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Hochspannung

Wutbürger in allen Nuancen

Aalen-Fachsenfeld / Lesedauer: 2 min

Szenische Lesung „Die Mauer beginnt im Kopf“ auf Schloss Fachsenfeld
Veröffentlicht:27.10.2019, 18:51

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50 Minuten Hochspannung hat die szenische Lesung „Die Mauer beginnt im Kopf“ auf Schloss Fachsenfeld geboten. Auf der Vorlage des Stückes „Furor“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz ist dem Theater der Stadt Aalen gelungen, das Thema Wutbürger mit all seinen Nuancen transparent zu machen

Die Lesung bietet jede Menge Gesprächsstoff und zeigt auf, dass auch 30 Jahre nach dem Mauerfall die Grenzen noch nicht gefallen sind – Ressentiments in den Köpfen bestimmen teilweise immer noch die Handlungen von Menschen.

Zum Inhalt: Dem Politiker Braubach ist ein Unfall passiert und er hat den 18-jährigen Enno zum Krüppel gefahren. Braubach ist zwar unschuldig, trotzdem sieht er sich in der moralischen Verantwortung, die Mutter des Opfers zu besuchen. Man sitzt sich weit entfernt gegenüber und so treffen zunächst auch zwei Welten aufeinander. Die Mutter konfrontiert den Politiker mit allerlei Vorwürfen, doch dieser reagiert sehr sachlich und argumentiert, dass ihm der Junge vors Auto gelaufen sei. Schließlich bietet Braubach der Mutter seine Hilfe an, in dem er sich dafür einsetzen will, dass Enno eine erstklassige Prothese erhält sowie eine Ausbildung beginnen kann.

Eine Wendung nimmt das Ganze als Jerome, der Neffe der Mutter, auftaucht. Er bringt den Politiker gleich in die Zwickmühle, in dem er 100 000 Euro Schmerzensgeld und 3000 Euro monatliche Rente für Enno fordert. Es zeigt sich, dass Jerome ein Wutbürger ist, denn er sieht in Braubach nicht das Individuum, sondern einen Vertreter eines Systems, das für seine persönlich missliche Lage verantwortlich ist. Jerome muss als Paketzusteller neun bis zehn Stunden am Tag für fünf Euro Stundenlohn schuften. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden wird immer härter, Jerome droht dem Politiker einen Shitstorm zu entfachen und Fakenews über Alkohol und zu schnelles Fahren bei dem Unfall in die Welt zu setzen. Außerdem nimmt er heimlich das Gespräch auf.

Doch auch die Sprache des Politiker wird rauer: „Koch dir nicht mit Giftmüll die Birne ab“, sagte er zu Jerome. Dieser zückt sogar ein Messer, bevor die Mutter wieder auftaucht. Sie weist ihren Neffen in die Schranken und wirft ihn aus dem Haus. Doch ganz so einfach ist es im wahren Leben nicht, denn man kann nicht alle Wutbürger einfach hinauswerfen, sondern es gilt beharrlich daran zu arbeiten, die Mauern in den Köpfen einzureißen.

Bernd Tauber als Politiker, Anne Klöcker als Ennos Mutter und Manuel Flach als Jerome haben bei dieser szenischen Lesung die einzelnen Charaktere sehr glaubwürdig dargestellt.