StartseiteRegionalBaden-WürttembergLiechtensteiner lehnen mehr Demokratie ab

Zwergstaat

Liechtensteiner lehnen mehr Demokratie ab

Leutkirch / Lesedauer: 3 min

Volksinitiative wollte Vormacht des Fürsten schwächen – und ist krachend gescheitert
Veröffentlicht:01.07.2012, 23:15

Von:
Artikel teilen:

Die Liechtensteiner stehen treu zu ihrem Fürsten: Die Stimmbürger des Zwergstaates haben am Wochenende mit großer Mehrheit gegen den Ausbau ihrer eigenen Rechte gestimmt.

Zur Debatte stand eine Verfassungsänderung, die dem Fürsten das Vetorecht nach einer Volksabstimmung genommen hätte. Bislang kann Seine Durchlaucht Hans-Adam von und zu Liechtenstein , beziehungsweise der in seinem Namen regierende Erbprinz Alois, jedes Gesetz kippen – selbst wenn dieses per Volksentscheid zustande gekommen ist.

Und das bleibt auch so. Mehr als drei Viertel aller Stimmbürger – genau 76,1 Prozent – wollten, dass der Fürst das letzte Wort behält. Gerade einmal 23,9 Prozent votierten für die Beschneidung der fürstlichen Rechte. Die Beteiligung lag knapp über 80 Prozent – deutlich mehr als üblich. „Die Liechtensteiner wollten ihr Fürstenhaus nicht desavouieren“, erklärt der Politologe Wilfried Marxer vom Liechtenstein-Institut das Ergebnis auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung. „Wenn das Fürstenhaus vor der Abstimmung sein Einverständnis mit der Volksinitiative signalisiert hätte, dann hätte sie wohl eine überwältigende Mehrheit bekommen.“

Doch Fürst und Erbprinz hatten von vornherein klargemacht, dass sie ihr Vetorecht als unverzichtbar ansehen. Entsprechend gutgelaunt liest sich denn nun auch die fürstliche Stellungnahme zum Abstimmungsergebnis: „Das Fürstenhaus hat mit Freude und Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung die bisher so erfolgreiche Partnerschaft zwischen Volk und Fürstenhaus fortsetzen möchte.“

Die Initianten der Abstimmung reagierten enttäuscht. „Das ist nicht das, was wir uns erhofft haben“, sagt Sigvard Wohlwend vom Initiativkomitee „Ja – Damit deine Stimme zählt“, das in den vergangenen Wochen für eine Abschaffung des fürstlichen Vetos geworben hatte. Allerdings musste seine Gruppe mit dem latenten Vorwurf kämpfen, die Autorität des Fürstenhauses zu untergraben.

Weil antimonarchische Tendenzen in Liechtenstein nun einmal gar nicht gut ankommen, gab sich das Initiativkomitee, das die fürstlichen Rechte beschneiden wollte, betont fürstentreu. In Pressemitteilungen geizten die Demokratie-Aktivisten nicht mit Hans-Adam-Zitaten, wie jenem aus einem Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard. Darin soll der Fürst gesagt haben: „Ich bin schon recht früh zur Erkenntnis gelangt, dass der moderne Staat nur auf dem demokratischen Prinzip aufgebaut sein kann.“ Wohlwend zieht die Aufrichtigkeit solcher Aussagen in Zweifel. „Im Ausland geht der Fürst hausieren, was für ein toller Demokrat er ist“, lästert er. „Aber zu Hause sagt er, er braucht unbedingt das Vetorecht. Das ist doch ein fundamentaler Widerspruch.“

Das sehen die meisten Liechtensteiner offenbar anders, oder es kümmert sie nicht weiter. Politologe Marxer erklärt die Anhänglichkeit der Untertanen zu ihrem Staatsoberhaupt mit der langen Geschichte des Fürstentums – schließlich regiert das Haus der Liechtensteiner schon seit 300 Jahren am Alpenrhein. „In 300 Jahren gab es viele Höhen und Tiefen“, sagt er. „Und insgesamt haben die meisten Liechtensteiner nicht den Eindruck, dass der Fürst gegen das Volk regiert, sondern dass er zum Wohl des Landes beigetragen hat, zu Wohlstand, Stabilität und Frieden.“

Auch die Landesregierung wertet das Ergebnis als „Ja zu staatspolitischer Kontinuität“, schließlich werde das „Vetorecht des Landesfürsten traditionell zurückhaltend und mit großem Verantwortungsbewusstsein ausgeführt“. Manchmal genügt aber auch ein Fingerzeig des Monarchen: Pläne für ein liberaleres Abtreibungsrecht lehnte das Volk vor einigen Jahren ab, nachdem der katholische Fürst ein Veto angekündigt hatte.

Nun wird das Thema Volksrechte in Vaduz erst einmal zu den Akten gelegt. „Das Initiativkomitee wird aufgelöst“, sagt Sigvard Wohlwend – der sich aber sehr wohl vorstellen kann, dass die Frage in einigen Jahren wieder auf die Tagesordnung kommt: „Bis zur Einführung des Frauenstimmrechtes haben wir ja auch drei Anläufe gebraucht“. Das wurde nach langen Debatten eigeführt – im Jahr 1984.