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Hurra, der Kalte Markt ist da

Ellwangen / Lesedauer: 7 min

Pferde und Gespannen präsentieren sich auf dem Schießwasen in Ellwangen – Kuttelessen in den Wirtschaften
Veröffentlicht:09.01.2017, 17:15

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120 Stuten und 54 Gespanne waren zur Prämierung beim Kalten Markt gemeldet worden. Gekommen sind 75 Stuten und 48 Gespanne. Vermutlich hatten die Züchter Angst, dass sich ihre Tiere auf dem Schneematsch ausrutschen und sich verletzten könnten. Dafür waren die Stuten topp, es gab nur erste Preise.

Im letzten Jahr prägten vor allem Regenschirme das Bild rund um die Gespann- und Stutenprämierung, in diesem Jahr Winterschuhe und Pudelmützen. Doch die Besucher hielt das nicht davon ab, vergnügt an den Absperrungen zu stehen.

Im Schritt und Trab präsentierten sich auf dem Sandboden innerhalb der Bewertungsringe auf dem Schießwasen die Pferde und Ponys. Manche schienen nicht allzu begeistert durch den matschigen mit noch etwas Schnee bedeckten Boden zu stapfen und sich dann noch von allen Seiten bestaunen zu lassen.

Während die einen ihren großen Auftritt hatten, mussten die anderen im Schneematsch warten. Manche Tiere sahen es gelassen, andere trippelten unruhig auf der Stelle. Ein Pony war vor allem von der ungewollten Nähe zu einem Artgenossen so genervt, dass es kurzerhand mit den Hinterbeinen nach seinem Nachbarn trat. Glücklicherweise ist beiden Tieren und auch sonst niemanden etwas passiert.

Familie Kellermann stand ebenfalls mit ihren fünf Ponys bereit. „Normalerweise haben wir noch mehr dabei, aber wegen dem Wetter wollten wir lieber auf Nummer sicher gehen“, sagte Rosemarie Kellermann. Jedes Jahr kommen die Züchter von dem etwa 60 Kilometer entfernten Hausen am Bach nach Ellwangen, um an der Prämierung teilzunehmen.

Die Jury bewertete währenddessen die Tiere im Ring. „Gut bemuskelt“, „hübsches Gesicht“ und „beeindruckende Hinterhandarbeit“ waren nur ein paar Aussagen, die fielen. Auch die Zuschauer beurteilten die Tiere in ihren Gesprächen, aber die meisten nutzten den Kalten Markt wie jedes Jahr, um Neuigkeiten auszutauschen.

Im Roten Ochsen

Nach dem Auftrieb der Vierbeiner auf dem Schießwasen folgt der Auftrieb der Zweibeiner im Roten Ochsen. Zum Kuttelessen drängt sich alles in die Wirtschaft, was Rang, Namen und Hunger hat. Da schmettern gediegene Banker, gesetzestreue Polizisten, Landgerichtspräsidenten, Firmenchefs und Behördenvertreter und Politiker das Kalte-Markt-Lied, hauen zum Refrain kräftig auf die Pauke, sprich den Tisch, und prosten sich gut gelaunt zu.

Wie immer gibt Metzgermeister Franz Schenk den Vorsänger. Er gehört zum Kalten Markt wie die Kuttelsupp’ mit Bratkartoffeln. 88 Jahre alt wird er noch im Januar, Hut ab.

Super-Sonder-Ehrengast war dieses Mal der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch. Weil nämlich Ulm an der Donau liegt. Ellwangen zwar nicht, aber dafür gehört es dem Rat der Donaustädte an. Wegen der Verbindungen nach Südeuropa. Sprich Bulgarien. Um diese Staaten kümmern sich Ellwangen und Ulm. Das muss man nicht unbeding verstehen, aber OB Karl Hilsenbek hat’s schön erklärt.

Apropos OB. Ob’s im Roten Ochsen mehr ums Kuttelessen, das Zusammensitzen oder Hilsenbeks Pferdewitze geht, wer weiß das schon. Hier jedenfalls sind die Pferdewitze:

Zwei Kühe stehen im Hof, als ein Pferd über sie hinwegfliegt. Dann fliegen zwei vorbei, dann noch eins. „Da muss irgendwo ein Nest sein“, sagt die eine Kuh. „Nee“, sagt die andere. „Die fliegen alle in Richtung Süden. Das sind Zugpferde.“

Frau Hilsenbek zu Herrn Hilsenbek: „Du bist mein bestes Pferd im Stall. Du machst den größten Mist.“

Im Religionsunterricht in Rotenbach. Der Comboni-Pater will von den Buben wissen, was ihnen zu Peter und Paul einfällt. Streckt einer: „Peter und Paul sitzad aufm Gaul. Der Gaul scheißt Bolla, der Paul muss rolla.“

Noch Fragen? Zum Beispiel über andere Eigenheiten der Ellwanger außer Pferdewitzen erzählen? Da sind die Lieder der Hinteren Ledergass hilfreich. 25 Jahre alt wird die Fastnachtsgruppe und hat im Roten Ochsen schon mal vorgefeiert. Franz Brenner und Andreas Hunke hatten Schlagzeug und Tuba als Verstärkung mit, besangen, Kuttelsupp’, König Dübeli und unseren Hilsenbek, der als geölter Blitz die Ellwanger erschreckt. Außerdem lernt man, dass die Ellwanger eher unfreundlich sind, außer, wenn es um Pferde geht, dass sie gern feiern, am liebsten mit Veit-Bier und deshalb am Fasching von Gumpendonnerstag bis Aschermittwoch auf der Gass’ sind. Fasching am Kalten Markt? Dieses Jahr passt das, denn am Sonntag ist Ostalbumzug mit fast 4000 Narren. Und das ist dann wie der Umzug zum Kalten Markt, findet Brenner. Nur ohne Pferde.

