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Tabellenzweite

„Wenn es drauf ankommt, was zu treffen, dann bin halt ich da“

Aalen / Lesedauer: 5 min

Bundestrainer und noch mehr: Der Dreifach-Kegel-Trainer Wolfgang Lutz aus Schrezheim
Veröffentlicht:17.04.2018, 15:57

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Man stelle sich vor, Joachim Löw (58) trainiert nicht nur die deutsche Nationalmannschaft, sondern auch noch die U 21 des DFB und den Tabellenzweiten der Fußball-Bundesliga, der aktuell der FC Schalke 04 wäre. Wolfgang Lutz (54) ist so ein Tausendsassa - im Kegeln. Er ist nicht nur Damen-Bundestrainer und U-23-Coach sondern auch noch verantwortlich für die Bundesliga-Damen des KC Schrezheim, ihres Zeichen aktueller deutscher Vizemeister. Zwischen Bundesliga-Ende und vor dem WM-Start spricht Lutz im Interview mit Sportredakteur Benjamin Post über seine Rolle, das Kegeln und den Unterschied zwischen Mann und Frau.

Herr Lutz, machen drei Trainerjobs Spaß?

Es macht immer noch Spaß und meine Familie steht voll hinter mir, sonst würde ich es nicht machen. Wenn man keinen Spaß hat, hat man keinen Erfolg.

Und sie haben Erfolg, etwa mit den Bundesliga-Damen. Aber für drei Mannschaften benötigt man noch mehr Leidenschaft für den Sport.

Sonst geht es nicht. Wenn man Schrezheim die Jahre über verfolgt hat, ist es ja nicht so, dass wir keinen Erfolg hatten. Mit dem KC wurden wir zuletzt Vizemeister und haben uns für den Europapokal in Sarajewo qualifiziert. Man muss dahinter stehen, zum Teil vorne weg gehen und sich auch über Kritiker hinwegsetzen.

Wie ein Jogi Löw. Und für die Nationalmannschaften müssen sie auch Spieler nominieren, wie für die kommende Weltmeisterschaft.

Man muss sieben Spieler nominieren bei der U 23, und dann auch noch die Damen. Nichts geht nebenbei. Urlaub ist es nicht, die WM im rumänischen Cluj ab Mitte Mai (lacht).

Sie kennen jede deutsche Spielerin?

Ja, klar. Ich kenne alle Frauen aus der Liga, ich bin seit 2002 dabei, erst als Co-Trainer unter Günther Doleschel, der mich für dieses Amt auch inspirierte, und 2003 nach der WM habe ich dann die U 23 übernommen. Die Damen betreue ich jetzt das erste Mal bei einer WM.

Wie schaffen sie das alles zu organisieren? Sie haben ja keinen Profistatus.

Viel läuft über E-Mail und WhatsApp, viel mache ich abends nach der Arbeit. Die WM-Vorbereitung ist schon stressig. Nach der U 23 fangen in Rumänien ja direkt die Damen an.

Wie läuft das Training?

Die Vorbereitung ist wie beim Fußball auch, da machen wir Konditionstraining. Und Lauftraining macht jeder individuell. Jeder weiß, was er zu tun hat. Bei den Tätigkeiten, die ich mache, kann ich nicht auch mitlaufen (lacht).

Und das kegelspezifische Training?

In der Wettkampfphase lasse ich immer sehr wettkampfnah trainieren, das heißt über 30 Wurf. Auf das Kegelbild, das ich aufstelle, werfen die Spielerinnen 30, 50, 60 Mal drauf, bis das verinnerlicht ist.

Was macht das Coachen aus?

Man muss individuell sein. Jede ist anders. Die Spielerinnen, die ich betreue, können alle kegeln. Wenn es drauf ankommt, was zu treffen, dann bin halt ich da. Man muss auch mal eine Spielerin aus dem Spiel herausnehmen, dann gebe ich Anweisungen, worauf es ankommt. Man sollte die Sportler motivieren.

Wie beschreiben sie sich als Trainer?

Eigentlich bin ich schon entspannt auch wenn das Handtuch zittert. Es geht auch ohne Stress. Ich muss mich so verhalten, dass ich meinen Nebenmann nicht störe. Sonst gibt es eine gelbe Karte. Es ist wie beim Fußball auch: Der eine springt in seiner Coaching Zone herum, der andere ist ruhig.

Und sie erfahren. Sie sind schon 30 Jahre Trainer.

1988 habe ich meine Übungsleiter-Lizenz gemacht, zwei Jahre später meinen B-Trainer. Jetzt bin ich A-Trainer. Und ich spiele selbst auch noch, ab und zu in der 2. Bundesliga. Es ist jetzt nicht so, dass ich es nicht kann (schmunzelt).

Wann haben sie angefangen zu kegeln?

Ich bin Späteinsteiger beim Kegeln, ich habe erst mit 17 Jahren angefangen. Meine Mutter hat in Aalen gespielt, im Keglerheim. Da bin ich mal mitgegangen und habe gespielt. Dann haben das die Schrezheimer spitz bekommen. Das war 1982. Da fiel jemand aus und ich wurde gefragt, ob ich mitspielen könnte. Dann habe ich gleich was getroffen. Was mich am Anfang gestört hat: Keiner konnte mir genau sagen, wie kegeln richtig geht um vorwärts zu kommen, Trainingslehre.

Jetzt sind sie Bundestrainer.

Es hat sich so entwickelt. Die Frauen wurden immer besser, wir sind aufgestiegen, von der Bezirksliga bis in die 1. Bundesliga, dort spielen wir bereits seit 13 Jahren. Zuerst habe ich das Bundestrainer-Amt abgelehnt, es hat nicht so gepasst. Ich bin mittlerweile nach Werner Buchs der Dienstälteste im Deutschen Kegler Bund Classic. Ich mache mit meinem Trainerkollegen, Werner Buchs, auch Trainerausbildung in Italien, so ein, zwei Mal im Jahr.

Sie haben in dieser Saison auch mal bei den Schrezheimer Zweitliga-Herren als Coach ausgeholfen. Was ist schwieriger: Damen oder Herren?

Die Herren sind schwieriger zu trainieren als die Frauen. Die Männer sind ein bisschen anspruchsvoller und sensibler (lacht). Ich habe nicht nur ausgeholfen, sondern auch sie trainiert, vielleicht nicht so intensiv wie die Damen.

Gab es schon andere Angebote?

Andere Vereine haben schon angeklopft, ob ich nicht wechseln möchte. Die Herren von Victoria Bamberg (Bundesligist, Anm. d. Red.) wollten mich. Wenn ich das richtig betreibe, wie in Schrezheim: Rechnen sie sich mal aus, wie viele Kilometer ich da im Jahr fahren müsste? Das verdiene ich da nicht. Ich will ja das Training auch leiten und nicht nur zum Wettkampf da sein. Aber das wäre schon ein Reiz gewesen.