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Rekordernte

Jetzt muss ausgedünnt werden

Ellwangen / Lesedauer: 6 min

Rekordobsternte: Kreisfachberaterin für Obst- und Gartenbau Christiane Karger erklärt die Gründe und gibt Tipps
Veröffentlicht:17.07.2018, 18:26

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Bei den Obstbauern in unserer Region zeichnet sich in diesem Jahr womöglich eine Rekordernte ab. Die Bäume – egal, ob Pflaume, Birne, Nuss oder Apfel – tragen reiche Früchte. Alexandra Rimkus hat mit der Kreisfachberaterin für Obst- und Gartenbau beim Landratsamt, Christiane Karger, über die Gründe für das tolle Obstjahr gesprochen und uns erklären lassen, was man als Hobbygärtner tun kann, damit das Zusammenleben mit den eigenen Obstbäumen im Garten harmoniert.

Frau Karger, täuscht der Eindruck oder steht uns in diesem Jahr eine Rekordobsternte ins Haus. Die Bäume hängen momentan ja voll.

Nach jetzigem Stand sieht es wirklich sehr gut aus. Der Behang ist durchweg richtig gut. Die Kirsche ist ja schon durch, aber auch bei Zwetschgen, Äpfeln und Birnen sieht es momentan ausgezeichnet aus. Der Behang ist so üppig, dass es sogar schon zu Astbruch kommt. Wer das vermeiden will, sollte jetzt ausdünnen und die Bäume um einige Früchte erleichtern, damit die restlichen Früchte gut gedeihen können.

Also wird es eine Rekordernte...

Es kann auf jeden Fall eine sehr gute Ernte werden. Wobei man das Wetter immer im Blick haben muss. Kommen noch größere Unwetter mit Hagel, kann sich die Lage ganz schnell ändern. Außerdem ist es auch in unserer Region derzeit zu trocken. Auch wir bräuchten mal einen über mehrere Tage andauernden Landregen, ansonsten werden viele Früchte noch abgestoßen oder eher klein bleiben.

Täuscht der Eindruck oder blüht mittlerweile alles früher und vor allem gleichzeitig?

In diesem Jahr sind wir mit der Obstbaumblüte tatsächlich wieder ein, zwei Wochen früher dran. Das ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren verfestigt hat. Dass allerdings alles mehr oder weniger gleichzeitig sprießt und blüht, wie es in diesem Jahr der Fall war, ist eher ungewöhnlich.

Begünstigt wurde das durch das sehr warme Wetter im Frühling. Da kam ja mit einem Schlag alles aus den Knopflöchern geschossen. Zum Glück blieb uns in diesem Jahr ein Spätfrost erspart. 2017 war das anders. Da kamen Mitte April noch zwei richtig kalte Nächte, vieles ist damals erfroren.

Dass die Bäume jetzt so reiche Früchte tragen, ist doch auch ein Beleg dafür, dass es um die Bienen im Land gar nicht so schlecht steht wie es oft behauptet wird, oder? Zumindest hat die Bestäubung in diesem Jahr offenkundig gut funktioniert.

Ja, das hat sie. Dazu sollte man aber wissen, dass die Bestäubung in diesem Jahr zu einem ganz großen Teil das Verdienst der Wildbienen war. Die mussten die Hauptarbeit bei der Bestäubung leisten, weil die domestizierte Honigbiene zu einem so frühen Zeitpunkt im Jahr noch nicht in voller Streitmacht am Start ist. Den Honigbienen ist es so früh im Jahr einfach noch zu kalt, da sind nur Wildbienen unterwegs. Das zeigt, wie wichtig diese Tiere für uns sind. Gebe es keine Wildbienen in ausreichender Zahl, gebe es jetzt nicht so eine gute Obsternte. Deshalb ist der Schutz der Tiere durchaus richtig und wichtig. Ich kann nur an jeden Gärtner und Landwirt appellieren, Lebensräume für Wildbienen und andere Insekten zu schaffen. Der Trend geht hier gerade bei vielen Hobbygärtner und auch Landwirten wieder in die richtige Richtung.

Inwiefern?

Landwirte lassen blühende Streifen stehen und Privatleute setzen wieder auf Blühendes in ihrem Garten statt auf Steine. Das ist gut so. Naschgärten sind meiner Beobachtung nach zum Beispiel wieder schwer im Kommen. Viele Leute pflanzen wieder Obstbäume und Beerensträucher für den Eigenbedarf in ihre Gärten. Vielleicht, weil es sie an ihre eigene Kindheit erinnert. Vielleicht, weil Gartenarbeit die Menschen ein Stück weit erdet. So oder so. Das Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten wird einfach wieder mehr wertgeschätzt, die Leute fangen auch wieder an, einzuwecken. Mich freut dieser Trend sehr.

Was halten Sie als professionelle Gartenbauerin eigentlich von chemischen Pflanzenschutzmitteln oder Dünger? Sinnvoll oder unnötig?

Pflanzenschutzmittel sind teuer und haben Nebenwirkungen. Davon ganz abgesehen, ist mittlerweile vieles, was früher auch noch im Privatgarten eingesetzt werden durfte, ohnehin verboten. Was ich durchaus begrüße. Ich setze stattdessen auf integrierten Pflanzenschutz und berate auch dahingehend – sowohl Hobbygärtner als auch unsere regionalen Obst- und Gartenbauvereine.

Was heißt das konkret?

Das heißt, dass chemische Mittel immer nur das allerletzte Mittel der Wahl sein sollten. Bäumen und Pflanzen im Hausgarten kann in der Regel auf natürliche Art und Weise effektiv geholfen werden.

Wie denn?

Zum Beispiel durch den richtigen Schnitt. Wer einen Obstbaum fachgerecht beschneidet, sorgt dafür, dass die Bäume licht und luftig sind. Sie können dann besser abtrocknen, was sie deutlich weniger anfällig für Pilzerkrankungen, wie Schorf, macht.

Kann man beim Baumschnitt denn viel verkehrt machen?

Oh ja... wenn ich mir im Herbst den einen oder anderen komplett abrasierten Obstbaum anschaue, blutet mir regelrecht das Herz. Ich fotografiere solche Fälle gerne, weil sie bei meinen Vorträgen als schlechtes Beispiel doch noch Gutes bewirken können.

Warum ist so ein Kahlschnitt denn so schlimm?

Wissen Sie, ein Obstbaum muss erzogen werden, das macht das Zusammenleben mit ihm sehr viel einfacher. Dazu muss man aber wissen, dass man so einen Baum nicht einfach zusammenschneiden darf. Die Bäume leben, sie verfügen über eine natürliche Hierarchie. Es gibt einen Mitteltrieb, den Stamm. Das ist in diesem System sozusagen der Chef. Dazu kommen noch drei, vier Leit-äste – die Abteilungsleiter. Dieses System muss man stärken und nicht stutzen, dann wird so ein Baum auch alt, bringt mehr Ertrag und braucht künftig deutlich weniger Pflege.

Wenn ich das einmal falsch mache...

...dauert es in der Regel lange, mitunter Jahre, bis sich der Baum davon wieder erholt hat. Deshalb ist ein fachgerechter Schnitt immer sinnvoll. Unsere Obst- und Gartenbauvereine mit ihren Fachwarten leisten diesbezüglich eine ganz hervorragende Arbeit. Das sind wichtige Multiplikatoren, die genau solche Grundkenntnisse vermitteln.