Der Umzug

Pferde gab’s beim Umzug natürlich reichlich. Tausend Zuschauer haben den bunten Festumzug der Reiter, Pferde und Pferdegespanne in der beflaggten Ellwanger Innenstadt verfolgt. Unter den Pferderassen mit von der Partie waren Friesen, Araber und Holsteiner ebenso wie Schwarzwälder Füchse, Württemberger Warmblut und Haflinger oder Isländer und Shetland-Ponys.

Den Kalter-Markt-Umzug führten traditionell der Spielmannszug, die Infanterie und die Ellwanger Trachtengruppe der Bürgergarde Ellwangen an. Mit farbenfrohen Abordnungen vertreten waren die Stadtgarde Lauchheim, die Bürgerwehr Crailsheim, das Historische Schützencorps Bad Mergentheim, die Bürgergarde Hüttlingen, der Große Siedershof Schwäbisch Hall und die Bürgergarde Bretten. Die Reiterschwadron der Bürgergarde Ellwangen beschloss den ersten Teil des Zuges.

Mit Beifall empfangen wurden die Siegerstuten der Kleinpferde, Warmblut-, Kaltblut- und Spezialrassen sowie das Siegergespann von Michael Egetemeyr aus Frankenhardt. Starke Beachtung fanden die Vier-, Sechs- und Achtspänner. So hatten die Blutreitergruppe aus Schwenningen und die Familie des Deutschen und Europameisters im Gespannfahren, Michael Brauchle aus Hülen, jeweils einen Achtspänner dabei. Aber auch das Gespann der Kaltblutfreunde Dettenroden mit Josef Thomer und dem Bierwagen der Rotochsen-Brauerei und so mancher Planwagen ernteten Applaus.

Die größte Reitergruppe stellte der Reit- und Fahrverein Rindelbach unter Vorsitz von Edwin Schuster, der, so der Moderator des Umzugs, der größte Verein im Pferdesportkreis Ostalb ist. Ältester Reiter war der 87-jährige Hans Köder vom Reit- und Fahrverein Jagstzell, ein erfahrener Reiter und Pferdezüchter. Aber auch einige Kleinkinder sah man im Sattel, ebenso Polizeireiter der Polizeireitschule Stuttgart.

Die musikalische Gestaltung übernahmen die Musikvereine Dalkingen und Rattstadt sowie der Fanfarenzug Lippach. Und die Goiselschnalzer aus Unterschneidheim ließen es unterwegs so richtig krachen.

Prämierung auf dem Marktplatz

Seit vielen hundert Jahren ist der Kalte Markt ein Ort der Begegnung. Doch während früher das Pferd als Nutztier im Vordergrund gestanden hat, sind Pferde heute Gefährten des Menschen, sagte Oberbürgermeister Karl Hilsenbek bei der Prämierung auf dem Marktplatz.

Traditionen seien in schnelllebiger Zeit ein wichtiges Gegengewicht, meinte der OB und wünschte sich, dass der Kalte Markt noch lange ein Ort für interessante Begegnungen bleibe. Er ehrte Reinhold Hagmayer, der seit 25 Jahren als Preisrichter beim Kalten Markt ist und die Leiterin des Haupt- und Landgestüts Marbach, Astrid Velsen-Zerweck, die seit 10 Jahren richtet. Die Züchter aus der Region lobte er. Sie gingen mit Herzblut und Engagement ans Werk und präsentierten erstklassiges Pferde.

Velsen-Zerweck kam angesichts der beeindruckende Kulisse vor der Basilika ins Schwärmen. Tiere und Menschen gehörten in Ellwangen zusammen. Und das schon lange. Den Kalten Markt gebe es seit über 1000 Jahren, seit 6000 Jahren seien Pferde domestiziert. Schon zu Zeiten der drei Pferdeheiligen hätten Grenzen keine Rolle gespielt. Sie kamen aus Kappadokien und ihre Reliquien wurden erst in Langres, dann in Ellwangen verehrt. Angesichts von Tierhaltungsverordnungen, Pferdesteuern in anderen Kommunen, EU-Verordnungen und steigenden Anforderungen im Tierschutz könnte man allerdings fast meinen, die Züchter seien wie die Pferdeheiligen damals die Märtyrer von heute. Was Velsen-Zerweck aber gleich relativierte: „So ist es wahrlich nicht.“

Velsen-Zerweck hob das Verbindende des Reitsports hervor: „Für Pferdemenschen gelten keine Grenzen.“ Das war bei den Pferdeheiligen so und gelte auch heute, wenn Züchter sich auf internationalem Parkett bewegten und sich ihre Zuchthengste aus dem weltweiten Angebot heraussuchten.