. Die Guggen verstummen, unter den Füßen der beiden Clowns knirschen Glasscherben. Schlaflos in Ellwangen am Gumpendonnerstag. Nirgends ist Fasching schöner.